Probleme mit der Lehrstelle Nachhilfe für Azubis
Etwa jeder vierte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig aufgelöst. Nachhilfeprogramme sollen jungen Menschen helfen, ihre Ausbildung zu schaffen. Oft stehen Senioren den Azubis zur Seite.
Franz Caron hat viele Jahre als Personalleiter gearbeitet. Jetzt, im Ruhestand, will er seinen Beitrag gegen den Fachkräftemangel in Deutschland leisten. Er koordiniert die Initiative VerAplus in der Region Mittlerer Niederrhein in Nordrhein-Westfalen, ein Mentorenprogramm, das Senioren und junge Auszubildende zusammenbringt. Es sind Auszubildende, die Probleme mit den Prüfungsanforderungen haben oder mit Pünktlichkeit und die ihre Ausbildung ohne Unterstützung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schaffen würden.
Hohe Abbrecherquoten
Etwa 30 Prozent der Pflege-Auszubildenden in der Region brechen aktuell ab, so Caron. Der Ex-Personaler sieht dafür vor allem zwei Gründe: "Viele Auszubildende haben Probleme mit der Sprache, weil sie zum Beispiel erst seit Kurzem in Deutschland leben. Die Lehrpläne und Prüfungsaufgaben sind aber in einem Deutsch formuliert, mit dem sogar Muttersprachler zum Teil Probleme haben." Das zweite große Problem sei die Selbstorganisation. Die VerAplus-Ehrenamtlichen versuchen dort anzusetzen, wo es akut hapert, seien es schulische Defizite oder private Sorgen.
Allein in der Region Mittlerer Niederrhein gibt es derzeit 25 Senioren-Azubi-Tandems. Deutschlandweit sind es aktuell 2.151. Sie treffen sich meist abends - einmal, wenn Bedarf ist auch mehrfach pro Woche. Oft begleiten die Ehrenamtlichen die jungen Männer und Frauen bis zum Abschluss.
Zunehmende Lernrückstände
Laut dem Berufsbildungsbericht 2023, der sich auf Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bezieht, wird in Deutschland etwa jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst. "Unsere Ausbildungsumfragen haben bereits vor der Corona-Pandemie zunehmende Lernrückstände bei Schulabgängern festgestellt. Leider bestätigen die jüngsten PISA-Ergebnisse diese Erfahrungen vieler Unternehmen", sagt Markus Kiss, Ausbildungsexperte bei der Deutschen Industrie und Handelskammer (IHK).
Insbesondere der Leistungseinbruch in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen sei aus Sicht der Betriebe besorgniserregend. Auch bei wichtigen sozialen Kompetenzen wie Lern- und Leistungsbereitschaft oder Teamfähigkeit hapere es immer mehr, beobachtet Kiss.
Viele Betriebe bieten Programme an
Um ihre Azubis zu unterstützen, haben laut Markus Kiss inzwischen 35 Prozent der IHK-Ausbildungsbetriebe eigene Nachhilfe-Programme. Dazu gehört auch der Stahlhersteller Thyssenkrupp in Duisburg. Veit Echterhoff, der für den Bereich Ausbildung zuständig ist, setzt auf betriebsinternes Mentoring. Jeder Ausbilder im Unternehmen versuche auf die individuellen Fragen der Azubis einzugehen und dort zu unterstützen, wo Nachholbedarf besteht.
"Wenn wir merken, dass wesentlich mehr Nachholbedarf als bei anderen besteht, empfehlen wir unseren Azubis Nachhilfeprogramme, die von der Agentur für Arbeit gefördert werden. Allerdings braucht es auch die Selbstreflexion, sich einzugestehen, dass man das braucht", sagt Echterhoff. Von den 600 Auszubildenden am Standort Duisburg nähmen nur drei eine solche Nachhilfe derzeit in Anspruch. "Die meisten unserer Auszubildenden wenden sich am liebsten an ihre Ausbilder als Bezugsperson. Sie wissen, dass sie mit ihnen ihre Schwächen vertraulich besprechen können."
Nachhilfe erhöht Erfolgschancen
Beim kostenlosen Programm VerAplus sind sie stolz auf die Erfolge ihrer Azubis. 75 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben ihre Ausbildung bislang erfolgreich abgeschlossen, sagt Caron.
"Wir haben zum Beispiel vier junge Frauen aus Indien betreut, die in der Region Mittlerer Niederrhein eine Pflegeausbildung gemacht haben", so Caron. "Da war die Gefahr groß, dass sie die Zwischenprüfung nicht bestehen, wegen fehlender Sprachkenntnisse." Die Ehrenamtlichen hätten mit ihnen intensiv trainiert - mit dem Ergebnis, dass alle vier Frauen bestanden haben.