SAP wagt Vorstoß Bezahlte Freistellung für Väter nach Geburt
SAP stellt Väter nach der Geburt eines Kindes sechs Wochen bezahlt frei, damit sie sich um die Neugeborenen kümmern können. Das soll die Vereinbarkeit von Familie und Karriere stärken. Auch andere Konzerne zeigen sich offen.
Der Softwarekonzern SAP hat angekündigt, ab dem kommenden Jahr in Deutschland Väter oder andere Partner oder Partnerinnen ab der Geburt ihres Kindes sechs Wochen bezahlt freizustellen. "Wir wollen damit zeigen, dass Familienvereinbarkeit und Karrieremachen keine Widersprüche sind", sagte der Personalchef von SAP in Deutschland, Cawa Younosi.
Die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP hatte in im Koalitionsvertrag vereinbart, eine zweiwöchige bezahlte Auszeit für Partner oder Partnerinnen nach der Geburt eines Kindes einzuführen. Für diese Vorhaben werden verschiedene Begriffe verwendet, darunter "Vaterschaftsurlaub" und "Väterzeit", da sie in der Regel Vätern zugutekommt.
700 und 800 Väter könnten profitieren
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hatte am Dienstag auf eine "Familienstartzeit" verwiesen. Dieser Ansatz sieht vor, dass dem Partner oder der Partnerin Zeit eingeräumt wird, sich um die Mutter zu kümmern und sie während ihrer Genesung zu unterstützen. Der Gesetzentwurf befinde sich derzeit in der Beratung innerhalb der Bundesregierung, so die Grünenpolitikerin.
Bereits im November des vergangenen Jahres hatte Ministerin Paus in einem Interview die Einführung für das Jahr 2024 in Aussicht gestellt, jedoch wollte sich das Ministerium auf Anfrage nicht zu einem konkreten Zeitpunkt offiziell äußern.
Der DAX-Konzern SAP geht davon aus, dass in Deutschland jährlich zwischen 700 und 800 Väter von dieser Maßnahme Gebrauch machen könnten, sofern mehr als 90 Prozent der Berechtigten das Angebot in Anspruch nehmen. Mit dieser groß angelegten Initiative werden voraussichtlich Kosten in Millionenhöhe pro Jahr entstehen.
SAP als Vorreiter
Dass SAP mit dem Programm ein Vorreiter zu sein scheint, zeigen Anfragen bei mehreren DAX-Unternehmen. Die meisten heben in ihren Antworten bestehende Angebote hervor und betonen, sich an neue Gesetze halten zu wollen. Keines der angefragten Unternehmen ging jedoch so weit wie SAP. Vereinzelt gab es auch Kritik an dem Vorhaben der Ampelkoalition.
So begrüßte Siemens zwar den Ansatz einer Väterzeit zur Förderung der Gleichverteilung der familiären Betreuungsarbeit zwischen den Geschlechtern. "Aus Siemens-Sicht sollte jedoch - wie beim Elterngeld - die Freistellung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht den Arbeitgebern aufgebürdet werden", teilte der Münchener Konzern mit
"Eine zusätzliche Väterzeit halten wir vor dem Hintergrund unserer bereits bestehenden Angebote und der damit möglichen Flexibilität nicht für notwendig", teilte der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental mit.
Reaktionen von DAX-Unternehmen
"Das bestehende Elternzeitmodell ist ein Erfolg", teilte Thomas Ogilvie, Personalvorstand der DHL Group, mit. Die bisherigen Möglichkeiten seien gut etabliert und würden von Vätern wie Müttern gerne in Anspruch genommen. Das Unternehmen sehe keine Notwendigkeit für Änderungen und gewähre derzeit lediglich einen Tag Sonderurlaub für die Geburt und die Elternzeit, aber keine weiteren Freistellungen.
Der Sportwagenbauer Porsche begrüßte die Pläne der Bundesregierung. "Eine bezahlte Freistellung zu Beginn der Vaterschaft trägt zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei", teilte eine Sprecherin mit. Zugleich bedauere Porsche, dass das Bundeskabinett die Einkommensgrenze pro Familie für den Anspruch auf Elterngeld halbiert habe.
Beiersdorf und die Deutsche Telekom unterstützten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beim Pharma- und Technologiekonzern Merck stehe man dem Thema ergebnisoffen gegenüber. Da das Unternehmen mit seinem Angebot bereits sehr gut aufgestellt sei, plane es momentan keine Erweiterungen.
Mangelnder Sonderurlaub für Väter
In zahlreichen Unternehmen in Deutschland gibt es einer aktuellen Umfrage zufolge keinen Sonderurlaub für Väter nach der Geburt eines Kindes. Das sei in 44 Prozent der befragten Unternehmen der Fall, geht aus einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Familienministeriums hervor. Demnach gewähren 26 Prozent der befragten Unternehmen einen Tag, bei weiteren 26 Prozent sind es zwei Tage.Nur vier Prozent gewähren mehr als zwei Tage.
Dass fast der Hälfte der Unternehmen der Nachwuchs ihrer Beschäftigten nicht einmal einen einzigen Tag Sonderurlaub wert ist, spreche Bände über deren Wahrnehmung in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, teilte Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, mit.
Es sei gut und richtig, dass die Familienstartzeit jetzt endlich kommen soll. "Wir setzen darauf, dass die Koalition sie schnell ins Gesetzblatt bringt." Das wäre ein wichtiges Signal, um die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf von Anfang an zu stärken.
BDA: "Bestehende Maßnahmen ausreichend"
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte das Bestreben vieler Eltern, mehr Verantwortung mit der Geburt ihrer Kinder zu übernehmen. Dafür brauche man allerdings keine neuen gesetzlichen Ansprüche.
Elternzeit und Elterngeld gäben Familien bereits seit längerem die Möglichkeit, ab der Geburt im Beruf eine Pause einzulegen. "Die Politik muss sich entscheiden, ob sie neue Freistellungsansprüche umsetzen möchte - oder ob sie den Arbeitskräftemangel lindern möchte", so die BDA. Beides zusammen gehe nicht. Eine einseitige finanzielle Belastung für Unternehmen wäre zudem inakzeptabel.