Arbeitsmarkt Teilzeit-Ausbildung kann Lücken im Betrieb schließen
Auf dem Arbeitsmarkt fehlen Auszubildende und Fachkräfte. Dabei könnten Arbeitgeber mit einer Ausbildung in Teilzeit neue Zielgruppen ansprechen und Engpässe ausgleichen. Das zeigt ein Beispiel aus Bamberg.
"Schau mal, Paul, du kannst Dir das Modul anschauen. Du machst das Kabel hier hinten durch." Paul Hüttner steht mit seinem Chef Andreas Wünsche in der Werkstatt eines kleinen Elektrofachbetriebs in Bamberg. Auf dem Tisch liegen Kabel und ein Messgerät.
Seit Oktober 2022 macht Hüttner in dem Ein-Mann-Betrieb eine Teilzeit-Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Er hat eine 32-Stunden-Woche, verteilt auf vier Tage. Meist ist er zwei Wochen im Betrieb, eine Woche in der Berufsschule und immer wieder bei einwöchigen Lehrgängen der Handwerkskammer Oberfranken.
Paul Hüttner (r.) steht mit seinem Chef Andreas Wünsche in dessen Elektro-Fachbetrieb.
Bewusst für Teilzeit-Ausbildung entschieden
Der 31-jährige Hüttner hat sich ganz bewusst für eine Ausbildung in Teilzeit entschieden. "Ich habe drei Kinder. Das macht halt Arbeit. Meine Frau arbeitet auch, weil: Irgendwo muss das Geld ja herkommen, und wir haben einfach keine Zeit, mehr zu arbeiten." Dabei haben Hüttner und seine Frau noch das Glück, dass die Großeltern bei der Kinderbetreuung unterstützen können.
Hüttners Teilzeit-Ausbildung mit der Vier-Tage-Woche kommt seinem Chef entgegen. Wünsche führt seinen Elektrofachbetrieb in Bamberg bisher allein und hat montags sowieso geschlossen. Diesen Tag nutze er, um Büroarbeit oder Kundenbesuche zu machen und an Baustellenbesprechungen teilzunehmen.
Für Wünsche ist Hüttner ein Glücksfall. Viele Arbeiten im Elektrohandwerk könne man nicht allein durchführen, da sei ein Mitarbeiter hilfreich. Und Hüttner sei bereits gut qualifiziert für diese Ausbildung, "so jemanden lässt man nicht einfach gehen oder auf der Straße stehen."
Teilzeit-Ausbildung oder -Umschulung
Hüttner hat gleich nach der Schule eine Lehre als Kfz-Mechatroniker absolviert, dann sein Abitur nachgeholt, einige Semester Lehramt studiert, dann abgebrochen. Weil er seinen erlernten Beruf als Kfz-Mechatroniker schon länger als vier Jahre nicht mehr ausübt, hat ihm die Arbeitsagentur seine Teilzeit-Ausbildung als Umschulung genehmigt. Die wiederum wird finanziell gefördert.
Wilhelm Schmitt, Teamleiter des Arbeitgeberservices in der Arbeitsagentur Bamberg, erklärt den Unterschied zwischen Teilzeit-Ausbildung und Umschulung in Teilzeit: "Teilzeit-Ausbildung ist in jungen Jahren: Ich schließ’ meine Schule ab, bin 16, 17, 18, 21 Jahre alt und beginne eine Ausbildung, die kann auch in Teilzeit gut ablaufen. Ich bin älter, hab schon mal Berufserfahrung gesammelt, möchte was Neues erlernen, dann sprechen wir von einer Umschulung, die auch gut in Teilzeit zu bewältigen ist."
Während bei einer Teilzeit-Ausbildung der Betrieb ein angepasstes Ausbildungsgehalt bezahlt, bekommt ein Umschüler finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsagentur, da er schon mitten im Leben steht, Berufserfahrung und vielleicht - wie Paul Hüttner - Familie hat. In seinem Fall übernimmt die Arbeitsagentur Bamberg 90 Prozent der Lohnkosten und 100 Prozent der Schul- und Lehrgangskosten.
Teilzeit-Ausbildung bei Schulabgängern kaum nachgefragt
Auf dem Arbeitsmarkt fehlen Auszubildende und Arbeitskräfte. Dabei könnten Arbeitgeber ihre Ausbildungsstellen auch in Teilzeit anbieten. Damit würden sie möglicherweise neue Zielgruppen ansprechen und könnten Lücken schließen.
Bisher nehmen Schulabgänger die Teilzeit-Ausbildung kaum in Anspruch. 2022 wurden bundesweit rund 467.600 Ausbildungsverträge in Vollzeit abgeschlossen, in Teilzeit lediglich rund 2.200. Das geht aus der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden hervor.
Die Teilzeitausbildung wird hauptsächlich von Schulabgängerinnen mit Kind wahrgenommen, von Jugendlichen mit psychischen oder körperlichen Problemen oder von jungen Leistungssportlern. Dabei steht sie - seit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2020 - allen offen.
Bundesagentur: Teilzeit-Ausbildung noch zu wenig bekannt
Nach Angaben von Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), entscheide sich nur jede hundertste Frau und jeder tausendste Mann für eine Teilzeit-Ausbildung. Das könne unter anderem auch daran liegen, dass diese Möglichkeit vielen Betrieben und jungen Menschen gar nicht bekannt ist, so Terzenbach weiter. Die Teilzeit-Ausbildung sei vor allem für junge Familien attraktiv, wenngleich sie natürlich geringer entlohnt werde als eine Ausbildung in Vollzeit.
Auch Umschulungen in Teilzeit fänden - im Vergleich zur Vollzeit - deutlich seltener statt, sagt der BA-Vorstand. Terzenbach sieht durchaus die Chance, dass Teilzeit-Ausbildungen den Kreis der Bewerberinnen und Bewerber nochmal erweitern können.
Elektrofachbetrieb zahlt Facharbeiterlohn
Andreas Wünsche bezahlt Paul Hüttner schon jetzt einen Gesellenlohn, damit er über die Runden kommt. 90 Prozent dieses Lohnes werden von der Arbeitsagentur Bamberg finanziert. Wünsche ist dankbar für die Unterstützung. Für ihn ist es eine Win-Win-Situation. Mit Hüttner bekommt er eine Fachkraft für seinen Betrieb. Hüttner habe in seiner früheren Ausbildung zum Mechatroniker bereits einen Hochvolt-Kurs gemacht, so Wünsche. Dadurch ergäben sich viele Berührungspunkte zum Elektrohandwerk, freut sich der Elektromeister.
Auch Paul Hüttner sieht einen Gewinn in dieser Teilzeit-Umschulung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Auf diese Weise kann er Familie und Ausbildung zusammenbringen und den Beruf erlernen, der ihm Spaß macht. Elektromeister Wünsche wirft einen Blick in die Zukunft und meint schmunzelnd, seine Kunden würden sich auch freuen, wenn der Betrieb - sollte er einmal aufhören - von einem tüchtigen Nachfolger weitergeführt werde.