Autonomes Fahren Lenkrad überflüssig?
Lenkrad, Gaspedal oder Fußbremse sucht man bei den selbstfahrenden Auto-Visionen von GM und Ford vergebens. Werden Autos ohne menschliche Bedienelemente schon bald über die Straßen rollen?
Lenkrad? Bremspedal? Sonnenblende für den Fahrer? Sonstige Bedienelemente, die nur für menschliche Fahrer nützlich sind? Im GM Cruise Origin sucht man sie vergebens. Dafür besitzt der Cruise Origin U-Bahn-ähnliche Türen - und macht damit direkt klar, für welche Zielgruppe er designt wurde: Mitfahrdienste. Vier bis sechs Personen können in dem futuristisch aussehenden Shuttle Platz nehmen - und das womöglich schon bald.
Ford und GM wollen Sondergenehmigungen
Denn General Motors und sein US-amerikanischer Konkurrent Ford haben bei der US-Verkehrssicherheitsbehörde (NHTSA) zwei separate Anträge auf eine Sondergenehmigung für den Einsatz einer begrenzten Anzahl autonomer Automobile eingereicht.
Die beiden Autobauer wollen demnach bis zu 2500 Fahrzeuge pro Jahr für Mitfahrgelegenheiten und Lieferdienste einsetzen. Das entspricht genau der gesetzlich zulässigen Höchstgrenze für vollständig autonome Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten.
Der Fahrer als "inakzeptables Sicherheitsrisiko"
Dabei spiegeln die beiden Anträge die neue Rolle des Menschen in der schönen neuen Welt der selbstfahrenden Autos eindrücklich wider. So erklärte etwa Ford in seinem Antrag gegenüber der NHTSA: Aktive Fahrkontrollen würden ein "inakzeptables Sicherheitsrisiko" darstellen.
Der Mensch ist in dieser Sichtweise also nicht mehr die "Fallback-Option", die rettend eingreift, wenn es die Technik (mal wieder) vermasselt hat. Im Gegenteil: Der Mensch selbst wird zum Sicherheitsrisiko.
Kein Verkauf von selbstfahrenden Autos an Privatkunden
Verbraucher, die mit einer solchen Sichtweise gut leben können und hoffen, sich nun selbst bald ein solches Fahrzeug zulegen zu können, etwa um damit entspannt in eine Lektüre vertieft oder ein Nickerchen machend zur Arbeit zu gelangen oder um ihre Kinder zum Reiten oder Schwimmen fahren zu lassen, sehen sich jedoch getäuscht. Keiner der beiden Hersteller strebe eine Genehmigung für den Verkauf selbstfahrender Fahrzeuge an Privatkunden an, heißt es in den Anträgen.
Tatsächlich hat bislang noch kein Hersteller auf der Welt ein festes Datum angekündigt, ab dem er hoch automatisiert fahrende Autos verkaufen will. Denn das lohnt sich erst, wenn in großen Teilen der Welt autonom gefahren werden darf.
Überdies dürften die Anschaffungskosten enorm sein, machen doch Sensoren und Rechner die selbstfahrenden Auto deutlich teurer. Die von GM und Ford angestrebten Einsatzbereiche wie Ride-Sharing, Ride-Hailing und Paketzustellung machen da schon mehr Sinn, können so doch die Kosten schneller reingeholt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich Taxis ohne Fahrer zwischen 2030 und 2040 verbreiten könnten.
So wichtig ist Cruise für GM
So groß die Unsicherheiten auch sind, so groß sind auch die Hoffnungen, die die beiden Automobilkonzerne in ihre selbstfahrenden Auto-Visionen stecken. Für General Motors (GM), dessen Cruise-Sparte sich zuletzt darauf konzentriert hatte, ihr Robotaxi-Geschäft zum Laufen zu bringen und Einnahmen zu generieren, ist der Cruise Origin jedenfalls der nächste logische Schritt.
Im vergangenen Jahr hatte GM-Chefin Mary Barra einen ehrgeizigen Plan verkündet, wonach der traditionsreiche Autokonzern aus Detroit eine Verdopplung seines Umsatzes auf 280 Milliarden Dollar bis 2030 plant. Von den prognostizierten Umsatzsteigerungen sollen allein etwa 50 Milliarden Dollar auf Cruise entfallen.
GM plant in den kommenden vier Jahren, 35 Milliarden Dollar in die Entwicklung von batterieelektrischen und autonomen Autos zu stecken. Schätzungen zufolge dürfte sich der globale Markt für autonomes Fahren von 2021 bis 2025 mehr als verdoppeln auf dann über 50 Milliarden Dollar.
Cruise-Börsengang vom Tisch
Wie wichtig die selbstfahrende Sparte für den traditionsreichen Autokonzern aus Detroit geworden ist, der einst in der Finanzkrise 2009 sogar Insolvenz anmelden musste, zeigt aber auch dieser Schritt: Im Frühjahr 2022 kaufte GM dem japanischen Technologiekonzern Softbank für 2,1 Milliarden Dollar dessen Cruise-Beteiligung ab. Nach Abschluss der Transaktion hält GM rund 80 Prozent an Cruise.
Damit zerstörte GM zugleich Hoffnungen von Anlegern und Analysten auf eine weitergehende Autonomie des Spezialisten für autonomes Fahren. Ein möglicher Börsengang von Cruise scheint endgültig vom Tisch.
Deutsches Gesetz regelt autonomes Fahren bis "Level 4"
In Deutschland könnten fahrerlose Fahrzeuge wie der GM Cruise derweil nur örtlich begrenzt zum Einsatz kommen. Das ist im "Gesetz zum autonomen Fahren" so geregelt. Demnach sind so genannte Level-4-Fahrzeuge nur auf festen Strecken und zuvor genehmigten Betriebsbereichen gestattet. Darunter fallen etwa Shuttle-Verkehre sowie Personen- und Güterbeförderung auf der ersten oder letzten Meile, aber auch vollautomatisches Einparken.
Zudem muss ein Mensch permanent die technische Aufsicht führen, also etwa ein Robotaxi-Mitarbeiter in einem Überwachungsraum. Ganz überflüssig wird der Mensch bei selbstfahrenden Autos zumindest in der speziellen deutschen juristischen Perspektive also doch nicht.