Biden erklärt Pandemie für beendet Aktien der Impfstoffhersteller brechen ein
In einem Interview erklärte der US-Präsident die Corona-Pandemie für beendet. An der Börse belastet das Impfstoffhersteller wie Moderna und BioNTech. Ein Milliardengeschäft dürfte es für die Unternehmen aber bleiben.
Äußerungen von US-Präsident Joe Biden über den aktuellen Stand bei den Corona-Infektionen haben auch an den Finanzmärkten große Wellen geschlagen. In einem Interview mit der CBS-Sendung "60 Minutes" hatte Biden die Pandemie am Sonntag für beendet erklärt. "Die Pandemie ist vorbei", sagt Biden in dem Interview, das am Rande der Detroit Auto Show aufgezeichnet wurde.
"Wir haben immer noch ein Problem mit Corona. Wir arbeiten immer noch daran", sagte Biden. "Aber die Pandemie ist vorbei. Wie Sie sehen, trägt niemand mehr Masken. Alle scheinen in ziemlich guter Verfassung zu sein. Ich glaube also, dass sich das Blatt wendet."
An der Börse führten die Bemerkungen des Präsidenten zu einem Ausverkauf von Impfstoff-Titeln. Hersteller von Corona-Vakzinen - Moderna, BioNTech und Novavax - verloren an der Börse bis zu neun Prozent ihres Börsenwertes. Auch die Aktien des breiter aufgestellter US-Pharmakonzerns Pfizer gaben nach, wenn auch nicht so deutlich.
Noch gilt der Gesundheitsnotstand
Formal haben die Vereinigten Staaten die Pandemie noch nicht für beendet erklärt. Nach wie vor gilt der erstmals im Januar 2020 verhängte nationale Gesundheitsnotstand. Zuletzt war erwartet worden, dass die US-Behörden diesen im Oktober nochmals verlängern - und im kommenden Januar auslaufen lassen. Noch vor wenigen Wochen hatte die Regierung in Washington den US-Kongress um weitere Milliarden gebeten, um das Test- und Impfangebot auch bei einer möglichen Corona-Welle im Herbst aufrechterhalten zu können.
Die Corona-Beschränkungen in den USA sind indes weitgehend aufgehoben. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, hatte in der vergangenen Woche gesagt, ein Ende der Pandemie sei "in Sicht". Gleichzeitig forderte er Regierungen weltweit dazu auf, wachsam zu bleiben.
Das Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech, das an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet ist, hatte noch vor etwas mehr als einem Jahr die Marke von 100 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung genknackt. Wäre BioNTech damals im deutschen Leitindex DAX gelistet, wäre es noch vor SAP das zweitwertvollste Unternehmen im DAX. Seitdem verlor das Unternehmen jedoch deutlich an Börsenwert. Aktuell liegt es noch bei bei rund 32,5 Milliarden Dollar.
Weiterhin hohe Gewinne mit Vakzinen
Der Konzern macht dabei auch in diesem Jahr gute Geschäfte. Im zweiten Quartal dieses Jahres erzielte BioNTech einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro, unter dem Strich verdiente der Impfstoff-Hersteller knapp 1,67 Milliarden Euro. Doch im Vergleich zum Vorjahr und auch zum Vorjahresquartal schrumpften sowohl Umsatz als auch der Jahresüberschuss deutlich. Zum Vergleich: Zu Ende März 2022 erwirtschaftete das Unternehmen noch ein Umsatz von 6,37 Milliarden Euro und einen Überschuss von 3,7 Milliarden Euro.
Auch der amerikanische Konkurrent Moderna weist noch immer einen Milliardenumsatz aus. Im zweiten Quartal erwirtschaftete das Unternehmen rund 4,75 Milliarden Dollar, der Nettogewinn lag dort zuletzt bei 2,2 Milliarden Dollar. An der Börse büßte das Unternehmen seit Anfang Januar dagegen beinahe die Hälfte seines Börsenwertes ein, seit Jahresbeginn ging es für die Moderna-Titel um mehr als 45 Prozent nach unten, und damit stärker als bei BioNTech. Das Unternehmen wird aktuell mit rund 50 Milliarden Dollar an der Börse bewertet.
Der US-Impfstoffhersteller Novavax hat seit Jahresbeginn sogar mehr als zwei Drittel seines Börsenwertes verloren. Der proteinbasierte Impfstoff mit Virusantigenen des Unternehmens galt als Alternative zu den mRNA- und Vektorimpfstoffe anderer Hersteller. Eine besonders hohe Nachfrage nach dem Vakzin blieb aber aus.
Eine Rolle spielt dabei wohl auch, dass sich das rasante Wachstum der vergangenen Quartale für die Unternehmen nicht mehr fortsetzt - ausgelöst auch durch geringere Nachfragen nach den Vakzinen. So konnten im Jahresvergleich bis vor Kurzem noch sowohl Umsatz als auch Nettogewinn von Quartal zu Quartal gesteigert werden. Bei den zuletzt vorgelegten Zahlen schrumpften sie jedoch sowohl bei BioNTech als auch bei Moderna.
Verhaltene Nachfrage nach Booster-Impfstoffen
In den USA und in vielen anderen Ländern werden deutlicher weniger Corona-Impfstoffe verimpft als noch zu Hochzeiten der Pandemie. Die Europäische-Arzneimittelagentur (EMA) hatte erst kürzlich grünes Licht für die an die Omikron-Variante angepassten Corona-Auffrischungsimpfungen von Moderna und BioNTech/Pfizer gegeben. Die Nachfrage nach den Booster-Impfstoffen ist derzeit jedoch verhalten. Laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) haben Vertragsärzte bisher nur rund 2,8 Millionen Dosen des BA.1-Impfstoffs bestellt. Die Nachfrage der Patienten sei auch wegen der millionenfachen Infektionen aus der letzten Corona-Welle eher gering, hieß es vom Zi.
Eine höhere Nachfrage könnte die bald anstehende Auslieferung des an die Omikron-Variante BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffes von BioNTech/Pfizer auslösen. Die Variante Omikron BA.4/BA.5 beherrscht das aktuelle Infektionsgeschehen.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) geht davon aus, dass die deutsche Pharmaindustrie über Jahre hinweg stark von Corona-Impfstoffen profitieren wird. Bis 2030 ergebe sich daraus ein zusätzlicher Produktionswert von 16,1 Milliarden Euro, heißt es in einer Analyse des vfa. Durch die Impfstoffherstellung entstünden rechnerisch 57.200 Beschäftigungsverhältnisse über ein Jahr. Die wirtschaftlichen Effekte seien dabei konservativ geschätzt.