Polen Die Rückkehr der Braunkohle
In der Energiekrise erlaubt die polnische Regierung Privathaushalten wieder das Heizen mit Braunkohle. Die ist zwar umweltschädlicher als Steinkohle, kostet aber nur etwa ein Zwanzigstel.
Es stinkt. Der Rauch ist schwarz und zieht in Schwaden über die Dächer in den Dörfern. Noch sind die Temperaturen herbstlich mild, aber schon zu Beginn der Heizsaison steigen aus polnischen Schornsteinen die ersten Anzeichen für das, was dem Land im Winter droht. Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, hatte es auf Wahlkampftour angekündigt:
Man muss jetzt alles verheizen, naja, vielleicht alles außer alten Reifen, denn das gibt es ja leider auch bei uns. Also nichts mit schädlichen Stoffen, aber: Polen muss geheizt werden.
Verbot ohne Umschweife kassiert
Alles außer alten Reifen: Das ist beim Publikum hängen geblieben von Kaczynskis Auftritt in Nowy Targ, einer Kleinstadt unweit von Krakau, wo Bürgerinitiativen zuletzt erfolgreich gemeinsam mit einem städtischen Förderprogramm den Smog bekämpft hatten.
Jahrelang wurden im Kohlenland Polen die höchsten Feinstaubbelastungen in ganz Europa gemessen. Krakau, mit vielen Altbauten und im Talkessel gelegen, war besonders betroffen und hatte deshalb 2019 das Verheizen von Kohle und Holz verboten. Aber auch anderswo im Land war zumindest minderwertige Kohle untersagt - teils sogar bei Androhung von Haftstrafen.
Alles vorbei: Das Verbot ist für diesen Winter ausgesetzt, per Gesetzesänderung ohne große Debatte. In der Energiekrise gehe Heizen vor, lautet die Sicht der Regierung. "Gemeinsam mit dem Premierminister haben wir beschlossen, dass Kohle aus den polnischen Bergwerken [...], die bisher direkt an die Kraftwerke geliefert wurde, erstmal durchgesiebt wird", erklärte Vizepremierminister Jacek Sasin unlängst. "So bringen wir zusätzliche Kohle für Privatkunden auf den Markt, bis Ende des Jahres über 4,5 Millionen Tonnen."
"Das ist eine ganz schlechte Idee"
Gemeint ist Braunkohle. Sie ist einige Millionen Jahre jünger als Steinkohle und wurde bisher nicht an Privathaushalte verkauft - aufgrund ihres hohen Schwefel- und Quecksilbergehalts, aber auch, weil die feuchte Kohle in haushaltsüblichen Öfen schlechter verbrennt. Schon jetzt wird ein Teil der Kohle ausgesiebt und kann seit Mitte Oktober zum Beispiel direkt bei den polnischen Bergwerke Turów und Bełchatów gekauft werden.
Der Grund dafür findet sich auf dem Kassenzettel: Während eine Tonne Steinkohle umgerechnet um die 800 Euro kosten kann, gibt es die gleiche Menge Braunkohle für gut 40 Euro. Das rechnet sich, selbst wenn man drei Mal so viel verheizen muss, um auf denselben Brennwert zu kommen.
Die Kraftwerke, die bisher Hauptabnehmer der Braunkohle waren, haben allerdings Filteranlagen - Privathäuser nicht. "Braunkohle ist die emmissionsreichste und schmutzigste Kohle, die wir verbrennen können - wobei nicht mal das klar ist, weil viele Öfen dafür gar nicht geeignet sind", sagt Weronika Michalak von der Gesundheits-NGO HEAL Polska. "Das sind krebserregende Substanzen, Schwefeloxid, Schwermetallbestandteile. Und wir werden das alles einatmen", warnt sie. Das sei eine ganz schlechte Idee, gerade für die Gesundheit von Kindern und alten Menschen. "Sie vergiften unsere Umwelt für Jahre oder gar Jahrzehnte."
Jaroslaw Kaczynski ist da weniger beunruhigt. Braunkohle sei doch auch bisher schon verbrannt worden, eben in den Kraftwerken. Und die Menschen dort, sagt der PiS-Chef bei einem anderen Wahlkampfauftritt, leben doch auch irgendwie.