Zahlreiche Autos im Berufsverkehr bei Schnee in Bayern
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Verkehr in Deutschland Wie das Pendeln klimafreundlicher werden könnte

Stand: 05.12.2023 16:27 Uhr

Im Berufsverkehr sitzt in den meisten Autos nur ein Mensch. Wissenschaftler und Start-ups arbeiten an Lösungen, die CO2-Emissionen senken sollen und verkehrsfreundlicher sind.

Pro Auto ein Fahrer: So sieht das meistens aus im deutschen Berufsverkehr. Statistisch werden pro Auto auf dem Weg zur Arbeit gerade mal 1,1 Menschen bewegt. Eine klima- und verkehrspolitisch betrachtet schlechte Quote.

Das weiß auch Adrian Sutu, der als Gabelstaplerfahrer im Chempark in Leverkusen arbeitet. Für ihn ist der Pkw die einzige praktikable Option ist, auch wenn er fast täglich im Stau steht. "Ich muss meine Kinder nach der Arbeit von der Kita abholen. Mit dem Bus wäre ich zwei, drei Stunden unterwegs, eine Bahnanbindung gibt es an meinem Wohnort nicht", sagt er. "Das Auto ist das einzige Fortbewegungsmittel, das für mich funktioniert."

Eine App für Fahrgemeinschaften

Das Auto ist in Deutschland das beliebteste Mittel, um vom Wohnort zur Arbeitsstelle zu kommen. 2020 fuhren 86 Prozent der Erwerbstätigen so zur Arbeit. Viel wäre gewonnen, wenn zumindest zwei oder drei Menschen zusammenfahren würden, glauben sie in Bonn. Seit einem Jahr bieten die Stadtwerke Bonn eine App für Fahrgemeinschaften an, als Ergänzung zum Nahverkehr.

Fahrer bekommen Geld dafür, dass sie jemanden mitnehmen: zehn Cent pro gefahrenen Kilometer. Für die Mitfahrer ist es, wenn sie zum Beispiel ein Deutschlandticket haben, kostenlos. Das Ganze ist ein Testlauf, an dem sich auch mehrere Arbeitgeber beteiligen, etwa das Forschungszentrum Jülich oder die Uniklinik Bonn. Mitarbeitende, die die App nutzen, um damit zur Arbeit zu kommen, zahlen nichts für die Fahrten - das übernehmen die Arbeitgeber.

Zeitersparnis und Zuverdienst

Auf den Zufahrtsstraßen zur Bonner Uniklinik staut es sich schon mal, die Mitarbeiter-Parkplätze sind begrenzt, erklärt Michael Schmitz, Abteilungsleiter Infrastrukturservice der Klinik. Die Fahrgemeinschaft-App sei ein Versuch, den Verkehr zu entschlacken und CO2-Emissionen einzusparen. "360 Mitarbeiter nutzen das bereits bei uns, in einem Jahr Testlauf hatten wir 2243 Fahrten und haben so 46.000 Kilometer Fahrstrecke eingespart", sagt Schmitz.

GoFlux heißt die App, entwickelt vom gleichnamigen Start-up aus Köln. Geschäftsführer Wolfram Uerlich ist überzeugt, dass in Fahrgemeinschaften ein großes Potenzial steckt. "Für die Mitfahrer, die unsere App nutzen, ist der größte Vorteil, dass sie Zeit sparen, um zur Arbeit zu kommen. Für die Fahrer, dass sie Geld dazuverdienen, im Schnitt 100 bis 150 Euro im Monat. Viele, die einmal damit angefangen haben, bleiben dabei, weil sie einen Vorteil für sich erkennen." 

In Frankreich werden Fahrgemeinschaften inzwischen staatlich gefördert. So etwas wünscht sich Uerlich auch für Deutschland. 

Wo siedeln sich Firmen an?

Am Wuppertal Institut macht sich Verkehrsforscher Thorsten Koska Gedanken darüber, wie Pendeln in Deutschland besser funktionieren könnte. Dabei hat er auch die Verkehrswende im Blick. "Ein schneller Ausbau des Schienennetzes ist jetzt notwendig, damit wir es schaffen, den Verkehr vom Auto auf den Öffentlichen Nahverkehr zu verlagern. Bahnstrecken müssen reaktiviert, auf dem Land mehr Busse eingesetzt werden, in einer besseren Taktung." Wer mit dem E-Bike zur Bahnhaltestelle fährt, brauche gute Fahrradwege und sichere Abstellmöglichkeiten.

Laut Koska bräuchte es außerdem staatliche Anreize für Firmen, sich nicht auf der "grünen Wiese" anzusiedeln, sondern dort, wo die Anfahrt für die Mitarbeitenden auch ohne Auto funktioniert. Gleiches gelte für Wohngebiete. Die sollten dort entstehen, wo es einen guten Anschluss an den Nahverkehr gibt. "Man kann Menschen aber auch mit finanziellen Anreizen überzeugen, umzusteigen. Zum Beispiel mit einer geänderten Pendlerpauschale, die nachhaltige Verkehrsmittel bevorzugt", sagt Koska. 

Umfragen zeigen, dass viele Autofahren in Deutschland grundsätzlich bereit wären, andere Verkehrsmittel zu nutzen - wenn zum Beispiel die Bahn zuverlässiger wäre. Auch Gabelstaplerfahrer Sutu aus Leverkusen könnte sich vorstellen, das Auto irgendwann stehen zu lassen und zum Beispiel aufs E-Bike umzusteigen. Sein Arbeitgeber bietet dafür Test-Pedelecs an. Wenn seine Kinder größer seien und er sie nicht mehr von der Kita abholen müsse, sagt Sutu, wolle er das ausprobieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 21. Juli 2023 um 12:10 Uhr.