Kohlendioxid-Grenzwerte Berlin verzögert schärfere Abgasnormen
Emsig hat die Bundesregierung in den letzten Wochen daran gearbeitet, die Einführung schärferer Abgasnormen zu verzögern, die von der EU längst vereinbart wurden. Nun hat sie es erneut geschafft: Die Entscheidung wurde wieder vertagt.
Soll Europa lieber das Klima schützen oder die Autoindustrie? Auf diese Frage ließe sich die Diskussion um die Abgas-Grenzwerte für Neuwagen zuspitzen. Bundesumweltminister Peter Altmaier jedenfalls meint, dass man beides gleichzeitig kann: "Ich bin fest davon überzeugt, dass es den Schweiß der Edlen wert ist, die Interessen des Umwelt- und des Klimaschutzes in einer verträglichen Weise mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen unter einen Hut zu bringen", findet er.
Und so hatte die Bundesregierung in den letzten Wochen emsig daran gearbeitet, an einer auf EU-Ebene längst erzielten Vereinbarung herumzudoktern. Dabei geht es um die Frage: Wie viel klimaschädigendes CO2 darf ein Neuwagen ab dem Jahr 2020 absondern? Die Deutschen fanden den erzielten Kompromiss zu scharf. Zu schnell. Zu unverdaulich für die Autoindustrie.
"Schlag ins Gesicht der europäischen Umweltpolitik"
Dagegen rechnete Dänemarks Klima- und Energieminister Martin Lidegaard vor, was die deutsche Verschiebung der Ziele bedeutet: "Das führt auch zu einem höheren Benzinverbrauch von 80 Milliarden Litern. Die Kunden zahlen eine höhere Benzinrechnung von 120 Milliarden Euro. Ich glaube nicht, dass die Menschen das wollen."
Als "Schlag ins Gesicht der europäischen Umweltpolitik" bezeichnen gar die Naturschützer vom BUND das Werben der Deutschen um eine Entschärfung der Vorgaben. Das zertrümmere Deutschlands Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz. Altmaier musste sich in Luxemburg fragen lassen, ob er sich zum Auto-Minister gewandelt habe: "Ich bin der Umweltminister. Und ich setze mich dafür ein, dass wir eine gute europäische Lösung für mehr Umweltschutz bekommen. Unter der die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht leidet."
Kein Geheimnis ist, dass die Deutschen - Daimler, BMW und Audi - beim Bau von Luxus-Karossen führend sind. Und sich daher schwerer damit tun, den Abgasausstoß im Zaum zu halten. In der Debatte aber sprang unter anderem Großbritannien Deutschland bei. Man könne Umwelt-Politik nicht gegen, sondern nur mit der Industrie betreiben. Aber nicht nur die Briten halfen. Am Ende hatten die Deutschen ihr Ziel erreicht. Über den bisherigen, schärferen Kompromiss wurde nicht abgestimmt.
Zu den Verlierern gehört die Umwelt
"Es gibt das Risiko, dass sich alles auflöst und wir am Ende gar nichts bekommen", äußerte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard ihre Bedenken.
Der Bundes-Umweltminister sieht diese Gefahr nicht. Noch in diesem Jahr sei eine Entscheidung denkbar. Und die Koalitionsgespräche zu Hause in Berlin mit den Grünen sieht Altmaier deshalb auch nicht beeinträchtigt: "Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns einem ehrgeizigen Klimaschutz auch in der Autoindustrie verpflichtet fühlen. Zu Zeiten der rot-grünen Koalition war das ganz anders. Da hat Gerhard Schröder eine Richtlinien-Entscheidung gegen den damaligen Umweltminister getroffen. Damit war klar, wer Koch und wer Kellner ist."
So redet einer, der mit einem Etappen-Erfolg in der Tasche nach Berlin zurückkehrt. Zu den Verlierern hingegen, beklagen Kritiker, gehöre die Umwelt. Denn die muss weiter auf Europa warten.