SPD-Vorstoß zu Elektroautos Sind E-Autos wirklich umweltfreundlicher?
Martin Schulz hat mit seiner Forderung einer Quote für E-Autos für Schlagzeilen gesorgt. Wie sinnvoll ist so eine Quote? Und sind Elektro-Autos tatsächlich umweltfreundlicher als solche mit Verbrennungsmotor? Ein Überblick.
Eine verbindliche E-Mobilitätsquote für ganz Europa soll nach dem Willen von Martin Schulz den Anteil von E-Autos deutlich erhöhen. Im Rahmen eines Fünf-Punkte-Plans für den Automobilstandort Deutschland hat der SPD-Kanzlerkandidat diese Forderung in die Debatte eingebracht. Damit will er der "Vertrauenskrise" durch den Dieselskandal und der "Kultur des Täuschens, Tricksens und Tarnens" in der Automobilbranche begegnen.
Die Debatte ist nicht neu, die geforderte Quote umstritten: Umwelt- und Wirtschaftsministerium - beide SPD-geführt - zeigen sich offen für eine verpflichtende Regelung, das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium hingegen lehnt sie ab. Und auch die EU-Kommission will laut eigener Aussage schadstoffarme Autos fördern, plant jedoch keine Quotenregelung.
"Besser: Null-Emissionsquote"
Und auch Experten beurteilen eine solche Quote kritisch: "Grundsätzlich geht das in die richtige Richtung, aber sinnvoller wäre stattdessen eine Null-Emissionsquote einzuführen", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive an der Fachhochschule Bergisch-Gladbach. Zwar liefe das nach momentanem Stand der Technik de facto auf eine E-Auto-Quote hinaus, doch "man sollte der Industrie schon die Freiheit lassen, ihren eigenen Weg zu gehen". Alle Technologien in Richtung CO2-freier Straßenverkehr seien begrüßenswert.
Ohnehin könne die Autoindustrie solchen Quoten nicht entkommen, so Bratzel im Gespräch mit tagesschau.de. "In China ist eine solche Quote in Planung, in Kalifornien gibt es sie bereits." Beides sind Absatzmärkte für deutsche Autohersteller. Auch ARD-Umweltexperte Werner Eckert hält eine Quote allein nicht für zielführend: "Meine Sorge bei geplanten Quoten ist immer, dass sie auch dazu dienen können, Dinge auf die lange Bank zu schieben." Das Problem: Die Autoindustrie in Deutschland sei systemrelevant. "Wenn die Quote am Ende nicht eingehalten wird, möchte ich den Politiker sehen, der dann sagt: Ihr dürft keine Autos mehr verkaufen."
Auch E-Autos umstritten
Doch nicht nur die Quote ist umstritten, auch die Elektromobilität selbst ist alles andere als ein Heilsbringer. Denn die Ökobilanz von Elektroautos ist momentan noch gar nicht so viel besser als die konventioneller Autos. In der Herstellung brauchen E-Autos beispielsweise deutlich mehr Energie als Autos mit Verbrennungsmotoren - mal ganz davon abgesehen, dass die in E-Mobilen verbauten seltenen Rohstoffe wie Kobalt und Lithium zum Teil in politisch instabilen Regionen wie dem Kongo abgebaut werden.
Die Frage der Umweltbilanz des E-Autos insgesamt ist nicht leicht zu beantworten. Verschiedene Erhebungen kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart hat errechnet, dass E-Mobile ihre Umweltvorteile ab 80.000 Kilometer ausgespielt haben. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) rechnet vor, dass sich über die gesamte Lebensdauer gegenüber einem Diesel-Fahrzeug nur ein verringerter CO2-Ausstoß von rund fünf Prozent ergibt. Gegenüber Benzinern liege der Vorteil von E-Autos immerhin bei etwa 20 Prozent weniger Treibhausgas.
ARD-Umweltexperte Eckert rät daher dazu, solche Bilanzen nicht absolut zu setzen. Bei der komplexen Materie gebe es viele Unsicherheitsfaktoren: "Ein Verbrennungsauto muss beispielsweise viel öfter in die Werkstatt, weil es hier mehr Verschleißteile gibt, das wird oft nicht einberechnet, bedeutet aber auch wieder erhöhten Energieaufwand." Am Ende kämen aber alle wichtigen aktuellen Studien zu dem Schluss, dass die Ökobilanz des E-Mobils bereits jetzt positiver sei als beim konventionellen Auto.
Richtig effizient bei 100 Prozent Ökostrom
Viel besser sieht die Ökobilanz allerdings aus, wenn die E-Autos zu 100 Prozent mit Ökostrom fahren. Verglichen mit einem herkömmlichen Fahrzeug liegt der Vorteil eines E-Autos mit 100 Kilometern Reichweite laut Ifeu bei 74 Prozent. Und diese Kurve dürfte in der Zukunft immer weiter nach oben gehen, denn die Forschung schreitet rasant voran. Insbesondere die Batterien dürften rasch sehr viel effizienter werden und auch mit weniger seltenen Rohstoffen auskommen. Dann würden sie nicht nur günstiger, sondern auch in der Produktion umweltfreundlicher.
Es bleiben jedoch viele praktische Probleme: Noch haben Elektroautos eine vergleichsweise geringe Reichweite. "Mit einem voll aufgeladenen BMW i3 kam man bis vor kurzem im Schnitt 160 Kilometer weit, inzwischen sind es knapp 300", sagt Autoexperte Bratzel. Deutsche Autofahrer sind jedoch gewohnt, mit einer Tankfüllung 600 bis 900 Kilometer weit fahren zu können. Das ist einer der Gründe, warum das Elektroauto in der Bevölkerung noch nicht besonders beliebt ist.
Die Reichweite der Stromladung ist noch zu gering und es fehlt an Ladestationen.
Es fehlt an Ladestationen
Hinzu kommt: Die Infrastruktur für Ladestationen ist in Deutschland noch nicht sehr weit vorangeschritten. Zum Jahresbeginn gab es gerade einmal gut 7400 öffentliche Ladepunkte an 3200 Ladestationen, die oft zwei Ladepunkte haben. Schwerpunkt sind Großstädte und Ballungsräume. Oft funktionieren einzelne Stationen nicht, die Hersteller verwenden unterschiedliche Ladesysteme, die Kosten variieren sehr stark. All diese Unsicherheiten schrecken Verbraucher vom Kauf eines Elektroautos ab. Mal ganz davon abgesehen, dass es in der Anschaffung nach wie vor teurer ist als ein vergleichbares konventionelles Auto.
Diesen Problemen beim Ausbau der Infrastruktur will Umweltexperte Eckert aber nicht allzuviel Bedeutung beimessen. "Es ist das Henne-Ei-Problem: Die Hersteller sagen, wir verkaufen keine Autos, weil die Ladestationen fehlen und die Stromanbieter und Stadtwerke sagen, wir bauen kein Ladenetz auf, weil es zu wenige Elektroautos gibt." Wenn der Wille zum Ausbau aber da sei, ginge das im Zweifel ganz schnell. "Wir haben schließlich überall Stromleitungen, die grundsätzliche Infrastruktur ist ja da", sagt Eckert im Gespräch mit tagesschau.de.
Und auch Stefan Bratzel ist sich sicher: "Das Thema wird durch die Dieselkrise, die CO2-Ziele und China in den nächsten Jahren eine hohe Dynamik gewinnen." Die deutschen Hersteller seien dabei, ihre Rückstände aufzuholen. "Anfang der 2020er Jahre wird dann auch das Angebotsproblem zunehmend beseitigt und Fahrzeuge mit entsprechender Reichweite werden verfügbar sein."