Deutscher Arbeitsmarkt Wie Ukraine-Flüchtlinge von Zeitarbeit profitieren
Zehntausende Geflüchtete aus der Ukraine warten darauf, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Doch die Jobcenter haben zu wenig Personal, um sie rasch zu vermitteln. Sie kooperieren deshalb mit Zeitarbeitsfirmen.
Im vergangenen Oktober hat die Bundesregierung einen "Job-Turbo" angekündigt - mit dem Ziel, Geflüchtete schneller in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Moment geht es vor allem um Menschen, die vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine geflohen sind. Die meisten von ihnen haben inzwischen einen Deutschkurs absolviert.
Die Jobcenter haben in der Regel zu wenig Personal, um so viele Geflüchtete rasch in den Arbeitsmarkt zu bringen. Deshalb kooperieren sie mit externen Dienstleistern - darunter auch Zeitarbeitsfirmen -,die eine schnelle Vermittlungsarbeit gewährleisten können. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte die Zeitarbeitsbranche sehr bewusst mit ins Boot geholt, um diese Personengruppe rasch aus dem Bürgergeldbezug in Beschäftigung zu bringen - selbst dann, wenn noch Sprachdefizite bestehen.
Jahrelange Kooperation bei der Vermittlung
Peter Blersch ist Deutschland Geschäftsführer der Adecco Group. Das Unternehmen ist ein großer Player in der Zeitarbeitsbranche - in Deutschland und weltweit. Von Tag eins des "Job-Turbos" an, erzählt Blersch, habe sich das Unternehmen bei Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit als Partner angeboten. Dazu gehöre auch die Selbstverpflichtung, bis Ende 2025 mindestens zehntausend geflüchtete Menschen im Arbeitsmarkt unterzubringen.
Adecco arbeite sehr eng mit den regionalen Jobcentern in Deutschland zusammen, so Blersch, um möglichst viele Ukrainer und Ukrainerinnen bei den jeweiligen Kundenunternehmen vor Ort in Beschäftigung zu bringen. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Jobcentern bestehe schon seit Jahren, zum Beispiel bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen oder beim Thema Qualifizierung. Jetzt habe man die Kooperation nochmal intensiviert.
Sprungbrett in den Arbeitsmarkt
Dass die Arbeitsmarktintegration über Zeitarbeitsfirmen funktioniert, zeigt der Fall von Viktoriia Pechenieva. Die junge Frau ist aus der ukrainischen Stadt Cherson geflohen und lebt jetzt in Nürnberg. Sie spricht gut Englisch, aber kaum Deutsch. Vor drei Monaten hatte sie sich auf die Stellenanzeige eines Versanddienstleisters beworben. Sie habe die Stelle bekommen, erzählt die 23-Jährige. Die Leute dort seien nett, und sie werde genauso bezahlt wie die Festangestellten. Das Stellenangebot des Versanddienstleisters lief über die Adecco Group. Die Ukrainerin wurde von dem Zeitarbeitsunternehmen sozialversicherungspflichtig eingestellt und befristet an den Versanddienstleister weitervermittelt.
Die Bandbreite an Firmen, mit denen große Personaldienstleister zusammenarbeiten, erhöht die Jobchancen für Geflüchtete deutlich. Insbesondere, wenn sie - wie Viktoriia Pechenieva - wenig Deutschkenntnisse haben und sich auf Englisch verständigen. Bereits im vergangenen Jahr habe Adecco mehr als 6.000 Menschen mit Fluchthintergrund zu einem Arbeitsplatz verholfen, bilanziert Deutschland-Chef Blersch.
Viktoriia Pechenieva ist aus der Ukraine geflüchtet. Sie hofft auf gute Chancen am deutschen Arbeitsmarkt.
Entlohnung nach Tarifvertrag
Zeitarbeitnehmer seien bei der Adecco Group fest - also sozialversicherungspflichtig - angestellt, so Blersch. Auch in verleihfreien Zeiten würden die Beschäftigten bezahlt, und zwar nach dem für die Zeitarbeitsbranche geltenden Tarifvertrag. In der untersten Entgeltgruppe liege der Stundenverdienst bei 13,50 Euro.
Branchenbezogene Zulagen kämen bei längerer Beschäftigungszeit oben drauf, so der Geschäftsführer. Vor allem Kundenunternehmen aus der Automobilbranche, Logistik und Industrieproduktion stellten - über alle Qualifikationsstufen hinweg - temporär ein, sagt Blersch.
Rund zehn Prozent nehmen Weg über Zeitarbeit
Die wichtige Rolle der Zeitarbeitsbranche bei der Arbeitsmarktintegration von Ukraine-Flüchtlingen betont auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. Knapp zehn Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ukraine-Flüchtlinge seien über die Zeitarbeit in einen Job gekommen, so das Ergebnis einer Beschäftigungsstatistik der BA. Sie wurde für den Zeitraum zwischen dem Beginn des Ukraine-Kriegs Ende Februar 2022 und Ende Juni 2023 erstellt.
Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles (SPD), erklärt, gerade bei der Umsetzung des "Job-Turbos" zeige sich die Zeitarbeitsbranche sehr kooperativ. Sie habe einen überproportionalen Anteil an der Beschäftigung von Ukraine-Flüchtlingen und könne eine gute Brückenfunktion in den deutschen Arbeitsmarkt übernehmen.
Junge Ukrainerin kann durchstarten
Für Viktoriia Pechenieva hat sich der Einstieg in den Arbeitsmarkt über das Zeitarbeitsunternehmen gelohnt. Schon nach drei Monaten temporärer Beschäftigung bei dem Versanddienstleister hat ihr dieser eine Festanstellung in Aussicht gestellt. Die 23-Jährige ist zuversichtlich, auf dem deutschen Arbeitsmarkt voranzukommen - zumal sie auch noch einen Bachelor der staatlichen Universität Cherson im Bereich "Management" in der Tasche hat.