Ausbau der Offshore-Windkraft Gelber Koloss für die Energiewende
Im spanischen Cádiz wird an Offshore-Anlagen für die Nordsee gebaut. Das ist seit Kriegsbeginn wirtschaftlich schwieriger, doch politisch ist klar: Der Ausbau soll schneller gehen.
Grünes Meer, tiefblauer Himmel - und ein gelber Stahlkoloss: 70 Meter lang, 30 Meter hoch und 11.000 Tonnen schwer. Seit drei Jahren baut ein deutsch-spanisches Team in der Werft von Cádiz im Süden des Landes an der Windstrom-Umspannplattform "DolWin kappa", die für die deutsche Nordsee bestimmt ist.
Das Herz schlägt noch nicht
Auf acht Etagen sind Hallen und Kammern verteilt, vollgepackt mit Transformatoren, Isolatoren, Rohren, Kabelsträngen und Gestänge. Der Projektleiter des Netzbetreibers Tennet, Daniel Birkenstock, zeigt einen Gang mit Schaltschränken auf beiden Seiten: "Das ist das Gehirn der Anlage. Das sind Kontrollschränke mit IT-Equipment, die alle Komponenten steuern. Dafür sind auf der Plattform 500 000 Meter Kabel verlegt worden."
Aber besonders wichtig ist das eine Kabel mit 90 Kilometern Länge, das in anderthalb Jahren Strom vom Windpark Godewind 3 vor Norderney verlustarm an die Küste bringen soll - ins Umspannwerk Emden-Ost. Die Plattform "DolWin kappa" wandelt dafür Wechselstrom aus den Windturbinen mit einer Spannung von 155 Kilovolt (kV) in Gleichstrom mit 320 kV um.
Das geschieht in meterhohen Konvertertürmen, die Tennet-Projektleiter als das "Herz der Plattform" beschreibt. Sobald dieses Herz schlägt, werden die entsprechenden Räume der Plattform streng abgesichert: "Sie sind auf Luftisolation ausgelegt - das heißt, während des laufenden Betriebes kann man diesen Raum nicht betreten. Man würde einen elektrischen Überschlag auslösen mit 360 kV. Da würde man sterben."
Ukraine-Krieg lässt Preise steigen
Die Konvertertechnologie kommt aus Nürnberg von Siemens Energy, die spanische Firma Dragados baut und installiert die Plattform - diese Teamarbeit musste sich erst einspielen, sagt Dragados-Vizepräsidentin Cristina Sanz: "Wir kooperieren mit unserem Partner Siemens in einem Team von Spaniern und Deutschen mit verschiedenen Fachgebieten. Wir mussten unsere Arbeitsweise anpassen. Das war am Anfang schwieriger, bis wir verstanden, was sie von uns brauchten und was wir beitragen konnten, und nach dieser ersten Phase der Eingewöhnung arbeiten wir sehr gut zusammen."
Aber die Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges erschweren die gemeinsame Arbeit im Süden Spaniens. Baumaterial ist knapp; Stahl, Kupfer und Energie sind teurer geworden. Die Industrie müsse ihre Gewinnmargen überdenken, sagt das zuständige Siemens-Energy-Vorstandsmitglied Tim Holt: "Am Ende wird es auch auf Verbraucher durchschlagen. Das ist eine Realität, die wir alle akzeptieren müssen."
Netzausbau entscheidend
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind durch den Ukraine-Krieg schwieriger geworden; politisch hat er die Windkraft nach Ansicht von Siemens-Energy-Vorstandsmitglied Holt und Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens sogar vorangebracht. Die Ampelkoalition hat ehrgeizige Ziele gesetzt: In den kommenden acht Jahren will sie die Windkraft auf See um mehr als das Dreifache ausbauen.
Diese Vorgaben sind umso ambitionierter, als im vergangen Jahr keine einzige Offshore-Windkraftanlage ans Netz ging. Tennet-Geschäftsführer Meyerjürgens hofft auf stärkeren politischen Rückenwind: "Nur Ziele setzen reicht nicht, sondern wir müssen tatsächlich Genehmigungsverfahren beschleunigen. Das Osterpaket der Bundesregierung fokussiert sich stark auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wir müssen im zweiten Paket im Sommer den Netzausbau in den Fokus nehmen." Denn der Netzausbau sei am Ende das Rückgrat der Energiewende, sagt Meyerjürgens: "Wenn wir den Netzausbau nicht beschleunigen, werden wir die Ziele nicht erreichen."
Gewappnet für die "Jahrhundertwelle"
Der Bau der Umspannplattform "DolWin kappa" ist ein Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. In einem Vierteljahr soll sie von Càdiz in die Nordsee verschifft werden. Vor Norderney wird ein Spezialschiff erst den Unterbau im Meeresboden verankern und dann die Plattform daraufsetzen.
Noch steht auch der Unterbau in der Werft in Cádiz. Das Stahltragwerk ist 40 Meter hoch - und zwar aus gutem Grund, sagt Tennet-Projektleiter Birkenstock: "Wir haben als Design-Basis die sogenannte Hundertjahreswelle, das ist eine Welle, die mit einer Wahrscheinlichkeit von einmal in hundert Jahren kommt, und die muss die Plattform ohne Probleme überstehen können, sodass wir am Ende mit der Plattform 22 Meter über dem Wasserspiegel sind." Die Oberkante der Plattform wird sogar gut 50 Meter über dem Wasser liegen, doppelt so hoch wie das Brandenburger Tor.
In anderthalb Jahren geht die Anlage in Betrieb. Zusammen mit zwei weiteren Windparks wird sie ab 2026 Strom für rund eine Million Haushalte liefern.