Rechenzentren Herzkammer der Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet
Rechenzentren schießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden. Auch die großen Tech-Konzerne mischen mit und investieren Milliarden in den Standort Deutschland - vor allem im Rhein-Main-Gebiet.
Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Rechenzentren wie rund um Frankfurt am Main. Gut die Hälfte der deutschen Großrechenzentren stehen hier. Und die Anzahl wächst stetig. Die bekanntesten Betreiber dieser Rechenzentren sind US-Firmen. Amazon Web Services (AWS) zum Beispiel, Tochterfirma des US-Internetkonzerns Amazon, betreibt zahlreiche Rechenzentren. Und nun wird weiter investiert. Acht Milliarden Euro fließen bis 2026.
Das meiste davon entsteht im Großraum Frankfurt, erklärt Michael Hanisch von AWS und verweist auf eine wachsende Nachfrage. Die Lage des Rhein-Main-Gebiets bietet für AWS einen entscheidenden Vorteil. "Es ist relativ zentral in Deutschland einerseits, was für den deutschen Markt wichtig ist. Aber auch für andere Nachbarländer ist es ein attraktiver Standort." Europaweit liegt Frankfurt als Standort für Rechenzentren mittlerweile auf Rang zwei hinter London und noch vor Amsterdam.
Digitale Dienstleistungen brauchen Rechenleistung
Auch die japanische Firma NTT Data betreibt im Rhein-Main-Gebiet einige Rechenzentren. "Frankfurt vier" nennen sie ihren größten Campus, der sich allerdings im benachbarten Hattersheim befindet. Die Perspektive eines global agierenden Konzerns macht sich hier bemerkbar. Ein weiterer Standort sei auch bei seinem Unternehmen bereits in Planung, sagt Konstantin Hartmann von NTT.
Wirtschaftsprofessor Volker Wieland von der Frankfurter Goethe-Universität ist über die Entwicklung nicht verwundert. Ohne Rechenzentren seien schon Videoanrufe oder Binge-Watching von Serien nicht möglich. "Ohne Rechenzentren keine Digitalisierung." Diese Infrastruktur sei auch wichtiger als etwa die Frage, ob man nun Glasfaserkabel habe oder nicht.
Deutsche Behörden als Kunden
Dass Deutschlands Ämter auf digitale Leistungen umstellen, ist per Gesetz beschlossen. Aber auch für diese digitalen Dienstleistungen braucht es als Grundlage erstmal ein Rechenzentrum. So gehören die Behörden zu den wichtigsten Kunden von NTT Data. Für die Bürger seien das am Ende relativ "einfache Prozesse der digitalen Infrastruktur", meint Konstantin Hartmann. Einfache Prozesse, die im Hintergrund eine große Rechenleistung brauchen.
Außer dem Staat brauchen natürlich auch die Unternehmen immer mehr Kapazitäten im Rechenzentrum. Dabei geht es oft auch um Teilleistungen, einige Server und nicht ein komplettes Gebäude voller Rechner. Auf diese Nachfrage hat sich zum Beispiel die Firma firstcolo spezialisiert. Ihr Rechenzentrum steht im Frankfurter Ostend und ist viel kleiner als die von AWS oder NTT. "Wir vermieten im Prinzip einzelne Serverschränke", erklärt Jerome Evans von firstcolo.
Ein Unternehmen mietet also einen Teil der Infrastruktur des Anbieters an und greift damit auf Teile der verfügbaren Rechenleistung zu. Gleichzeitig wird weitere wichtige Infrastruktur wie Klimatisierung und Energieversorgung bereitgestellt. Zu den Kunden gehören unterschiedlichste Firmen wie etwa die Online-Plattform Shop Apotheke. "Wenn ein Kunde beispielsweise sein E-Rezept einlöst, bei der lokalen Apotheke, dann wird es hier über die Server-Infrastruktur verarbeitet", so Jerome Evans.
Wichtiger Teil der Wertschöpfungskette
Laut Hessischem Ministerium für Digitalisierung und Innovation setzt der Wirtschaftszweig der Rechenzentren bereits heute knapp 40 Milliarden Euro um. Im Vergleich vielleicht nicht viel, aber eine Zahl, die man einordnen muss, sagt Volker Wieland. "Wir haben viele Banken und Finanzdienstleister. Und die hängen natürlich davon ab. Das heißt, es ist nicht allein der Umsatz, der entsteht, wenn Unternehmen bei Rechenzentren Speicherplatz oder Rechenkapazität buchen." Eine Menge Wirtschaftsleistung entstehe sozusagen danach und baue trotzdem auf den Leistungen eines Rechenzentrums auf.
Der Boom bringt aber auch eine Verantwortung mit sich. Denn Rechenzentren verbrauchen enorm viel Energie, da die Temperatur in den Serverräumen stetig konstant gehalten werden muss. Die Kühlung ist also das Hauptproblem. Schon 2022 verbrauchten Rechenzentren in Deutschland 17,9 Milliarden Kilowattstunden Strom. Zum Vergleich: Die Stadt Berlin hatte einen Stromverbrauch von 12,1 Milliarden Kilowattstunden. Heute liegt der Bedarf der Rechenzentren noch deutlich höher. Die Anbieter versuchen dagegen zu arbeiten.
Firstcolo etwa kühlt nur dort, wo es absolut notwendig ist, im direkten Bereich der Server. Daneben gibt es dann den sogenannten Warmgang, der nicht extra gekühlt wird. Und auch die Wärme, die die Server selbst erzeugen, lässt sich nutzen. NTT Data baut gerade mit Stromanbieter Mainova eine solche Anlage in Hattersheim. Die Abwärme soll vom Provider des Rechenzentrums ans Wärmenetz übergeben werden. Schon in diesem Winter können damit dann Wohnungen in der Umgebung beheizt werden. Rechenzentren sind aus unserem Alltag ohnehin längst nicht mehr wegzudenken.