Ein Jahr Regierung Monti Die magere Bilanz des Professors
Vor einem Jahr hat Mario Monti ein Land am Rande des Abgrunds als Regierungschef übernommen. Und heute? Unter Monti ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, ebenso wie die Steuerlast. Die Wirtschaftsleistung geht weiter zurück. Die Märkte trauen dem Wirtschaftsprofessor offenbar immer noch zu, Italien wieder aufs Gleis zu bringen. Die Italiener sind da skeptischer geworden.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Mario Monti ist ein kluger Kopf. Er wird gewusst haben, worauf er sich einließ am 16. November 2011 als neuer Ministerpräsident des hoch verschuldeten Krisenlandes Italien. Er hat schon damals gesagt: Meine Reformen sind unpopulär, er sprach schon damals von Opfern. Und deshalb wird er heute nicht überrascht, geschweige denn verletzt sein, wenn bei "No-Monti-Days" gegen ihn und seine Regierung demonstriert wird. Oder wenn sein Bündnispartner wider Willen, Silvio Berlusconi, zum wiederholten Mal androht: Wir entziehen der Regierung Monti das Vertrauen.
"Gegen diese Regierung können solche Drohungen nicht ausgesprochen werden. Nicht, dass man uns nicht das Misstrauen aussprechen könnte. Doch wir empfinden das nicht als Bedrohung", so Monti. " Man hat uns gebeten, in einem schwierigen Moment des Landes zu helfen. Wer uns das Vertrauen verwehren will, hat vielleicht einen guten Grund, es liegt nicht an uns, das zu beurteilen. Wir strengen uns sehr an und glauben, gute Ergebnisse zu erzielen."
Die Zahlen sprechen gegen Monti
Das sind die Ergebnisse der Regierung Monti: Die Arbeitslosenquote steigt seit Monaten. Sie liegt aktuell bei fast elf Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 34 Prozent. Die Wirtschaft schwächelt mehr denn je: Im dritten Quartal ist die Wirtschaftsleistung erneut um 0,2 Prozent gesunken. Gegen die hohen Staatsschulden verordnete Monti Milliardeneinsparungen im Haushalt und Steuererhöhungen.
Italiens Unternehmen haben eine Steuerlast von 68 Prozent, klagt Jacopo Morelli, Präsident des Verbandes junger Unternehmer: "So stranguliert man das Land. Das ist die Realität. Wir können das nicht mehr hören: Zuerst muss das Schiff geborgen werden und dann reduzieren wir die Steuern. Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung, die Haushaltsdisziplin und die Verringerung der Steuerlast sind alles Seiten ein und derselben Medaille."
Arbeitnehmer beklagen unsoziale Reformen
Dasselbe Lied stimmen auch die Arbeitnehmer an. Besonders unpopulär war die Entscheidung der Regierung Monti, die Immobiliensteuer wieder einzuführen, da ein Großteil der Italiener in Wohneigentum lebt. Gleichzeitig wurde das Renteneintrittsalter angehoben und der Kündigungsschutz beschnitten.
Fausto Durante vom größten italienischen Gewerkschaftsbund CGIL ist ebenfalls mit der Monti unzufrieden: "Die Regierung Monti hätte etwas für die soziale Gerechtigkeit tun können, z.B. eine Vermögenssteuer auf große Vermögen - und hätte dieses Geld für Wachstumspolitik nutzen können. Doch bis jetzt haben wir einen solchen Willen nicht erkennen können."
Die ganz großen Einschnitte blieben bisher aus
Und dennoch fällt die Unzufriedenheit der Italiener mit ihrer Regierung deutlich verhaltener aus als die der Griechen, Spanier oder Portugiesen. Das mag daran liegen, dass Monti die ganz großen Einschnitte, Kürzungen, Entlassungen bisher vermieden hat.
Und wer weiß, sagt Giorgio aus Rom, was Monti machen würde, wenn er könnte, wie er wollte: "Über die Politik von Monti kann man sagen: Einige Entscheidungen sind unpopulär, werden von der Masse abgelehnt. Man muss aber auch sagen: Wir können gar nicht sagen, ob er all das gemacht hat, was er sich vorgenommen hatte. Warum? Berlusconi und seine Bande sind zwar nicht mehr an der Regierung, sie sitzen aber noch im Parlament."
Und zumindest einen Erfolg kann Mario Monti sich zu Gute schreiben: Die Zinsen für italienische Staatsanleihen fallen - bei der letzten Auktion am Mittwoch auf den Stand von vor zwei Jahren. Das heißt: Die Finanzmärkte haben ihr Vertrauen in Mario Monti noch nicht verloren.