EU-Gipfel in Brüssel Auf der Suche nach dem Masterplan
Die Währungsunion soll repariert werden. Ideen gibt es viele, klar ist noch nichts. EU-Ratspräsident Van Rompuy legt heute auf dem Gipfel einen Zwischenbericht vor, Entscheidungen sollen im Dezember fallen. Deutschland setzt dabei auf Zuckerbrot und Peitsche: Die Aufsicht über die Haushalte und die Wirtschaftspolitik sollen verschärft werden, im Gegenzug gibt es finanzielle Anreize für Reformen.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Das Papier, über das sich die Staats- und Regierungschefs heute Abend beugen werden, trägt den vielversprechenden Titel: "Auf dem Wege zu einer echten Währungsunion". Was immerhin schon mal von der Erkenntnis zeugt, dass die real existierende Währungsunion gar keine richtige Währungsunion ist.
Geschrieben hat das Papier EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Er ist dafür wochenlang durch die Hauptstädte getourt und hat sich mit den Präsidenten der anderen europäischen Institutionen zusammengesetzt. Was er zusammentragen konnte, ist eher eine lose Ideensammlung, die vor allem durch eines besticht: echte Unverbindlichkeit. Ein Masterplan sieht anders aus.
Van Rompuys Problem: Er musste den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, und der ist offensichtlich über die erstaunlich panikfreie Sommerzeit beträchtlich zusammengeschnurrt. Man muss schon die Lupe nehmen, um die wirklich interessanten Reformideen zu entziffern. Die eine versteckt sich in dem Begriff fiskalische Kapazität der Eurozone. Gemeint ist ein eigener Haushalt für die 17 Eurostaaten. Wie man hört, stammt die Idee aus Berlin.
Überbrückungshilfe soll Reformen anschieben
Der Chef der Unionsabgeordneten im Europa-Parlament, Herbert Reul, ist denn auch klar dafür: "Ich halte das für eine kluge Idee, sich ein Instrument zu schaffen, mit dem man den Staaten helfen kann, die in Schwierigkeiten sind. Wir könnten damit Solidarität organisieren, wirkliche, pragmatische Hilfe."
Gedacht ist eine Art Anreizsystem: Staaten, die sinnvolle Reformen anpacken, bekommen eine Überbrückungshilfe. Denn es dauert bis Reformen greifen, und anfangs können sie die Lage sogar noch verschärfen. Da könnte man zum Beispiel Ausbildungsprogramme für arbeitslos gewordene Jugendliche aus dem neuen europäischen Topf finanzieren. Natürlich soll dabei gelten: keine Leistung ohne Gegenleistung.
"Die Idee, die dahinter steckt, heißt ja: Wir machen Verträge mit einzelnen Staaten, in denen festgelegt wird, was sie an Bedingungen erfüllen müssen und was sie dafür an Finanzmitteln bekommen", sagte Reul. Schon jetzt gibt die EU-Kommission den Eurostaaten jedes Jahr Reformempfehlungen, die sie eigentlich umsetzen sollen. Aber so richtig schert sich keiner darum. Nun könnten die Empfehlungen zu regelrechten Verträgen aufgewertet werden. Der Brüsseler Politologe Janis Emmanouilidis sagt: "Man würde hier mit der 'Karotte' arbeiten, also mit einem Bonus, den man bekäme, wenn man umsetzt, was man vereinbart hat, und was vielleicht schwierig ist."
Bis zu 300 Milliarden Euro im Jahr?
Aber noch ist so ziemlich alles unklar: Woher das Geld kommen soll, wofür genau es eingesetzt werden soll und vor allem, um welche Beträge es da gehen soll. Guntram Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel will da klotzen und nicht kleckern: "Ich würde sagen, man braucht sicherlich drei, vier, fünf Prozent des Eurozonen-Bruttoinlandproduktes. Das wären 200 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr."
An solche Summen denken die Ideengeber in Berlin natürlich nicht. Eher an 20 bis 30 Milliarden Euro. Allerdings gibt es da Grenzen nach unten, warnt Emmanouilidis: "Wenn man ein Eurobudget einführen würde ohne ausreichende Mittel, dann würde der Schuss nach hinten losgehen. Denn das hätte genau den Effekt, dass der Eindruck entsteht, man versucht hier, ein Feigenblatt aufzubauen."
Hollande bewirbt die Eurobonds
Mit dem Feigenblatt spielt der Brüsseler Politologe auf das politische Kalkül der Bundesregierung an: Mit dem Eurozonenbudget will man die leidige Diskussion einer Vergemeinschaftung der Schulden loswerden. Was noch nicht so richtig aufgeht. Pünktlich zum Gipfel hat Frankreichs Präsident François Hollande das Thema Eurobonds wieder ganz nach vorn gerückt.
Trotz aller Unklarheiten: Der Ökonom Guntram Wolff sieht in der Diskussion um die fiskalische Kapazität und die Reformverträge einen großen Fortschritt: "Wir haben doch sehr lange hier und da Reformen gemacht, aber eben noch nicht die großen, fundamentalen Systemprobleme des Euro angegangen. Und jetzt werden diese Themen zumindest diskutiert."
Zur Karotte kommt die Peitsche
Bundesfinanzminister Schäuble ist da wohl weniger optimistisch. Genervt von dem erlahmenden Reformeifer und dem substanzarmen Van Rompuy-Papier hat er vor dem Gipfel schnell noch einmal die Idee eines mächtigen Sparkommissars in den Ring geworfen. Der EU-Währungskommissar solle doch so aufgewertet werden, dass er nationale Haushalte, die gegen die Schuldenregeln verstoßen, blockieren kann. Und so gesellt sich zur angebotenen Karotte denn auch wieder die Peitsche.
Ergebnisse wird es heute noch nicht geben. Die haben die Euro-Spitzenpolitiker für den Dezember versprochen.