EU-Gipfel in Brüssel Deutsch-französisches Kräftemessen
Deutschland und Frankreich haben sich beim EU-Gipfel in Brüssel ein Duell von ungewöhnlicher Härte geliefert: Bundeskanzlerin Merkel will verbindlicherer Zusagen für wirtschaftspolitischen Reformen. Frankreichs Präsident Hollande verlangt vor allem eine schnelle Entscheidung für eine Bankenunion.
Deutschland und Frankreich streiten sich sich beim EU-Gipfel um den richtigen Weg aus der Krise. Staatspräsident François Hollande warf Kanzlerin Angela Merkel vor, das Umsetzen alter Gipfelbeschlüsse zur Absicherung der Eurozone zu verzögern. Das betrifft unter anderem die umstrittene Bankenaufsicht.
Hollande lehnte auch den deutschen Vorstoß nach raschen Änderungen des EU-Vertrags zur Stärkung der Eurozone ab. Diese waren von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ins Spiel gebracht worden. "Beenden wir doch erstmal die Ratifizierung und Umsetzung dessen, was wir vereinbart haben", forderte Hollande in Brüssel auf dem zweitägigen Spitzentreffen.
Das Parlament in Paris hatte erst vor wenigen Tagen den europäischen Fiskalpakt gebilligt, der nationale Schuldenbremsen nach deutschem Muster vorsieht. Der Vertrag ist noch nicht von allen Teilnehmerstaaten unter Dach und Fach gebracht. Die 27 Staats- und Regierungschefs berieten stundenlang über den Umbau der Eurozone. Endgültige Beschlüsse soll es allerdings erst im Dezember geben.
Kernstück der Reformen ist die Bankenaufsicht
Kernstück der Reform ist die gemeinsame Aufsicht für 6000 Geldhäuser im Eurogebiet. Der Entwurf der Abschlusserklärung nannte bei der Bankenaufsicht unverändert das Ziel, "die Gesetzgebung bis zum Jahresende abzuschließen".
Die Aufsicht ist die Vorbedingung dafür, dass kriselnde Banken künftig direkt Hilfe aus der Kasse des Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können. Das soll Haushalte von Krisenstaaten entlasten und sie von milliardenschweren Kosten für Bankenpleiten befreien.
Merkel und Hollande trafen sich unmittelbar vor Gipfelbeginn unter vier Augen. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, es gebe bei der Bankenaufsicht keine schweren Meinungsverschiedenheiten mit Paris. Die Entscheidung über die Schaffung der Bankenaufsicht sei bereits beim letzten Gipfel im Juni gefallen. Jetzt gehe es um die weiteren Etappen.
Möglichst bis zum Jahresende sollten die offenen rechtlichen Fragen geklärt werden. Der Auftrag dazu werde an die Finanzminister gegeben. Danach müsse sich auch das EU-Parlament mit dem Thema befassen. Die tatsächliche Errichtung der Bankenaufsicht werde aber länger dauern.
Hollande macht Druck - Merkel bremst
Hollande machte vor Pressevertreten bei der Umsetzung einer Bankaufsicht Druck: "Im Juni haben wir beim Gipfel entschieden, bis zum Jahresende eine Bankenaufsicht umzusetzen." Bundeskanzlerin Merkel hatte mit Blick auf die Bankaufsicht in ihrer Regierungserklärung in Berlin betont, dass Qualität an dieser Stelle vor Schnelligkeit gehen müsse.
Österreichs Kanzler Werner Faymann plädierte für eine Vergemeinschaftung von Schulden und lehnte auch den von der Kanzlerin vorgeschlagenen Topf von zeitlich befristeten und projektbezogenen Geldern ab: "Ich bin gar nicht der Meinung, dass wir zur Stunde so ein Eurozonenbudget brauchen."
Nach Merkels Idee könnte das Budget aus Einnahmen der geplanten Börsensteuer gespeist werden. Der von Schäuble und Merkel geforderte starke Währungskommissar, der ein starkes Durchgriffsrecht gegenüber nationalen Haushalten haben soll, ist ebenfalls umstritten. Merkel sagte, ihr sei bewusst, dass es in vielen Staaten dazu noch keine Bereitschaft gebe. "Das ändert nichts daran, dass wir uns dafür stark machen werden."
Aktuelle Krisen zunächst ausgeklammert
Aktuelle Krisen in Griechenland und Spanien blieben bei dem Spitzentreffen zunächst ausgeklammert. Der Madrider Regierungschef Mariano Rajoy äußerte sich in Brüssel nicht zu Spekulationen, wonach er schon bald neue Hilfen der Euro-Partner beantragen könnte. Dabei ginge es dann um Milliardenzahlungen an den Gesamtstaat - Madrid bekam bereits Unterstützung für seine maroden Banken zugesagt.