Neue Angebotssorgen Europäischer Gaspreis zieht wieder an
Kommt es bei Flüssigerdgas-Lieferanten zu Lieferausfällen? Solche Befürchtungen haben den europäischen Gaspreis zu Wochenbeginn in die Höhe schnellen lassen. Vom Niveau im Sommer 2022 ist er aber weit entfernt.
Angebotssorgen haben den Preis für europäisches Erdgas zum Wochenbeginn in die Höhe getrieben. Am Morgen wurde der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat an der Börse in Amsterdam zu 40,41 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt. Das sind elf Prozent mehr als am Freitag. Zwischenzeitlich war der Preis um fast 18 Prozent in die Höhe geschnellt - auf den höchsten Stand seit knapp zwei Wochen.
Probleme bei LNG-Lieferanten Australien und Norwegen
Als Grund für den Preissprung gilt die Nachricht, dass sich die Beschäftigten einer Anlage für Flüssiggas (LNG) in Australien auf einen Streik vorbereiten, falls bei Lohnverhandlungen am kommenden Mittwoch keine Einigung erzielt wird. Der Arbeitskampf könnte am 2. September beginnen. Eine mögliche Unterbrechung von Lieferungen aus Australien, die zehn Prozent der weltweiten LNG-Exporte betreffen könnten, hielt die europäischen Händler bereits in Atem.
Zuletzt hatte Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank darauf hingewiesen, dass kurzfristig auch aus Norwegen weniger Erdgas an den Markt gelangen könnte. Dort seien Ende des Monats weitere Wartungsarbeiten in einem wichtigen Gasfeld erforderlich. Die Schwankungen am europäischen Gasmarkt dürften daher trotz gut gefüllter Erdgasspeicher vorerst hoch bleiben.
Der Füllstand in allen deutschen Speichern betrug laut jüngsten Daten des europäischen Speicherverbandes GIE am 19. August 92,74 Prozent. Die Gasreserven werden seit Monaten aufgefüllt und liegen deutlich über dem Vergleichswert des Vorjahres. Ursachen für den höheren Stand sind unter anderem Importe von Flüssiggas.
Abhängigkeit von Russland stark reduziert
Der Preis für europäisches Erdgas liegt dennoch weiter deutlich unter dem Niveau, das er kurz vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 hatte. In der Spitze wurde im vergangenen Sommer ein Rekordpreis von bis zu 345 Euro je MWh gezahlt. Damals hatte besonders der Stopp russischer Gaslieferungen Ängste vor einer Energiekrise geschürt.
Deutschland und Europa insgesamt hatten in der Folge die Abhängigkeit von russischem Gas stark reduziert. Im Jahr 2021 betrug der Anteil des Landes an der europäischen Gasversorgung noch rund 40 Prozent. Heute ist es erheblich weniger. Um das Gas aus Russland zu ersetzen, hat sich die EU verstärkt weltweiten Lieferanten von LNG zugewandt.
Gas wird nach Ende der Preisbremsen wieder teurer
Um die Verbraucherinnen und Verbraucher bei den hohen Kosten zu entlasten, hatte die Bundesregierung zu Jahresbeginn die Energiepreisbremsen eingeführt. Nach jetzigem Stand laufen die staatlichen Instrumente jedoch zum Jahresende aus. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich Ende Juli für eine Verlängerung der Strom- und Gaspreisbremsen bis Ostern 2024 ausgesprochen.
Noch ist das aber nicht der Fall. Sollten die Energiepreisbremsen tatsächlich wegfallen, würde Gas im Durchschnitt wieder deutlich teurer werden. Dies geht aus Berechnungen des Vergleichsportals Verivox hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Demnach würden die durchschnittlichen Gaskosten im Jahr bei einem Verbrauch 20.000 Kilowattstunden von derzeit 2.201 Euro um 173 Euro auf 2.374 Euro zulegen - ein Anstieg um 7,9 Prozent. Werden nur Grundversorgungstarife betrachtet, ist der Anstieg noch einmal höher.
Verbraucherzentralen empfehlen Anbieterwechsel
Allerdings haben Haushalte häufig die Möglichkeit, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln - mit Tarifen, die unterhalb der Preisbremsen liegen. "Die Preise bei Strom und Gas sinken gerade bei neuen Verträgen", sagte die Leiterin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Ramona Pop, der Funke-Mediengruppe. Jedoch hätten mehr als 80 Prozent der Haushalte in einer Befragung angegeben, dass sie in diesem Jahr bislang nicht gewechselt seien und das auch nicht geplant hätten.
"Sie geben unter anderem an, mit ihrem Anbieter zufrieden zu sein oder den Preis akzeptabel zu finden", so Pop. Viele seien inzwischen vorsichtig und blieben sicherheitshalber bei ihrem Anbieter. "In der Hochkrisenzeit gab es Anbieter, die Verbrauchern einfach von einem Tag auf den anderen gekündigt haben. Wir würden aber trotzdem raten, sich umzuschauen, ob es nicht vielleicht doch günstigere Anbieter gibt. Wichtig ist zu schauen, ob der neue Anbieter auch seriös ist", sagte die Verbraucherschützerin.
Eine Verlängerung der Preisbremsen würde nach Einschätzung von Verivox in erster Linie für ein subjektives Gefühl der Sicherheit sorgen. Neukundentarife seien bereits wieder so günstig wie vor der Energiekrise, stellte das Portal heraus. Eine Kilowattstunde Gas für Neukunden kostet laut Verivox derzeit im Schnitt 9,1 Cent. Demgegenüber deckelt die Preisbremse den Gaspreis bei 12 Cent je Kilowattstunde.