Brexit-Folgen Ungewissheit bei deutschen Exportfirmen
Lange Wartezeiten, Engpässe, Bürokratie: Einige Branchen in Deutschland träfe ein harter Brexit besonders hart. Viele betroffene Firmen wissen noch nicht genau, was alles auf sie zukommt.
Die Kunden der Otto Fuchs KG auf der Insel haben klingende Namen: Airbus, Jaguar, Rolls Royce, BMW Mini. Großbritannien ist ein wichtiger Markt für den Hersteller von Aluminiumbauteilen aus dem sauerländischen Meinerzhagen.
Firmenchef Hinrich Mählmann ist selten um eine Antwort verlegen. Aber bei der Frage nach den Folgen eines No-Deal-Brexit antwortet er nur: "Sie sehen mich ratlos".
Aus für "Just in time"
"Just in time" liefert das Unternehmen seine Lenkersysteme oder Räder an seine britischen Kunden - also kurz vor dem Einbau in der Fabrik. Das Lager ist quasi der Lkw, mit dem die Zulieferteile transportiert werden. Und genau das ist das Problem: Wenn nach einem Brexit an der Grenze plötzlich wieder Waren kontrolliert werden, verzögern sich die Lieferungen, und die Produktion in den Autowerken kommt zum Erliegen.
So hat BMW, einer der größten Kunden von Otto Fuchs, bereits angekündigt, die Produktion im Brexit-Fall erst mal stillzulegen. "Für uns bedeutet das ganz klar: Umsatzrückgang", sagt Mählmann. Denn die Produkte für die britische Autoproduktion sind Spezialanfertigungen - anderweitig lassen sie sich nicht verkaufen.
Viele Maschinenbaufirmen fürchten bei einem harten Brexit höhere Exportkosten und Versorgungsengpässe bei Bauteilen.
Höhere Kosten und mehr Bürokratie durch Zölle
Ganz so dramatisch wie in der Autoindustrie werden die Folgen für die deutschen Maschinenbauer nicht sein, weil hier "just in time" nicht so wichtig ist. Aber die Branche, die zu 90 Prozent von kleinen und mittelständischen Firmen geprägt ist, muss sich in Sachen Großbritannien-Geschäft umstellen. Viele der Unternehmen haben ihre Waren noch nie in so genannte Drittländer geliefert, also nach außerhalb der EU.
Mit dem Brexit kommt plötzlich jede Menge Bürokratie auf sie zu. Anders als im EU-Binnenmarkt müssen sie ihre Waren beim Zoll anmelden und überlegen, wie sie die Formalien möglichst gering halten - indem sie zum Beispiel ein vereinfachtes Zollverfahren beantragen. Immerhin ist Großbritannien für die Branche der fünftwichtigste Exportmarkt.
Produktion in Deutschland gefährdet
Aber auch in umgekehrter Richtung ist die Produktion gefährdet, etwa, wenn ein deutscher Maschinenbauer Vorprodukte aus Großbritannien bezieht - zum Beispiel die Steuerung für eine Maschine -, und der Hersteller wegen des Brexit längere Zeit nicht liefern kann. Hier könnten sich Hersteller prophylaktisch nach Lieferanten etwa aus anderen EU-Ländern umschauen, meint Holger Kunze vom Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA).
"Da kann es auch böse Überraschungen geben", so der Leiter des Brüsseler VDMA-Büros - wenn zum Beispiel in Teilen aus Frankreich oder Holland Komponenten stecken, die aus Großbritannien stammen. Kleinere Firmen seien damit überfordert, das bei jedem Zulieferteil nachzuvollziehen.
Frischeprobleme bei Lebensmittelexporten
Lange Wartezeiten an der Grenze können auch ein Problem sein, wenn es neben Pünktlichkeit um Frische geht - zum Beispiel bei Fleisch- oder Milchprodukten. "Wir wissen nicht, was da am Ausstiegstermin am 30. März auf uns zukommt", meint Monika Larch, Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.
Als Exportland Nummer vier ist Großbritannien wichtig für die deutschen Lebensmittelproduzenten - wie auch das Auslandsgeschäft insgesamt: Es macht die Hersteller weniger abhängig vom enormen Preisdruck der Discounter und Supermärkte in Deutschland.
Wenn Großbritannien austritt, könnte Hähnchenbrust aus Niedersachsen oder Joghurt aus Bayern für britische Verbraucher deutlich teurer werden. Im Durchschnitt über acht Prozent könnten die Zölle auf deutsche Lebensmittel betragen. Weil dadurch die Ladenpreise steigen, könnte darunter die Nachfrage leiden.
Außerdem ist die Frage, ob Produkte wie "Nürnberger Würstchen", "Spreewaldgurken" oder "Düsseldorfer Senf" in Großbritannien weiterhin vor Nachahmern geschützt sind. Denn die in der EU anerkannten Ursprungskennzeichnungen würden dort nach dem Brexit nicht mehr unbedingt gelten.
Für deutsche Lebensmittelhersteller könnte es nach einem harten Brexit schwieriger werden, ihre Produkte in britische Supermärkte zu bringen.
Chemikalien könnten Zulassung verlieren
Der Wegfall von Regeln könnte für deutsche Hersteller von Chemikalien das Hauptproblem sein. Denn mit dem EU-Austritt Großbritanniens gilt auch die so genannten Reach-Verordnung nicht mehr, nach der Chemikalien zugelassen werden. Dadurch könnten Grundstoffe für Arzneimittel, Tenside oder Polymere auf der Insel plötzlich illegal sein - und umgekehrt in Großbritannien produzierte Stoffe auf dem Kontinent.
Deswegen hofft die chemische Industrie, dass die EU und Großbritannien die Chemikalien-Zulassung verlängern, bis eine neue Zulassungsregeln beschlossen sind. Dafür ist es in der Chemie-Branche einfacher Lagerbestände für den Brexit-Fall aufzubauen als in der von "just in time" geprägten Autoindustrie.
So hat jede Branche ihre speziellen Probleme mit dem britischen EU-Austritt. Dem Fazit von Otto-Fuchs-Chef Mählmann würden aber sicher viele zustimmen: "Ein No-Deal-Brexit wäre ein absoluter Supergau."