Pierbattista Pizzaballa
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Nahost-Krieg ++ Patriarch beklagt Zerstörung in Gaza ++

Stand: 20.05.2024 23:29 Uhr

Die Stadt Gaza ist nach den Worten des lateinischen Patriarchen, Kardinal Pizzaballa, teils bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Bei Protesten gegen die Netanyahu-Regierung hat es in Israel Festnahmen gegeben. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.

20.05.2024 • 23:29 Uhr

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Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden hat in Gesprächen mit der israelischen Führung auf den Zugang zu Hilfsgütern im gesamten Gazastreifen gepocht. Es sei wichtig, dass Israel und Ägypten ihre Gespräche über die baldige Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah abschließen würden, habe Sullivan in Gesprächen mit Verteidigungsminister Yoav Gallant und dem israelischen Generalstabschef Herzi Halevi betont, teilte das Weiße Haus mit. Die humanitären Helfer müssten die Bedürftigen im gesamten Gazastreifen sicher mit Hilfe versorgen können, forderte Sullivan demnach. Damit die Hilfe in den Küstenstreifen gelange, müssten alle verfügbaren Grenzübergänge genutzt werden. 

Gallant und Halevi hätten Sullivan über "neue alternative Ansätze zur Bekämpfung der Hamas in Rafah" informiert. Die USA lehnen eine große israelische Bodenoffensive in der Stadt im Süden des Gazastreifens ab. "Beide Seiten kamen überein, die Gespräche fortzusetzen", so das Weiße Haus. Sullivan kam auch mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zusammen. 

Das gleichzeitige Vorgehen des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof gegen die Hamas und gegen Israel hat nach Einschätzung des Auswärtigen Amts ein falsches Bild entstehen lassen. "Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und die beiden israelischen Amtsträger auf der anderen Seite ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden", sagte ein Außenamtssprecher in Berlin. "Jedoch wird das Gericht nun sehr unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten haben, die der Chefankläger in seinem Antrag ausführlich dargestellt hat." 

Es war die erste Äußerung aus der Bundesregierung zu dem Vorgang. Deutschland habe den Internationalen Strafgerichtshof immer unterstützt und respektiere seine Unabhängigkeit und seine Verfahrensabläufe wie die aller anderen internationalen Gerichte. "Dazu gehört, dass die Vorverfahrenskammer nun erst einmal über die Anträge des Chefanklägers auf die Ausstellung von Haftbefehlen zu entscheiden hat. Das Gericht wird dabei eine Reihe schwieriger Fragen zu beantworten haben, einschließlich gerade auch der Frage seiner Zuständigkeit und der Komplementarität von Ermittlungen betroffener Rechtsstaaten, wie es Israel einer ist", sagte der Sprecher weiter.

In seltener Geschlossenheit haben Abgeordnete von Regierungsparteien und Opposition in der israelischen Knesset den Antrag auf Haftbefehle gegen Regierungschef Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Joav Gallant verurteilt.

Der Staat Israel befinde sich in einem gerechten Krieg gegen eine kriminelle Terrororganisation, hieß es in der am Abend von 106 der 120 Abgeordneten verabschiedeten Stellungnahme. Der Vergleich der israelischen Regierungspolitiker mit Hamas-Terroristen sei skandalös und ein klarer Ausdruck von Antisemitismus, so die Knesset-Abgeordneten. "Wir lehnen dies mit Abscheu ab. 80 Jahre nach dem Holocaust wird niemand den jüdischen Staat daran hindern, sich zu verteidigen."

US-Präsident Joe Biden hat das Vorgehen des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israel als "empörend" bezeichnet. Israel und die militant-islamistische Hamas dürften nicht gleichgestellt werden, teilte Biden mit. Man werde Israel immer bei Bedrohungen gegen die Sicherheit des Landes zur Seite stehen, so Biden weiter. Ähnlich äußerte sich US-Außenminister Antony Blinken. Dass Haftbefehle für hochrangige israelische Beamte zusammen mit Haftbefehlen für Hamas-Terroristen beantragt worden seien, sei "beschämend". "Wir weisen die Gleichsetzung Israels mit der Hamas durch die Anklage zurück", so Blinken.

Blinken machte außerdem deutlich, dass die US-Regierung der Auffassung sei, dass das von den USA nicht anerkannte Gericht in diesem Fall nicht zuständig sei. Das Vorgehen des Chefanklägers könne die laufenden Bemühungen um ein Waffenstillstandsabkommen sogar gefährden, hieß es von ihm. 

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, sieht israelische Behörden nach dem Antrag auf internationalen Haftbefehl gegen Regierungschef Benjamin Netanyahu am Zug. Er forderte sie auf, selbst Untersuchungen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht im Krieg im Gazastreifen aufzunehmen. "Die israelischen Behörden können nun selbst Ermittlungen aufnehmen - denn die Ermittlungen des IStGH sind nachrangig zu einer nationalen Untersuchung", sagte Schmid der Nachrichtenagentur Reuters. Er vertraue dem israelischen Rechtsstaat.

Hinweisen auf mögliche Kriegsverbrechen sollten die israelischen Behörden nachgehen. Schmidt forderte die Bundesregierung auf, das Vorgehen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu akzeptieren. "Die deutsche Außenpolitik ist dem Völkerrecht und seinen Institutionen verpflichtet und sollte die Arbeit des IStGH auch in dieser Frage respektieren", sagte der SPD-Politiker. "Es ist wichtig, dass der Chefankläger keine Gleichsetzung der Verbrechen der Hamas mit dem israelischen Vorgehen vorgenommen hat." Denn er erkenne ausdrücklich das Selbstverteidigungsrecht Israels an, sehe aber mögliche Verstöße gegen die Verhältnismäßigkeit.

Die militant-islamistische Hamas hat nach dem Antrag des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs auf Haftbefehle gegen drei führende Vertreter der Organisation sowie gegen Israels Regierungschef und Verteidigungsminister eine Strafverfolgung aller israelischen Befehlshaber gefordert. In einer Stellungnahme hieß es, der Antrag auf Haftbefehle käme sieben Monate zu spät. Verfolgt werden sollten auch alle Soldaten, die an "Verbrechen gegen das palästinensische Volk" beteiligt gewesen seien. Sich selbst sah die Hamas, deren Massaker in Israel am 7. Oktober dem Gaza-Krieg vorausging, hingegen zu Unrecht im Visier der internationalen Strafjustiz. Das palästinensische Volk habe das Recht, sich mit bewaffnetem Widerstand der Besatzung zu widersetzen, hieß es.

Die Stadt Gaza ist nach den Worten des lateinischen Patriarchen, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, teils bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Größte Probleme für die Zivilbevölkerung seien neben den anhaltenden Kriegshandlungen die medizinische Versorgung, die hygienische Lage sowie die Verteilung von Hilfsgütern, sagte der italienische Ordensmann in Jerusalem. Zuvor hatte er das Kriegsgebiet vier Tage lang besucht. Was er dort gesehen habe, habe ihn an einen Besuch im syrischen Aleppo 2015 erinnert. Ziel seines Besuchs sei eine Geste des Beistands gewesen.

"Auch wenn wir keine unmittelbaren Lösungen haben, ist es wichtig, da zu sein", so Pizzaballa. Der Kardinal sprach sich erneut für ein Ende des Krieges und der Blockade des Gazastreifens aus. Der Besuch war Auftakt eines gemeinsamen Hilfsprojekts mit dem Malteserorden und dessen Hilfswerk Malteser International. Obwohl sich die humanitäre Versorgung im Vergleich zu den ersten Kriegsmonaten verbessert habe, fehle es immer noch an allem, sagte Pizzaballa. Das Patriarchat prüfe derzeit Möglichkeiten, dringend benötigte psychologische Hilfe für die traumatisierte Bevölkerung anzubieten.

Österreichs Regierungschef Karl Nehammer (ÖVP) hat das unterschiedslose Vorgehen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israel und die islamistische Hamas kritisiert. Zwar sei die Unabhängigkeit des IStGH zu respektieren. Aber, "dass die Anführer der Terrororganisation Hamas, deren erklärtes Ziel die Vernichtung des Staates Israels ist, in einem Atemzug genannt werden mit demokratisch gewählten Vertretern eben dieses Staates, ist nicht nachvollziehbar", schrieb Nehammer auf der Plattform X. Österreich gehört zu den Ländern, die das Selbstverteidigungsrecht Israels im Gaza-Krieg besonders betonen.

Der israelische Präsident Itzchak Herzog hat den Antrag auf Haftbefehl gegen Regierungschef Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) als "mehr als empörend" zurückgewiesen. Jeder Versuch, Parallelen zwischen den Terroristen der Hamas und der demokratisch gewählten Regierung Israels zu ziehen, könne nicht akzeptiert werden.

"Wir werden nicht vergessen, wer diesen Krieg begonnen hat und wer unschuldige Bürger und Familien vergewaltigt, abgeschlachtet, verbrannt, misshandelt und entführt hat", sagte Herzog mit Blick auf den Gaza-Krieg. "Wir erwarten von allen Führern der freien Welt, dass sie diesen Schritt verurteilen und ihn entschieden ablehnen."

Im Gazastreifen sind nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seit Beginn der israelischen Militäroffensive gegen die Hamas Anfang Oktober mindestens 35.562 Menschen getötet worden. Allein in den vergangenen 24 Stunden habe es 106 Tote gegeben. Die Zahl der verletzten Palästinenserinnen und Palästinenser sei um 176 auf mindestens 79.652 gestiegen, teilt die Behörde mit.

Die Zahlen dürften weitaus höher sein, da viele Menschen vermisst werden und zahlreiche Tote unter den Trümmern zerstörter Gebäude verschüttet sind. Unabhängig überprüfen lassen sie sich nicht.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Syrien sind Aktivisten zufolge sechs Menschen getötet worden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass der Angriff eine Zentrale der pro-iranischen Hisbollah nahe der Grenze zum Libanon getroffen habe. Bei den Opfern soll es sich um Mitglieder der libanesischen Schiitenmiliz gehandelt haben. Es soll weitere Opfer gegeben haben.

Das israelische Militär wollte die Angelegenheit auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa nicht kommentieren. Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien. Israel will damit verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten.

Der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag hat nach eigenen Angaben Haftbefehle für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, dessen Verteidigungsminister Yoav Gallant und mehrere Führer der militant-islamistischen Hamas beantragt. Karim Khan sagte, er glaube, dass Netanyahu, Gallant und drei Hamas-Führer Jahia al-Sinwar, Ismael Haniyeh und Mohammed Deif für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen und in Israel verantwortlich seien.

20.05.2024 • 12:03 Uhr

Israel: "Wir waren es nicht"

Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Raisi erwartet Israel Medienberichten zufolge keine echten Auswirkungen auf den jüdischen Staat. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zudem, dass Israel nichts mit dem Vorfall zu tun habe: "It wasn't us" ("Wir waren es nicht"). Eine offizielle Reaktion aus Israel gibt es bislang nicht.

Papst Franziskus hat sich erneut zum Nahost-Krieg geäußert und einen zunehmenden Antisemitismus verurteilt. Man könne alles kritisieren, auch die Regierungen Israels und Palästinas, aber man dürfe dabei nicht rassistisch werden, sagte der Papst in einem am Sonntagabend (Ortszeit) ausgestrahlten Interview des US-Senders CBS.

Israels Regierung hält an einer Ausweitung des Militäreinsatzes in der Grenzstadt Rafah im südlichen Gazastreifen trotz der Appelle der USA und anderer westlicher Verbündeter fest. Dies erklärt Verteidigungsminister Joaw Gallant bei einem Besuch des nationalen Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan.

"Wir sind entschlossen, den Bodeneinsatz in Rafah auszuweiten, um die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien", heißt es in einer Erklärung von Gallants Büro. Die US-Regierung Israel hatte wiederholt gewarnt, dass sie eine Offensive auf Rafah ohne ein glaubwürdiges Konzept zum Schutz der Hunderttausenden Zivilisten in der Stadt nicht unterstützen werde.

Bereits zu Beginn einer Protestaktion gegen die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu ist es zu Festnahmen gekommen. Die Polizei teilte mit, zwölf Aktivisten seien festgenommen worden, weil sie versucht hätten, die zentrale Schnellstraße zwischen Tel Aviv und Jerusalem zu blockieren. 

Im Norden Israels brach am Morgen eine Fahrzeugkolonne in Richtung Jerusalem auf. Für den Nachmittag ist dort eine Protestaktion vor dem Parlamentsgebäude geplant - zum Beginn der neuen Sitzungsperiode der Knesset. Die Protestbewegung fordert Netanyahus Rücktritt und Neuwahlen. Sie macht den auch intern massiv unter Druck stehenden Regierungschef für das Schicksal der mehr als hundert Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas verantwortlich. Sie fordert einen raschen Deal zur Freilassung der am 7. Oktober von den Terroristen entführten Menschen. 

Die radikal-islamische Palästinenser-Organisation Hamas hat den bei einem Hubschrauberabsturz gestorbenen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi als wichtigen "Unterstützer des Widerstands" gegen Israel gewürdigt. Raisi habe dem palästinensischen Volk wertvolle Hilfe geleistet und unermüdlich Solidarität im Gaza-Krieg gegen Israel bekundet, teilte die Hamas mit. Er habe zudem zu den Anführern gehört, die auch bedeutende politische und diplomatische Anstrengungen unternommen hätten, um die israelische Aggression gegen das palästinensische Volk zu stoppen.

Der Iran gilt als Erzfeind Israels und als einer der wichtigsten Unterstützer der Hamas, die mit ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte.

Der Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, hat von Israel eine politische Strategie gefordert, die eine dauerhafte Niederlage der radikal-islamischen Hamas, die Freilassung aller Geiseln und eine bessere Zukunft für den Gazastreifen gewährleistet. Das teilte die US-Regierung nach Gesprächen von Sullivan mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu mit. Es sei unter anderem um Möglichkeiten gegangen, die sich für Israel sowie das palästinensische Volk ergeben könnten.

Hunderte Menschen haben bei der Beisetzung Abschied von der ermordeten Deutsch-Israelin Shani Louk genommen. Die israelische Regierung will den Militäreinsatz in Rafah laut einem Medienbericht ausweiten. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Mai 2024 um 08:20 Uhr.