Auf der Suche nach Personal Arbeiten ja - aber nur "schwarz"?
Die Personalnot in vielen Branchen ist groß. Gleichzeitig sind über zwei Millionen Menschen als arbeitssuchend gemeldet. Betriebe berichten von vermittelten Bewerbern, die nicht aufkreuzen - oder zwielichtige Angebote machen.
Volkmar Woite aus dem brandenburgischen Michendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark leitet in hundertjähriger Familientradition eine Fleischerei. Zusätzlich betreibt er Stände auf Wochenmärkten und einen Partyservice. Doch er kann kaum noch Aufträge annehmen, wie er sagt. Seit geraumer Zeit sucht Woite zwei Leute für sein Verkaufspersonal. Fast jede Woche kontaktiert er die zuständige Arbeitsagentur. Von September bis Anfang November kündigt sie ihm 47 Arbeitssuchende an, gut Dreiviertel seien vom Fach gewesen, sagt er.
Doch obwohl Woite über Tarif zahlt, melden sich bei ihm nur zwei Frauen. Dabei erfährt er, dass die eine dauerkrank ist und die andere nicht voll einsatzfähig. Woite versucht daher, weitere Arbeitssuchende zu erreichen: "Ich habe bei mehreren Leuten, die mir auch interessant erschienen, angerufen, die zum Beispiel auch aus Potsdam sind, also nicht so weit weg. Der Arbeitsweg muss ja auch zumutbar sein. Aber die gehen überhaupt nicht ran", erzählt Woite.
Wenn sich niemand meldet
Der rbb hat seine Suche seit dem Sommer begleitet, ist bei einigen Telefonaten dabei - auch bei einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Arbeitsagentur. Woite hat dort seinem Ärger Luft gemacht und berichtet, was er erlebt hat. So hätten ihm vier Arbeitssuchende sogar gesagt, sie bekämen Bürgergeld. Und dass sie gern zu ihm arbeiten kommen würden, sogar für 40 Stunden in der Woche - aber nicht als Angestellte, sondern höchstens schwarz.
Auch Zaunbauer Uwe Maschke aus Caputh kennt das Problem, dass Menschen, die offiziell arbeitssuchend sind, nicht aufkreuzen. Er wollte eine Bürokraft einstellen. Im Interview erzählt er, dass sich niemand meldete, obwohl ihm von der Arbeitsagentur mehrere Bewerber angekündigt worden waren. "Man kann Leute nur aktivieren, indem man ihnen sagt: 'Wenn du nicht arbeiten gehst, kriegst du auch kein Geld oder weniger'", vertritt er seine Ansicht. "Ich denke, dass das Bürgergeld zum Verhältnis bei einer Vollbeschäftigung zu hoch ist."
"Ohne Gespräch keine Integrationsstrategie"
Elena Zavlaris, die Geschäftsführerin des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg in Berlin, bestätigt die Beobachtungen von Fleischer Woite und Zaunbauer Maschke: "Es gibt bestimmte Kunden, die kommen eben einfach nicht zum Termin", sagt sie. "Ich habe die erste Einladung ausgesprochen, die zweite, ich habe mich vorbereitet auf das Gespräch, und es findet nicht statt. Und ohne Gespräch können wir keine Integrationsstrategie erarbeiten."
Trotzdem sei der Ansatz gut, mit der Einführung des Bürgergeldes das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter zu stärken, sagt sie - mehr Kooperation statt drohender Zeigefinger.
Anders sieht das der Sozialstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Matthias Steuckardt (CDU). "Früher haben wir wirkliche Eingliederungsvereinbarungen mit den Menschen erarbeitet", sagt er. "Die wurden dann gemeinsam unterschrieben und hatten auch eine Rechtsverbindlichkeit. Heute nennt sich das ganze Kooperationsplan. Der wird nicht mehr unterschrieben." Viele Arbeitssuchende fühlten sich deutlich freier, Angebote abzulehnen oder gar nicht zu reagieren. Aus seiner Sicht brauche es aber mehr Verbindlichkeit.
Sanktionen sind zurückgegangen
Ähnlich sieht es der Bundesrechnungshof. Es gebe "klare Hinweise, dass Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen eine wichtige Rolle für einen erfolgreichen Integrationsprozess der Arbeitsuchenden und eine wirksame Arbeit der Jobcenter spielen."
Mit der Einführung des Bürgergeldes hatte der zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betont: "Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen." Bei Verweigerern sollte aber trotzdem hart durchgegriffen werden. "Es gibt ganz hartnäckige Fälle, bei denen braucht es Mitwirkungspflichten und dann auch Leistungsminderung", so Heil.
Doch Sanktionen bei Pflichtverletzungen, etwa dem Nichterscheinen zu einem Termin, sind seit Einführung des Bürgergeldes offenbar wesentlich geringer als zu Hartz-IV-Zeiten. Nachdem es während der Corona-Pandemie keine Sanktionen gab, stiegen die Zahlen mit Einführung des Bürgergeldes zwar wieder, doch sie liegen bislang weit unter dem Niveau im Vor-Corona-Jahr 2019. Zum Vergleich: Während im Juli 2019 laut Bundesagentur für Arbeit noch insgesamt knapp 65.000 Sanktionen ausgesprochen wurden, waren es im Juli dieses Jahres nur gut 30.000.
Hausbesuch vom Jobcenter
Auch Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg beobachtet, dass die Sanktionen aktuell geringer ausfallen als bei Hartz IV. Seiner Meindung nach ist es aber noch zu früh, um wirklich einschätzen zu können, welche Auswirkungen die Neuregelungen rund um das Bürgergeld haben. "Das ganze System ist noch dabei, sich quasi zu erfinden, auch zu lernen und da auch Schritte weiterzugehen. Es wird am Ende darauf ankommen, ob wir die Menschen fit machen für den Arbeitsmarkt", sagt Walwei.
Das Jobcenter Tempelhof-Schöneberg hat vor ein paar Wochen ein neues Projekt gestartet - laut Stadtrat aus "Verzweiflung"; die Geschäftsführerin sieht es als Chance: Zwei Mitarbeiter suchen seit Wochen "säumige Kunden" zu Hause auf. Zavlaris sagt: "Wir schreiben die Kunden vorher an und kündigen an, wann wir kommen. Manche treffen wir zu Hause an, mit denen kommen wir dann auch gut ins Gespräch. Manche treffen wir nicht an, da hinterlassen wir dann eine Nachricht und gehen dem nach." Bei einigen habe das eine erzieherische Wirkung. Schon durch die Ankündigung des Hausbesuches kämen sie von allein - 20 Prozent der Betroffenen habe man so inzwischen erreicht.