Wegovy und Ozempic Abnehmspritze mit wirtschaftlichen Nebenwirkungen
Um die Abnehmspritzen des Pharmakonzerns Novo Nordisk hat es viel Wirbel gegeben. Vor allem in den USA ist die Nachfrage groß. Auf viele Bereiche der Wirtschaft kann das Auswirkungen haben.
Dem Hersteller Novo Nordisk bescheren die Abnehmspritzen mit den Markennamen Ozempic oder Wegovy riesige Gewinne - in anderen Wirtschaftszweigen dagegen gibt es Sorgen. Denn der in den Spritzen enthaltene Wirkstoff Semaglutid, der ursprünglich zur Behandlung von Diabetes-Typ-2 entwickelt wurde, hemmt den Appetit. Müssen Betreiber von Supermärkten oder Lebensmittelhersteller nun davon ausgehen, dass ihre Umsätze zurückgehen - weil Menschen, die das Medikament nehmen, weniger konsumieren?
Verändertes Einkaufsverhalten
Die US-Supermarktkette Walmart, die für überdimensionierte Verpackungen bekannt ist, stellt nach eigenen Angaben bereits ein verändertes Einkaufsverhalten der Kunden fest. Der Chef des US-Geschäfts, John Furner, erklärte Anfang Oktober, dass diejenigen, die Diätspritzen oder Medikamente gegen Fettleibigkeit nutzten, auch weniger Lebensmittel kauften.
Das zeige eine Auswertung der Kundendaten. Nicht nur die Walmart-Aktie fiel daraufhin. Auch die Papiere internationaler Marken wie Lindt & Sprüngli, Nestlé und Kellanova verloren an Wert. Sowohl bei den Anlegern als auch den Herstellern wächst die Sorge vor Umsatzrückgängen.
Investmentbank prognostiziert Umsatzrückgang
Das liegt auch an Schätzungen der Investmentbank Barclays, die wegen der Adipositas-Medikamente und Abnehmspritzen bei Lebensmittelunternehmen Umsatzrückgänge von mehr als einem Prozent prognostizieren. Hersteller alkoholischer Getränke könnten demnach sogar Umsatzeinbußen von bis zu drei Prozent erleiden. Schätzungen zufolge reduzieren Menschen, die diese Medikamente einnehmen, ihre tägliche Kalorienzufuhr um 20 bis 30 Prozent.
Deutsche Süßwarenhersteller sind davon bislang nicht betroffen. So gibt Bahlsen auf Nachfrage von tagesschau.de an, bislang keine Umsatzrückgänge wegen der Abnehmspritzen festzustellen. Die Entwicklung beobachte man trotzdem sehr genau. Auch Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei Acatis Investment, schätzt die Auswirkungen auf den deutschen Lebensmittelmarkt im Moment als eher gering ein.
Neun Millionen Rezepte ausgestellt
Anders als in den USA, wo bereits im letzten Quartal 2022 mehr als neun Millionen Rezepte für die Spritzen ausgestellt wurden, halte sich der "Hype" in Deutschland bislang in Grenzen, erklärt Riße. Das habe auch damit zu tun, dass die Spritzen verschreibungspflichtig und nur für Erwachsene und Jugendliche mit krankhaftem Übergewicht oder bei Gesundheitsproblemen wie Typ 2-Diabetes oder Bluthochdruck zugelassen sind.
Auch der hohe Preis schrecke viele Interessenten ab. Bislang gehören Ozempic und Wegovy als Abnehmspritzen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. Kassenpatienten, deren Arzt ein Privatrezept für die Spritze ausstellt, müssen die Kosten also selbst tragen. Private Krankenversicherungen übernehmen sie unter bestimmten Umständen.
Experten rechnen mit einer weltweit wachsenden Nachfrage. Allein in den USA könnte sich die Zahl der Menschen, die diese Spritzen nutzen, laut Schätzungen von Morgan Stanley bis 2035 fast verfünffachen und auf 24 Millionen US-Bürger ansteigen.
"Abnehmspritzen könnten Massenprodukt werden"
Das könnte vor allem den traditionellen Diätmarkt mit seinen Diät-Coachings oder Abnehm-Apps aufmischen. "Für Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf übergewichtige Patienten ausgelegt ist, ist die Abnehmspritze durchaus Konkurrenz", so Riße.
Eine Bedrohung könnte das Diabetes-Medikament Semaglutid auch für den Dialyse-Anbieter Fresenius Medial Care sein. Denn eine neue Studie von Novo Nordisk zeigt, dass Semaglutid auch bei Nierenkranken eingesetzt werden kann. Möglicherweise sind dann weniger Dialysebehandlungen nötig.
"Spätestens wenn sich Krankenkassen dazu entscheiden sollten, die Produkte zu übernehmen, haben Wegovy oder Ozempic das Potenzial, zum Massenprodukt zu werden", sagt Riße. Von mehreren großen Krankenkassen, die nicht zitiert werden wollen, heißt es auf Anfrage von tagesschau.de, man beobachte die medizinische Studienlage der Spritzen genau.
Textilindustrie und Airlines könnten profitieren
Andere Wirtschaftsbereiche könnten von der Abnehmspritze profitieren. So prognostiziert die Bank of America zusätzliches Geschäft für die Textilindustrie. Teile der Bevölkerung könnten sich mit neuen Kleidungsgrößen eindecken.
Auch für Fluggesellschaften könnten die Abnehmspritzen Auswirkungen haben. Laut der Beratungsgesellschaft Jeffries könnten die Airlines Millionen einsparen, wenn das Durchschnittsgewicht ihrer Passagiere um viereinhalb Kilogramm sinken würde.