Regierungsbildung in Italien Populistenregierung macht EU Sorgen
Das Programm der designierten italienischen Regierung treibt den Nachbarn in der EU die Sorgenfalten auf die Stirn. Wenn sie ihre Pläne wahrmacht, könnte das vor allem für die Eurozone Konsequenzen haben.
Auch wenn er das so natürlich nie sagen würde: EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hätte sich für Italien sicher eine andere Regierung gewünscht. Ausgerechnet jetzt, wo die letzten Ausläufer der Finanzkrise überwunden schienen, stellt das Bündnis aus linkspopulistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsnationalistischer Lega die jahrelangen Bemühungen um Stabilität und Wachstum wieder infrage.
Giuseppe Conte (rechts) bekam von Staatspräsident Mattarella den Auftrag, die nächste italienische Regierung zu bilden
Moscovici mahnt zur Vorsicht
In seiner jüngsten Frühjahrsprognose für Union und Eurozone, die vor Optimismus nur so strotzte, warnte der Franzose mit Blick auf Italien denn auch vor "politischen Risiken", die den robusten Aufschwung gefährden könnten. Eine gewisse Vorsicht sei angebracht, mahnte Moscovici. Aber er setze auf die Hoffnung, dass Italien das bleibe, was es ist: ein Kernland der Eurozone und unverzichtbar für sie. Ein Land, das die Regeln respektiert, die man gemeinsam entwickelt habe.
Zweckoptimismus und diplomatische Zurückhaltung können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Programm der designierten italienischen Regierungskoalition in Brüssel für erhebliche Kopfschmerzen sorgt. Quasi über Nacht ist die Gefahr wieder näher gerückt, Italien könnte den Pfad der Tugend verlassen und die gesamte Eurozone erneut ins Wanken bringen, wie seinerzeit Griechenland.
Mit dem bedeutenden Unterschied, dass ein Zusammenbruch der drittgrößten Volkswirtschaft der Währungsunion mit ziemlicher Sicherheit den Garaus machen würde. Nicht nur für Kommissionsvize Valdis Dombrowskis ist das ein Horrorszenario.
EU-Wirtschaftskommissar Moscovici hofft, dass Italien ein Kernland der Eurozone bleibt.
Brüssel erwartet Schuldenabbau und Reformen
In den länderspezifischen Empfehlungen, die Dombrowskis zusammen mit seinem Kollegen Moscovici just diese Woche präsentierte, sprach der Lette eine deutliche Mahnung aus. Italien sei für die Eurozone von "systemischer Bedeutung". Auch von der neuen Regierung in Rom erwarte man daher eine "verantwortungsbewusste Haushaltsführung". Dies bedeute Abbau der Staatsschulden und Strukturreformen, erklärte Dombrowskis.
In der Kommission und den übrigen Mitgliedsstaaten klammert man sich an die Hoffnung, dass auch radikale Populisten an den nüchternen Fakten nicht vorbei kommen. Obwohl sich die konjunkturellen Eckdaten zuletzt gebessert haben, zählt Italien mit einer Schuldenquote von mehr als 130 Prozent, einem anfälligen Bankensektor, anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und nur mäßigen Wachstumsaussichten in der Eurozone noch immer zu den Wackelkandidaten. Wegen des hohen Defizits hatte Wirtschaftskommissar Moscovici das Land schon vor Monaten auf die "Watchlist" gesetzt.
"Dunkle Wolken" über der EU?
Dass die künftige Regierung in Rom die Appelle zum Kurshalten und zum konsequenten Schuldenabbau beherzigt und sich, ähnlich wie Syriza in Griechenland, trotz aller Wahlkampf-Rhetorik den praktischen Notwendigkeiten beugt, ist alles andere als sicher.
Nicht wenige Beobachter sehen bereits "dunkle Wolken" über der EU aufziehen. Denn mindestens ebenso groß wie die ökonomischen sind die politischen Risiken des italienischen Experiments. Wirtschaftskommissar Moscovici verweist hier auf den Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Juni, der von "entscheidender" Bedeutung sei.
Auf diesem Rat, schon in knapp fünf Wochen, wollen die EU-Spitzen wichtige Weichen stellen für den Brexit, den mehrjährigen Haushalt, die Reform der Eurozone und ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Alles Projekte, die keinen Aufschub dulden - die eine auf Konfrontation statt auf Konsens ausgerichtete Führung in Rom aber leicht torpedieren könnte.