Schild mit der Aufschrift Betriebsrat steht unter einer Wanduhr

Schätzung von Gewerkschaften Wird jede fünfte Betriebsratsgründung behindert?

Stand: 12.09.2024 16:30 Uhr

Betriebsräte und deren Wahl sind vom Gesetz umfassend geschützt - dennoch kritisieren Gewerkschafter, dass Arbeitgeber immer wieder versuchten, Neugründungen zu verhindern.

Von Alina Leimbach, HR

Eigentlich können Beschäftigte in Deutschland in allen Betrieben mit mehr als fünf Angestellten einen Betriebsrat gründen. Das regelt das Betriebsverfassungsgesetz.

Das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) schätzt aber, dass zuletzt etwa jede fünfte solche Betriebsratsgründung durch Unternehmen behindert worden sein könnte. Besonders oft sei dies bei mittelständischen Unternehmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern unter Führung des Inhabers der Fall.

Dutzende Gewerkschafter befragt

Das WSI betont, dass diese Ergebnisse nicht repräsentativ sind. Die Untersuchung biete aber eine Annäherung an das ansonsten schwer zu messende Phänomen.

Die WSI-Forscher haben in 131 örtlichen Gliederungen Fachleute der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), der IG Metall und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) befragt. Es ging um ihre Erfahrungen mit der Durchführung von Betriebsratswahlen.

Störung von Betriebsratswahlen ist strafbar

Gestört werden können die Wahlen etwa durch Kündigungen von Kandidaten, mithilfe von Anwaltskanzleien oder indem arbeitgebernahe Kandidaten unterstützt werden. Versuchen Unternehmen eine Betriebsratswahl oder die Arbeit des Gremiums zu stören oder gar zu verhindern, wird das auch als "Union Busting" bezeichnet. Solche Versuche sind strafbar.

Wenn ein Betriebsrat schon besteht, gebe es selten Behinderungen bei den Wahlen durch die Arbeitgeberseite, heißt es in der Auswertung. Bei mehr als 8.000 Betriebsratswahlen im untersuchten Zeitraum wurden in gerade einmal 1,7 Prozent der Fälle Störungen an die Gewerkschaften gemeldet, so der Report.

Wenig Behinderung bei bestehenden Betriebsräten

Anders bei Neugründungen, wo die Gewerkschafter in immerhin 21,2 Prozent der Fälle von Störungen wissen. Gerade bei Neugründungen habe das deutliche Konsequenzen, schreiben die Autoren Martin Behrens und Heiner Dribbusch. Denn in fast der Hälfte dieser Fälle (45 Prozent) sei es danach gar nicht mehr zur Betriebsratswahl gekommen.

"Ist ein Betriebsrat erst einmal etabliert, arrangieren sich die meisten Unternehmen bald mit dessen Existenz und sehen eher selten Gründe, seine Arbeit prinzipiell infrage zu stellen", schreiben die Forscher. Das gesetzlich verbriefte Recht, einen Betriebsrat wählen zu dürfen, müsse oft gegen starke Widerstände erstritten werden.

Arbeitgeber: Nur sehr wenige Verfahren

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) verwies auf tagesschau.de-Anfrage darauf, dass bei den Staatsanwaltschaften nur wenige Verfahren zur Behinderung von Betriebsratsarbeit aufliefen.

"Die Behauptung erinnert eher an das Ungeheuer Loch Ness: Viele wollen es gesehen haben, nur entdeckt hat es bisher niemand", heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitgeber. Die Zahl der Verfahren, in denen es zu einer Anklage komme, liege im einstelligen Bereich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Juni 2024 um 09:19 Uhr.