Drohende Werksschließungen Autobauer kritisieren hohe Produktionskosten
Angesichts der Krise der deutschen Automobilindustrie attestiert Verbandschefin Müller Deutschland mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Schuld sei die Wirtschaftspolitik. Auch die EU-Kommission ist wegen drohender Werksschließungen beunruhigt.
Vor dem Hintergrund drohender Werksschließungen bei Volkswagen hat die Chefin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, die aus Sicht der Branche zu hohen Produktionskosten in Deutschland kritisiert. "Das Problem ist, dass wir in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig Autos produzieren können", sagte sie dem Radiosender NDR Info.
Vor allem die Energie- und Bürokratiekosten, aber auch die Arbeitskosten seien im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch, so Müller. Anderswo arbeite man an diesen Faktoren, "und das müssen wir auch". Die Politik hierzulande bekämpfe jedoch "immer nur Symptome und keine Ursachen".
Die Automobilindustrie fordere zum Beispiel, dass das "Ökosystem" Elektromobilität besser werde - es müsse mehr Ladestationen geben und niedrigere Strompreise. Steuern und Umlagen in Deutschland verteuerten aber den Strom.
Müller sagte, die Autoindustrie investiere gewaltige Summen in den Umbau zur E-Mobilität. Deutschland sei weltweit immer noch der zweitgrößte Produzent von Elektroautos nach China. Doch "wenn man beklagt, dass hier keine kleinen günstigen Autos gebaut werden, dann hat das auch mit den Standortfaktoren zu tun".
VW und BMW klagen über schwindende Gewinne
Die deutschen Autobauer VW und BMW hatten zuletzt über weniger Einnahmen geklagt. Der Volkswagen-Konzern verzeichnete im zweiten Quartal 2024 einen Gewinnrückgang um 4,2 Prozent auf 3,63 Milliarden Euro. BMW machte vor allem die Konkurrenz im wichtigen Markt China zu schaffen. Nach einem Gewinnrückgang im zweiten Quartal sank der Börsenkurs im August auf den tiefsten Stand seit knapp zwei Jahren.
Laut Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume fällt der Standort Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. Blume hatte dem Wolfsburger Autobauer daher ein milliardenschweres Sparprogramm verordnet und selbst Werksschließungen nicht mehr ausgeschlossen.
Personalrochade bei Volkswagen
Laut einer Meldung des Manager Magazins will VW jetzt den Finanzvorstand der Kernmarke austauschen. Patrik Andreas Mayer verliere seinen Posten und wechsle zur spanischen Konzerntochter Seat, berichtete das Magazin unter Berufung auf Insider. Der bisherige Seat-Finanzchef David Powels übernehme stattdessen den Posten in Wolfsburg.
Powels leitete das Finanzressort bei Seat seit 2021 und erwirtschaftete zuletzt eine Rendite von 5,2 Prozent. Im Vergleich: Die Rendite der Marke VW war im zweiten Quartal auf 2,3 Prozent gesunken. Volkswagen selbst hatte sich ein Renditeziel von 6,5 Prozent verordnet.
EU-Industriekommissar zeigt sich besorgt
Mittlerweile beunruhigt die angespannte Situation der Autoindustrie auch die Europäische Kommission. Die Lage der Branche sei "nicht rosig", es bringe nichts, sie zu beschönigen, sagte der scheidende Industriekommissar Thierry Breton dem Handelsblatt. Die Nervosität sei groß, was sich an den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Automobilindustrie zeige. "Die Ankündigungen von Werksschließungen besorgen mich sehr", so Breton.
Er führt die Krise darauf zurück, dass es europäischen Herstellern nicht gelinge, ihre Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen. Ob der Umstieg auf die Elektromobilität in Europa ein Erfolg werde, hänge entscheidend vom Ausbau der Ladeinfrastruktur ab. Hier sieht Breton erhebliche Defizite.
"Öffentliche Ladestationen sind nach wie vor stark auf Deutschland, Frankreich und die Niederlande konzentriert, auf die fast zwei Drittel der in der EU installierten öffentlichen Ladestationen entfallen", erläuterte er.
Ampel-Politiker appellieren an EU-Kommission
Angesichts der Krise bei VW verlangen hochrangige Politiker der Ampelkoalition mehr Hilfe aus Brüssel. "Ursula von der Leyen muss schnell eine ambitionierte Industriestrategie vorlegen, die die europäische Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stärkt. Europa muss mithalten können bei den internationalen Entwicklungen und dafür muss Frau von der Leyen jetzt vorangehen", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der Süddeutschen Zeitung.
Auch die FDP sieht die EU-Kommission in der Pflicht und macht bürokratische Hürden verantwortlich. "Der Grund für diese Krise ist die absurde europäische Politik, die den Automobilherstellern unzählige Steine in den Weg legt", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Der Staat könne VW am besten helfen, indem er dafür sorgt, dass die Flottenregulierung abgeschafft wird. Diese führe zu irrsinniger Bürokratie, aber spare nicht ein Gramm CO2 ein. Dafür werde sich die FDP auf europäischer Ebene einsetzen.