Verkaufsstart fürs "Deutschlandticket" Nahverkehr wird billiger - und besser?
Bus- und Bahnfahrer können mit dem neuen 49-Euro-Ticket Geld sparen. Ob auch die Umweltziele hinter der Einführung erreicht werden, ist unsicher. Denn für viele zählt nicht nur billig, sondern auch gut.
Der öffentliche Personennahverkehr wird einfacher, das steht fest. Und für die meisten wird er auch billiger. Nur beim "Besser", da hapert es noch. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Deutschlandticket erstmal nur für steigende Nachfrage gesorgt. Sollte er jetzt nicht anfangen, auch dafür zu sorgen, dass die Anbieter ihre Streckentaktung verbessern, dem neuen Kundenaufkommen angepasst Busse und Bahnen einsetzen und die Anbindung des ländlichen Raumes vorantreiben, könnte die von vielen Verkehrsexperten ausgerufene "Revolution im ÖPNV" ganz schnell wieder abgewürgt werden.
Finanzierung auf tönernen Füßen
"Damit die Mobilitätswende nicht an Schwung verliert, brauchen wir auch ein angemessenes Angebot", sagt Katrin Eder, die rheinland-pfälzische Mobilitätsministerin, und weiter: "Wie dies finanziert werden kann, muss zwischen Bund und Ländern weiter ausverhandelt werden."
Bund und Länder gleichen die Verluste, die den Verkehrsbetrieben durch das günstige Ticket in dieser Zeit entstehen, jährlich mit je 1,5 Milliarden Euro aus. "Bund und Länder werden für den Mindereinnahmenausgleich dauerhaft Geld zuschießen müssen", sagt Eike Arnold, Pressesprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
"Neue Unbeschwertheit" beim Bahnfahren
Zum Verkaufsstart ist die Stimmung sehr positiv. Alle Beteiligten sehen große Chancen, tatsächlich mehr Menschen in den ÖPNV zu bekommen. Der Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim spricht von einer "neuen Unbeschwertheit", die man vom Vorläufer, dem 9-Euro-Ticket aus dem vergangenen Sommer, kenne: "Alle Sorgen um Tarifzonen, -ringe, -waben und das Überschreiten von Grenzen und Übergangsbereichen der Tarife wären dann dauerhaft hinfällig. Es gibt also gute Gründe, die Revolution zu Ende zu führen."
Dafür müsse der Nahverkehr insgesamt gestärkt werden, so Monheim. "Ideal wäre gewesen, man hätte zuerst das Angebot ausgebaut und dann die Nachfrage gesteigert. Dafür kam die Entscheidung zu schnell. Jetzt aber ist mehr Zeit, den Ausbau systematisch und überall voranzutreiben."
Sollte der Plan aufgehen, mit dem Deutschlandticket viele Menschen vom Individual- in den Öffentlichen Nahverkehr zu ziehen, reichen die derzeitigen Kapazitäten nicht aus. Es bedarf eines größeren, modernen Fuhrparks, neuer Haltepunkte und der Aktivierung neuer oder stillgelegter Strecken. Wer sich auf den Umstieg einlässt, aber allmorgendlich nach Vorbild Sardinenbüchse zur Arbeit gekarrt wird, sitzt schneller wieder im Auto, als die Einführung des Deutschlandtickets gedauert hat.
Bei 49 Euro wird es wohl nicht bleiben
In diese Richtung argumentiert auch der Deutsche Städtetag. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy betont: "Das Deutschlandticket allein macht den ÖPNV nicht besser. Damit daraus ein langfristiger Trend wird und der ÖPNV sich entsprechend aufstellen kann, brauchen Städte und Verkehrsunternehmen Klarheit."
Die Finanzierung eines modernen, klimafreundlichen und an die Bedürfnisse angepassten ÖPNV mit kurzen Taktzeiten und attraktiven Netzen sei noch nicht geklärt. "Es darf nicht dazu kommen, dass vor Ort Linien und Angebote ausgedünnt und umweltfreundliche Busse und Bahnen nicht angeschafft werden, weil Mehrkosten für das Deutschlandticket bei den Städten und Verkehrsunternehmen hängenbleiben."
Auch beim Verband Deutscher Verkehrsbände hätte man es gerne gesehen, wenn zuerst Möglichkeiten geschaffen worden wären, die Attraktivität zu steigern, bevor man die Fahrgastzahlen steigert. Allein die vor dem Start notwendige Einführung von Ticket-Apps oder Chipkarten bei den Verkehrsbetrieben bezeichnet Verbandssprecher Arnold als Kraftakt. Nach diesem ersten "Riesenschritt" werde man nach dem Ablauf der ersten staatlich garantierten Phase sehen, wo Anpassungen nötig seien. Auch sei der Preis von 49 Euro nicht in Stein gemeißelt und könne sich nach Ablauf der "Einführungsphase" von zwei Jahren ändern.
Wie werden die Einnahmen aufgeteilt?
Da das Ticket-Abo, egal wo es gekauft wird, deutschlandweit gültig ist und viele es beispielsweise in der App der Deutschen Bahn bestellen werden, wird es vorkommen, dass der befördernde Verkehrsbetrieb, der die Leistung erbringt, nicht automatisch auch den Fahrpreis auf sein Konto bekommt. Auch hier sorgen Bund und Länder für einen Ausgleich, die sogenannte "Einnahmeaufteilung".
Die Mainzer Verkehrsgesellschaft hat 12.000 Bestandskunden angeschrieben und auf das neue Ticket hingewiesen. "Bisher haben sich rund 3500 Abonnenten zurückgemeldet und sich aktiv für einen Wechsel zum Deutschlandticket entschieden. Wir erhalten täglich weitere Wechselanträge", so ein Unternehmenssprecher. Der Anbieter kalkuliert mit 5000 bis 8000 zusätzlichen Abos. Die werden aber nicht gänzlich aus Neukunden resultieren, sondern aus Fahrgästen, die vorher Wochen-, Tages- oder Einzelkarten gekauft hätten. "Wie genau die Einnahmeaufteilung zwischen den Anbietern funktionieren wird, ist noch nicht klar, wahrscheinlich erfolgt die Aufteilung nach Postleitzahlen, also nach dem Wohnort des Kunden."
Dass das Deutschlandticket für 49 Euro deutlich mehr Menschen dazu bringen wird, auf Busse und Bahnen umzusteigen, daran hat der Chef des Städtetags Dedy keinen Zweifel. "Das wird für weniger Verkehr, weniger Lärm und bessere Luft in unseren Städten sorgen und ist gut fürs Klima."