Vorwurf des unfairen Wettbewerbs EU sucht die Machtprobe mit Google
Im jahrelangen Streit mit Google scheint die Zeit der Verhandlungen vorbei: Möglicherweise schon heute wird die Kommission dem Internetriesen offiziell unfairen Wettbewerb vorwerfen - und damit den Weg ebnen für ein Verfahren, bei dem es um Milliardenstrafen geht.
Im jahrelangen Streit mit Google scheint die Zeit der Verhandlungen vorbei: Möglicherweise schon heute wird die Kommission dem Internetriesen offiziell unfairen Wettbewerb vorwerfen - und damit den Weg ebnen für ein Verfahren, bei dem es um Milliardenstrafen geht.
Von Andreas Meyer-Feist, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Google - ein Synonym für Suchen. Aber nicht nur. Google bestimmt unser Bild von der Welt, unsere Sicht auf die Dinge. Die Suchmaschine als Machtapparat - eine Macht, die steuert, manipuliert, beeinflusst - nicht immer zum Wohl derjenigen, die etwas suchen, aber eben auch unerlässlich für die Wirtschaft und den Alltag der Bürger. So sehen das jedenfalls viele EU-Abgeordnete, die sich neutrale Angebote wünschen, aber bei Google nicht mehr unbedingt zu finden glauben.
Das wäre kein Problem, wenn es gleichwertige Alternativen gäbe, aber: "Es gibt nichts anderes mehr, was vonseiten der Nutzer so hohe Zugriffszahlen ermöglicht wie Google", sagt Andreas Schwab, Binnenmarktexperte und EU-Abgeordneter. Dabei geht es nicht nur ums Suchen und Finden, sondern um Wettbewerb, Wirtschaft und Werben: "Wenn Sie werben wollen, müssen sie es ja heute via Google machen."
Google - eine "kritische Infrastruktur"
Die Folge der Google-Macht: Sie ist für die EU zu einer sogenannten kritischen Infrastruktur geworden. Soll heißen: "Diese Infrastruktur ist für den Wohlstand in Europa inzwischen absolut essenziell. Der Ausfall hätte für Europa verheerende Folgen." Viel Macht - wenig Kontrolle: Schon deshalb drängen die Abgeordneten seit Jahren auf eine vernünftige Kontrolle. Ob Google mit seiner Allmacht den Wettbewerb unterdrückt, Konkurrenten schadet und nur an den eigenen Profit denkt, wird in Brüssel seit Jahren untersucht. Eher halbherzig - denn die Angst vor der Google-Macht war groß.
Jetzt will sich die EU-Kommission trotzdem gegen Google durchsetzen und Zähne zeigen. Gegen Google könnte jetzt schnell ein formales Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung eingeleitet werden. Dafür müssten die Untersuchungen endlich zum Abschluss gebracht werden. Soweit scheint die EU jetzt zu sein. Google soll gezwungen werden, die europäischen Regeln zum freien Wettbewerb zu beachten.
Der CDU-Europaabgeordnete Schwab spricht von "Suchgerechtigkeit". Zwar war Google der EU schon entgegengekommen, aber nicht soweit, wie sich das die zuständige dänische EU-Kommissarin Margrethe Vestanger wünscht. "Das öffentliche Interesse am Google-Fall ist immer größer geworden, und die Untersuchungen dauern jetzt schon fünf Jahre", sagt sie. Der frühere EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte den Fall Anfang 2014 sogar schon zu den Akten legen wollen, konnte sich damit aber schon in der alten EU-Kommission nicht durchsetzen.
"Die EU-Kommission muss Zähne zeigen"
Getan hat sich danach wenig, erst die neue Juncker-Kommission macht sich für einen Durchbruch im Google-Streit stark. Nicht zuletzt dank des deutschen Internet-Kommissars Günther Oettinger. "Die EU-Kommission muss in sehr absehbaren Tagen zeigen, dass sie Zähne hat", forderte er am Rande der Hannover-Messe. "Wir müssen die Plattformen, die Suchmaschinen, dazu bringen und dazu zwingen, dass sie unsere Regeln in Europa beachten."
Google soll Ergebnisse "wettbewerbskonform" präsentieren
Die Entscheidung liegt aber nicht bei ihm, sondern bei EU-Wettbewerbskommissarin Vestager, die ein formales Verfahren gegen den US-Konzern einleiten kann - und das jetzt wohl auch tun wird. Ziel: Google muss die Ergebnisse seiner Suchmaschine "wettbewerbskonform" präsentieren. Allerdings: Rechtlich einfach ist das nicht. Firmen normaler Größe und ohne Alleinstellungsmerkmal dürfen dazu nicht gezwungen werden, denn das wiederum würde auch dem "freien Wettbewerb" zuwiderlaufen.
Bei Google liegt der Fall nach Einschätzung der EU-Kommission aber ganz anders. Weil ohne Google nichts läuft, muss der Konzern auch mehr Rücksicht auf Konkurrenten nehmen, um Chancenungleichheiten zu vermeiden. Anders als bei Unternehmen, die nicht so mächtig sind. Google dürfe mit seiner Suchmaschine andere Anbieter nicht zurückstellen, ausblenden oder anderweitig benachteiligen. Gemeint sind vor allem Kartendienste, Shoppingportale, Reiseangebote und Medieninhalte.
Zeit der Verhandlungen ist vorbei
Die Zeit der Verhandlungen und des Abwartens scheint jetzt endgültig vorbei zu sein. Und auch die bisher äußerst belastbare Geduld der EU-Kommission mit dem US-Riesen Google, der sich unerschütterlich gibt und bisher geglaubt hat, mit kleinen Schritten und begrenzten Reformangeboten die EU-Kritiker zu besänftigen. Ein Kalkül, das nicht aufgehen dürfte.
In Brüssel zeichnet sich eine noch nie dagewesene Machtprobe ab: Die europäische Politik gegen ein US-Weltunternehmen, an dem Wirtschaft und Bürger kaum noch vorbeikommen. Von dieser Kraftprobe wird es abhängen, ob Googles Suchanzeigen künftig anders aussehen. In der Diskussion: Eine "Rotation" der Ergebnisse. Vor allem auf kleinen Screens (Smartphones) sollen nicht immer die wenigen gleichen Ergebnisse erscheinen - sondern wechseln.
Google zeigte sich bisher wenig begeistert für diese Idee. Aber das Unternehmen wird wohl nicht darum herumkommen, wenn es nicht bessere Ideen präsentiert, die Brüssel zufriedenstellen. Ansonsten drohen Strafen, die Rede ist von sechs Milliarden Euro. Nicht ausgeschlossen ist auch "eine Gesetzgebung über die Frage, wie Suchergebnisse präsentiert werden müssen", ergänzt Binnenmarktexperte Schwab. Bis dahin heißt es: Weitergooglen wie gehabt - auch wenn die besten Ergebnisse vielleicht nicht dabei sind.