Wahl in Großbritannien Nicht für Johnson, sondern gegen Corbyn
Warum hat Johnson diesen Kantersieg erzielt? Er ist doch für den Brexit - den aber eine knappe Mehrheit der Briten gar nicht mehr will. Grund dafür ist das desaströse Verhalten der Opposition.
Boris Johnson hat haushoch gewonnen. Er hatte keine Mehrheit im Unterhaus. Jetzt hat er sie. Johnson kann nun das neu verhandelte Austrittsabkommen im Parlament durchsetzen und das Land zum 31. Januar aus der EU herausführen. Niemand wird ihm da noch in die Quere kommen. Denn seine konservative Fraktion ist nicht nur viel größer geworden, sie ist auch voll auf Brexit-Kurs.
Die gemäßigten Tories, die sich für ein zweites Referendum oder zumindest eine sehr enge Anbindung an die EU eingesetzt hatten, haben die Partei entweder verlassen oder sind nicht wieder aufgestellt worden. Deshalb ist auch die Brexit-Party von Nigel Farage überflüssig geworden. Kein einziger ihrer Kandidaten hat es ins Unterhaus geschafft - kein Wunder: Denn die Tories sind jetzt die Brexit-Partei.
Knappe Mehrheit für Verbleib in EU
Die Remainer haben verloren. Die, die das Land in der EU halten wollten, sind vernichtend geschlagen. Ihr Spiel ist aus. Es wird kein zweites Referendum geben. Großbritannien sucht seine neue Rolle in der Weltpolitik jetzt außerhalb der Europäischen Union.
Und dabei hätten die Remainer in einer neuen Volksabstimmung vielleicht sogar das Ergebnis der ersten korrigieren können. Gefragt nach Drinbleiben oder Rausgehen zeichnete sich in den Umfragen zuletzt eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU ab, auch weil die EU-freundlichen jungen Briten, die das Referendum 2016 verschlafen hatten, aufwachten.
Opposition hat alles falsch gemacht
Daraus hat die Opposition bei dieser Unterhauswahl allerdings kein Kapital geschlagen. Aus eigenem Verschulden. Denn Johnson hat diese Wahl nicht etwa gewonnen, weil er so stark war, sondern weil die Opposition so schwach war und im Wahlkampf so ziemlich alles falsch gemacht hat, was man falsch machen konnte.
Die von der EU überzeugten Liberaldemokraten waren von ihrem zwischenzeitlichen Hoch in den Umfragen so euphorisiert, dass sie Johnson auf den Leim gingen und diese vorgezogene Wahl überhaupt erst möglich machten. Ihr übermütiges Versprechen, den Rückzug vom Austritt auch ohne weitere Volksbefragung durchzusetzen, wurde zum Rohrkrepierer.
Keine klare Haltung von Corbyn
Schlimmer noch Jeremy Corbyn, der Labour-Chef und Oppositionsführer: Er sagte den Wählern nicht einmal, ob er für oder gegen den Brexit ist, obwohl der EU-Austritt das Thema Nummer eins dieses Wahlkampfs war.
Und so hatte Johnson mit seiner schlichten Botschaft "Get Brexit done" - den Brexit durchziehen - leichtes Spiel. Er erreichte damit die Brexiters, die nichts lieber wollen als den Austritt aus der EU. Er erreichte aber auch die Wähler, die einfach die Nase voll haben vom ewigen Brexit-Gezerre.
Johnson ist das kleinere Übel
Und schließlich holte Johnson auch viele Stimmen der EU-Freunde in der politischen Mitte, die ihn eigentlich für einen Hallodri halten, aber in ihm und dem Brexit im Vergleich zu einem Linksaußen Corbyn in der Downing Street das kleinere Übel sehen.
Die Briten hätten die Chance gehabt, mit dieser Unterhauswahl ihren wirtschaftlichen und politischen Abstieg zu verhindern. Sie haben sie nicht genutzt. Dafür tragen vor allem die Oppositionsparteien die Verantwortung.
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