Konflikt mit der EU-Kommission Merkel will Bundestagsvotum zu CETA
Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA ist umstritten - vor allem, weil es die Vorlage für das noch umstrittenere TTIP-Abkommen mit den USA ist. Jetzt ist Kanzlerin Merkel auch noch auf Konfrontationskurs mit der EU-Kommission.
Kanzlerin Angela Merkel will den Bundestag über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA abstimmen lassen. "Wir werden den Bundestag um Meinungsbildung bitten", sagte sie nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. Es gebe gute Gründe, die nationalen Parlamente damit zu befassen.
Unterstützung bekommt Merkel von Vizekanzler Sigmar Gabriel. "Jetzt zu beschließen, dass die nationalen Parlamente zu diesem Handelsabkommen nichts zu sagen haben, ist unglaublich töricht", sagte der Bundeswirtschaftsminister. Er selbst sei ein "Befürworter guter Handelsabkommen", die EU-Kommission falle aber allen Gutwilligen in den Rücken und mache ihnen die Arbeit noch schwerer. "Das dumme Durchdrücken von CETA würde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten Freihandelsabkommen explodieren lassen", warnte Gabriel. "Wenn die EU-Kommission das bei CETA macht, ist TTIP tot."
"Keine Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg"
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnte ebenfalls vor einem Ausschluss der nationalen Parlamente. "Internationale Handelsabkommen wie CETA nehmen einen großen Teil in der öffentlichen Debatte ein. Deshalb dürfen die nationalen Parlamente gerade in der jetzigen Situation nicht außen vor gelassen werden", sagte sie. "Die Menschen wollen keine Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg."
Zuvor war bekannt geworden, dass die EU-Kommission die nationalen Parlamente nicht an der Entscheidung über das Abkommen beteiligen will. An der Ratifizierung wäre dann nur das EU-Parlament beteiligt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte vor den Staats- und Regierungschefs, die Bestimmungen des Abkommens fielen allein in EU-Kompetenz.
Dazu sagte Merkel, die Kommission habe zunächst nur ihre Rechtsauffassung dargelegt. Das sei kein Grund, sie dafür an den Pranger zu stellen. Sie machte allerdings auch klar, dass die Brüsseler Behörde damit auf Kollisionskurs zu den meisten EU-Regierungen geht, die zwar das Abkommen begrüßen, aber auf eine nationale Zustimmung bestehen. Juncker räumte ein, dass eine Behandlung auch durch die nationalen Parlamente in Erwägung gezogen werden müsse. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten sei dieser Auffassung.
CETA vor dem Aus?
Die EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, dass sie der Meinung der Kommission nicht folgen wollen. Es ist denkbar, dass die Verabschiedung des Abkommens auf unbestimmte Zeit blockiert wird. Eines der vier belgischen Regionalparlamente, die ebenfalls zustimmen müssten, hat sich bereits auf eine Ablehnung festgelegt. Bulgarien und Rumänien wiederum wollen eine Zustimmung mit Visa-Erleichterungen durch Kanada für ihre Bürger verbinden.
In Brüssel besteht hingegen seit längerem die Sorge, dass Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik blockieren könnten. Im normalen EU-Gesetzgebungsverfahren stimmen über die Vorschläge der Kommission die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und das Europaparlament ab. Die Vorstellung, dass nur nationale Parlamente demokratische Kontrolle gewährten, schwäche die Grundidee der EU, sagte Juncker.
CETA sieht laut EU-Kommission die Abschaffung von 99 Prozent aller Zölle vor. Nach Angaben der Behörde würde dies allein für die EU-Ausfuhr bei Industrieerzeugnissen zu Einsparungen von jährlich etwa 470 Millionen Euro führen. CETA gilt als Blaupause für das Mega-Abkommen TTIP mit den USA. Beide Verträge sollen für mehr Wachstum im Handel mit Nordamerika sorgen. Umwelt- und Verbraucherschützer fürchten eine Senkung von Standards.