Eine Frau hält ein IPhone mit dem Appstore vor einem Bildschirm, auf dem der Epic Games Store zu sehen ist.
faq

Neue EU-Regeln Was sich für Smartphone-Nutzer verändert

Stand: 07.03.2024 08:57 Uhr

In der EU soll ab heute mehr Wettbewerb bei digitalen Angeboten entstehen. Große Plattformen müssen sich an die Regeln des "Digital Markets Acts" anpassen. Worum es dabei geht - und was das für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet.

Was ist der "Digital Markets Act"?

Der sogenannte Digital Markets Act (DMA) ist ein Gesetz über digitale Märkte, das im Juli 2023 vom EU-Parlament verabschiedet wurde. Es soll für mehr und vor allem einen fairen Wettbewerb bei digitalen Diensten und bessere Chancen für neue Rivalen sorgen. Die Grundannahme dabei ist, manche große Plattformbetreiber seien so mächtig geworden, dass sie ihre Marktposition zementieren könnten. Der DMA soll diese Starre mit Regeln für die "Gatekeeper" (Torwächter) aufbrechen.

Ab dem heutigen 7. März müssen sich die bisher 22 "Gatekeeper"-Dienste von sechs Unternehmen an die neuen Vorgaben halten. Bei Verstößen gegen den DMA drohen heftige Geldstrafen, in Ausnahmefällen sogar die Aufspaltung.

Im September veröffentlichte die EU-Kommission eine Liste mit den betroffenen Großkonzernen. Wenig überraschend sind darunter die US-Schwergewichte Apple, Amazon, Microsoft, die Google-Mutter Alphabet und der Facebook-Konzern Meta. Daneben kam auf die Liste die Video-App TikTok des ursprünglich aus China stammenden Konzerns Bytedance. Den aufgelisteten Unternehmen blieb rund ein halbes Jahr, um sich auf die strengeren Regelungen einzustellen.

Was bedeutet das Gesetz für Nutzerinnen und Nutzer?

Einige Auflagen stechen besonders hervor. Mit Inkrafttreten der EU-Vorschriften sollen die Tech-Größen zum Beispiel weniger Kontrolle darüber haben, welche Apps auf Handys vorinstalliert sind oder nicht gelöscht werden können. Außerdem muss etwa der iPhone-Hersteller Apple erstmals zulassen, dass Apps aus anderen Quellen als dem hauseigenen App Store installiert werden können sowie Anwendungen aus Marktplätzen anderer Anbieter darin zu finden sind.

Zudem sollen Messenger-Dienste interoperabel werden. So soll sich der in Deutschland populäre Chatdienst WhatsApp von Meta für andere Dienste öffnen. Das heißt, dass Nutzerinnen und Nutzer erstmals Nachrichten oder Bilder zwischen verschiedenen Apps versenden können.

Wie will WhatsApp die Regelung umsetzen?

Die Nachrichten aus anderen Diensten sollen in einem separaten Bereich landen. Das solle deutlich machen, dass für die Nachrichten andere Sicherheitsstandards gelten könnten, sagte WhatsApp-Manager Dick Brouwer dem Magazin "Wired". Das Unternehmen nutzt die Verschlüsselungstechnologie von Signal - und das macht die Vernetzung mit anderen Diensten, die ebenfalls darauf zurückgreifen, einfacher. Man werde aber auch andere verlässliche Verschlüsselungsprotokolle unterstützen.

Während WhatsApp die Zugänge schaffen muss, wollen sich konkurrierende Anbieter wie Signal und Threema allerdings gar nicht vernetzen. Signal verweist darauf, dass der Dienst über den Schutz von Inhalten hinausgehe: "Wir haben neuartige Techniken entwickelt, um auch vertrauliche Metadaten wie Profilnamen und -foto, Kontaktlisten, Gruppenmitgliedschaften und Informationen darüber, wer wem Nachrichten sendet, zu verschlüsseln." Andere große Apps erfüllten "nicht annähernd die Datenschutzstandards von Signal".

Bei Threema hieß es, WhatsApp gebe alle Protokolle vor, "und wir wüssten nicht mit Sicherheit, was mit den Nutzerdaten geschieht, wenn sie an WhatsApp übertragen werden, zumal WhatsApp nicht Open Source ist". Auch gebe es ungelöste Probleme wie die Adressierung, da WhatsApp die Telefonnummer verwende und Threema eine zufällig generierte ID. Dies könne Threema-Nutzer potenziell deanonymisieren.

Wie soll das mit anderen App Stores auf dem iPhone funktionieren?

Zunächst: Entwickler können theoretisch alles beim Alten lassen und ihre App ausschließlich über den App Store vertreiben. Bislang verlangt Apple von kleineren Entwicklern und bei Langfrist-Abos eine Umsatzbeteiligung von 15 Prozent. Anbieter mit einem Umsatz von über einer Million Dollar im Jahr müssen 30 Prozent abführen. Diese Provisionen werden nun auf zehn Prozent und 17 Prozent gesenkt - plus weitere drei Prozent, wenn die Entwickler das Abrechnungssystem des Konzerns nutzen.

Alternativ können die Anbieter von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen und ihre Anwendung ausschließlich oder zusätzlich über andere Marktplätze vertreiben. Dann gelten für sie andere Konditionen, nämlich wird eine "Kerntechnologie-Abgabe" fällig. Die Entwickler müssen in dem Fall 50 Cent für jede erste jährliche Installation zahlen, die eine Download-Schwelle von eine Million überschreitet.

Wie wollen App-Anbieter vorgehen?

Die Spielefirma Epic Games, deren App "Fortnite" nach einem Regelverstoß aus Apples App Store verbannt ist, will eine eigene Download-Plattform auf das iPhone bringen. "Fortnite" kann seit mehr als drei Jahren nicht auf den Geräten geladen werden, nachdem Epic mit einem Trick die Abgabe von 30 Prozent beim Kauf digitaler Inhalte umgehen wollte. Nun muss Apple das in der EU aber wieder in den App Store lassen - so dachte man. Denn wie gestern bekannt wurde, sperrte der Konzern bereits am 2. März einen wenige Wochen zuvor eingerichteten schwedischen Entwickler-Account von Epic mit Verweis auf den Gerichtsbeschluss erneut aus.

Auch der App-Marktplatz Setapp, der Anwendungen im Abo-Modell nutzen lässt, will im April einen eigenen Store starten. Einige Firmen kritisieren dagegen die neuen Regeln aufs Schärfste - etwa der Musikstreaming-Marktführer Spotify. Apples Umsetzung erfülle "nicht einmal annähernd" die Vorgaben, sagte die für Wettbewerb zuständige Spotify-Managerin Avery Gardiner. Unter anderem der Umstieg auf eine neue Gebührenstruktur und die "Kerntechnologie-Abgabe" widersprechen aus Sicht von Spotify dem DMA.

Die Abgabe müsste der Konzern nicht nur bei im Moment aktiven Nutzern bezahlt werden. Auch wenn jemand die App nur ungenutzt auf seinem iPhone hat, kostet das Spotify beim ersten automatischen Update in einem Zwölfmonatszeitraum 50 Cent. Apple habe die neuen Abgaben so gestaltet, dass es für Entwickler nicht attraktiv oder auch tragbar sei, ihre Apps über andere Stores zu vertreiben, kritisieren unter anderem Epic und Spotify.

Was ändert sich noch bei Apple?

Parallel zu den Anpassungen beim App Store führt Apple weitere Änderungen ein, um den Monopolvorwürfen der EU entgegenzutreten. So können europäische Anwenderinnen und Anwender künftig den Standard-Browser im iPhone frei festlegen. Bislang öffnet der Apple-Browser Safari automatisch alle Web-Links. Jetzt kann diese Aufgabe auch von Browsern wie Google Chrome, Firefox, Microsoft Edge, Brave, Opera oder DuckDuckGo übernommen werden.

Die Wettbewerber werden auch nicht mehr gezwungen, in ihren Apps die von Apple favorisierte Technik "WebKit" zur Darstellung von Webseiten zu verwenden, sondern dürfen ihre eigenen "Web-Engines" benutzen. Um die neuen Möglichkeiten nutzen zu können, muss auf dem Gerät die aktuellste Betriebssystem-Version iOS 17.4 installiert sein.

Auch das Apple-Monopol bei kontaktlosen Zahlungstransaktionen mit dem iPhone fällt in der EU. Bislang konnte nur der hauseigene Bezahldienst Apple Pay die NFC-Funktion ("Near Field Communication") des iPhones nutzen, um eine Bezahlung an der Supermarktkasse oder anderen Bezahlterminal vorzunehmen. Die Anwender können künftig selbst festlegen, welche Bezahl-Anwendung standardmäßig starten soll.

Was ändert zum Beispiel Google?

In dieser Woche gab auch Google Anpassungen in seiner Internetsuche und einigen anderen Angeboten bekannt. So wird die Alphabet-Tochter die Ergebnisse von Spezialsuchmaschinen ausführlicher darstellen. Dabei gehe es beispielsweise um Vergleichsportale für Flüge, Hotels oder Shopping-Angebote, wie der Internet-Konzern erläuterte. Einige eigene Funktionen, "die den Verbrauchern helfen, Unternehmen (direkt) zu finden", wurden dagegen entfernt. Als Beispiel dafür nennt Google seine Flugsuche.

In sogenannten Karussell-Galerien zum horizontalen Scrollen der Suchergebnisse sollen Inhalte von Spezialsuchmaschinen dargestellt werden, wenn sie für die Suchanfrage von Nutzern relevant seien, hieß es weiter. In einer Version davon zu konkreten Anfragen wie Restaurants in Paris können auch Informationen aus verschiedenen Diensten vermischt werden. Bei Angaben zu einem bestimmten Ort tauchten Daten von Google gleichberechtigt mit denen aus anderen Quellen auf. Die Darstellung könne sich auch abhängig davon ändern, von welchem Ort aus ein Nutzer eine Suche starte.

Bei den DMA-Vorgaben zum Smartphone-Markt muss Google unterdessen weniger Änderungen vornehmen als Apple. Beim hauseigenen Betriebssystem Android war schon lange das Laden von Apps aus verschiedenen Marktplätzen erlaubt. Und auch die Möglichkeit für App-Entwickler, zur Zahlungsabwicklung einen anderen Anbieter als Google zu nutzen, wurde teilweise bereits eingeführt.

Wer entscheidet, ob "Gatekeeper" die DMA-Vorgaben erfüllen?

Das macht die EU-Kommission, unter anderem mithilfe von Marktuntersuchungen und Äußerungen anderer Unternehmen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte, man werde die Einhaltung der DMA-Regeln mit höchster Priorität prüfen. Kurz bevor die Vorgaben angewendet werden müssen, wies Vestager auch darauf hin, dass die gegen Apple verhängte Strafe von 1,84 Milliarden Dollar im Streit über den Umgang mit Musikstreaming-Diensten größtenteils als "Abschreckung" gedacht sei, um die Entschlossenheit der Kommission zu demonstrieren.

Was passiert bei Nichteinhaltung?

Bei Verstößen gegen den DMA drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des jährlichen Umsatzes - und bis zu 20 Prozent im Falle wiederholter Verletzungen. Als letzte Option steht auch eine Zerschlagung im Raum. Am Ende könnten Gerichte über mögliche Strafen entscheiden.

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Die EU-Kommission gewährt für einige Dienste Ausnahmen. Das betreffe Apples Messaging-Dienst iMessage, Microsofts Suchmaschine Bing, den Browser Edge und den Werbedienst Microsoft Advertising, teilte die Kommission kürzlich mit. Danach sind diese Dienste nicht relevant genug, um als sogenannte Gatekeeper Einfluss auf den Markt zu nehmen und fairen Wettbewerb zu behindern.

Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.

Kathrin Schmid, ARD Brüssel, tagesschau, 07.03.2024 06:41 Uhr