UN-Bericht zum Bausektor Wie das Städtewachstum zum Klimawandel beiträgt
Das rasante Wachstum von Städten weltweit kurbelt den Klimawandel an, denn die Baubranche stößt große Mengen Treibhausgase aus. Ein UN-Bericht entwirft eine Vision, wie es anders gehen könnte.
Der Bausektor könnte einem Bericht zufolge bis 2050 weltweit klimaneutral werden. Möglich sei dies, wenn Material gespart, Baustoffe wie Beton und Stahl klimafreundlicher hergestellt und zudem mehr nachwachsende Rohstoffe genutzt würden. Das betont ein am Dienstag veröffentlichter Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) und des Zentrums für Ökosysteme und Architektur (CEA) der US-Universität Yale.
Danach entstehen weltweit so viele neue Gebäude, dass rechnerisch alle fünf Tage eine Stadt von der Größe der französischen Hauptstadt Paris hinzukommt. Der Bausektor sei derzeit insgesamt für 37 Prozent der CO2-Ausstoßes verantwortlich. Bis 2060 soll sich die Bodenfläche ebenso wie die Verwendung von Rohstoffen nach Schätzungen so gut wie verdoppeln.
Es braucht die richtigen Vorgaben und Anreize
"Bis vor Kurzem wurden die meisten Gebäude aus lokal gewonnener Erde, Stein, Holz und Bambus gebaut. Doch moderne Materialien wie Beton und Stahl vermitteln oft nur die Illusion von Dauerhaftigkeit, landen meist auf Mülldeponien und tragen zur wachsenden Klimakrise bei", erklärte die Direktorin der UNEP-Abteilung Industrie und Wirtschaft, Sheila Aggarwal-Khan. "Netto-Null-Emissionen im Baugewerbe sind bis 2050 erreichbar, wenn die Regierungen die richtigen politischen Maßnahmen, Anreize und Vorschriften schaffen, um die Branche zum Handeln zu bewegen."
Der Ansatz der Expertinnen und Experten sieht vor, Neubauten möglichst zu vermeiden und die Wiederverwendung von Bausubstanzen zu fördern, biologische Rohstoffe wie Nutzholz, Bambus und Biomasse aus nachhaltiger Herkunft zu verwenden und Baustoffe wie Beton, Stahl oder Glas klimafreundlicher zu produzieren, etwa durch den Gebrauch Erneuerbarer Energien bei der Herstellung sowie durch Recycling und innovative Technologien.
Mehr Umbau statt Neubau
Bislang fokussiere sich der Ansatz zur CO2-Vermeidung bei Gebäuden hauptsächlich auf ihre Funktion, nachdem sie bereits gebaut seien - etwa beim Heizen, Kühlen oder Beleuchten. Doch während der CO2-Ausstoß dort dank Erneuerbarer Energien absehbar zurückgehen werde, wachse er durch die Bautätigkeit rasant an. Für aufstrebende Länder sei es daher umso wichtiger, dass sie die nicht nachhaltigen Bautechnologien des vergangenen Jahrhunderts überspringen, betonen die Studienautoren. Industrieländer sollten stärker auf die Umnutzung bestehender Gebäude und Wiederverwendung statt auf Abriss und Neubau setzen.
Schon vor dem Bau könne geplant werden, wie sich ein Gebäude wieder auseinandernehmen und die Elemente anschließend weiterverwenden ließen. Würden gar Baumaterialien genutzt, die selbst Kohlendioxid speicherten, könnten Gebäude danach in Zukunft sogar CO2-negativ werden - also rechnerisch in ihrer Entstehung insgesamt mehr Treibhausgase einsparen als ausstoßen. Auch Holz und Bambus hätten bereits einen deutlichen Effekt, da sie im Laufe ihres Wachstums Kohlendioxid zu Biomasse umwandelten und damit selbst CO2-Speicher seien.
Nachhaltige Baumaterialien und Herstellung
Die Nutzung von Biomaterialien wie Holz und Bambus und landwirtschaftlichen Nebenprodukten sei möglicherweise "unsere beste Hoffnung auf eine radikale Dekarbonisierung", meinen die Autoren. Die Verlagerung hin zu biobasierten Baustoffen könne zu Einsparungen in diesem Sektor von bis zu 40 Prozent des CO2-Ausstoßes bis 2050 in vielen Regionen führen, selbst im Vergleich zu Einsparungen durch eine emissionsarme Herstellung von Beton und Stahl.
Allein die drei Materialien Beton, Stahl und Aluminium seien für fast ein Viertel (23 Prozent) der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Betongebrauch habe sich in den vergangenen 65 Jahren verzehnfacht, heißt es weiter. Im Jahr 2020 wurden weltweit 4,3 Milliarden Tonnen Zement produziert, dem wichtigsten Bestandteil von Beton.
Um bis 2060 Klimaneutralität bei Beton zu erhalten, müsse der gewöhnliche Portlandzement durch regional verfügbare Alternativen aus Nebenprodukten von Landwirtschaft, Forst oder Industrie ersetzt werden. Jährlich würden Schätzungen zufolge 140 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Biomasse als Abfallprodukte entstehen und auf Müllhalden landen oder zur Energiegewinnung verbrannt. Dies sei eine Verschwendung einer Bauressource, die zur CO2-Speicherung beitragen könnte, argumentieren die Experten.