EU-Sorgen wegen Italien Zu groß, um gerettet zu werden
Für die EU-Zentrale sieht das Horrorszenario so aus: Regierungschef Renzi scheitert beim Referendum, tritt zurück und sein Land versinkt im politischen Chaos. Anders als etwa im Fall Griechenland würde das für die Union zum existenziellen Problem.
Jean-Claude Juncker mag Brüssel sehr. Aber in Rom ist er noch lieber. Und überhaupt ist der Kommissionspräsident ein bekennender Italien-Fan. Aber momentan zittert das gesamte Juncker-Team.
Und auch zahlreiche Parlamentarier in Brüssel, wenn sie an Italien und das dort anstehende Referendum denken. "Italien ist immerhin unsere drittgrößte Volkswirtschaft", betont Parlamentsvizepräsident Alexander Graf Lambsdorff. Italien ist der Staat mit der fünftgrößten Industrie weltweit. Und mit über zwei Milliarden Euro einer der wichtigsten Nettozahler der EU. Zu groß und zu wichtig, um im Euro scheitern zu dürfen.
Im Gegensatz zu Griechenland, Portugal, Spanien und Irland wäre Italien aber auch deutlich zu groß, um von der EU gerettet werden zu können - falls nach einem Scheitern des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi beim Referendum das Land wegen des politischen Machtvakuums in eine noch stärke wirtschaftliche Schieflage geriete, wie auch die Finanzmärkte.
Brüssel könnte nichts ausrichten
Der von Renzi immer wieder gern in Rom begrüßte Kommissionschef wäre dann weitgehend machtlos. Und selbst der seiner Heimat sehr zugeneigte Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi müsste zugeben, dass er zwar ein überzeugter Euroretter ist, aber im Falle Italiens kaum noch Handlungsspielraum hat. Denn die EZB hält bereits über zwanzig Prozent aller italienischen Staatsanleihen in den Händen. Viel mehr geht nicht. Und der Eurorettungsschirm mit dem Kürzel ESM ist mit seinem 700-Milliarden-Euro-Kapital schlicht zu klein um Italien zu stabilisieren. Dessen Schuldenberg beläuft sich mittlerweile auf zwei Billionen Euro.
"Die Menschen fühlen, dass es ihnen zunehmend schlechter geht", sagt der Europaabgeordnete Herbert Dorfmann aus Südtirol. Für den Christdemokraten steht fest, dass viele Italiener "auch die Europäische Union und deren Wirtschaftspolitik der letzten Jahre dafür verantwortlich machen“.
Abstimmung über die EU-Flüchtlingspolitik
Das Renzi-Referendum ist zugleich auch eine Abstimmung über die EU und ihre Unfähigkeit, Italien im Angesicht der Flüchtlingskrise zu helfen. 170.000 Flüchtlinge aus Afrika sind allein in den letzten Monaten in Italien angelandet. Seitdem die Balkanroute dicht ist, verlagern die Schlepper den Menschenhandel: Die Route führt über Libyen und das Mittelmeer nach Italien. Und dort endet sie für die meisten Flüchtlinge.
Zwar lobt Italiens Regierungschefs bei Gesprächen mit der EU gern das "soziale und humane Europa". Doch sollte Renzi nach dem Referendum zurücktreten müssen, käme es unter der nächsten Regierung zu einem weiteren Referendum. Und zwar über den Verbleib des wirtschaftlich geschwächten Italien in dem für seine Verhältnisse zu starken Euro. Dann ist aus Brüsseler Sicht die Währungsunion insgesamt gefährdet. Der Brexit nähme sich dazu im Vergleich noch als ein beherrschbares Desaster aus.
In jedem Fall sind am Montag nach dem Referendum Wolfgang Schäuble und seine sämtlichen Amtskollegen aus der EU zum Finanzminister in Brüssel geladen. Eigentlich steht Griechenland auf der Tagesordnung. Doch die könnte sehr schnell Makulatur werden wenn Renzi sein Referendum verliert.