Bonitätsbewertung EuGH entscheidet über den SCHUFA-Score
Der Europäische Gerichtshof entscheidet heute, ob das Scoringsystem der SCHUFA mit Datenschutzstandards vereinbar ist. Das könnte weitgehende Folgen für die Geschäftspraxis von Auskunfteien in ganz Europa haben.
Mit ihr kommt jeder früher oder später einmal in Kontakt - die SCHUFA, Deutschlands größte private Auskunftei. Täglich bewertet sie die Kreditwürdigkeit von Personen und fasst diese in einem Score zusammen. Je höher der Score, desto besser für die betreffende Person. Denn dann schätzt die SCHUFA die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen wird, entsprechend hoch ein.
Umgekehrt sagt ein niedriger Score, dass die Person ihre Rechnung in Zukunft wohl eher nicht bezahlen wird. So jedenfalls die Einschätzung der SCHUFA, die hierzu auf millionenfach gesammelte Daten zurückgreift. Verlassen sich Unternehmen auf diese Einschätzung, kann das dazu führen, dass sie mit der betreffenden Person keinen Vertrag abschließen.
Verwaltungsgericht hat Zweifel
Genau das war in einem Fall passiert, über den das Verwaltungsgericht Wiesbaden entscheiden muss. Die Klägerin hatte wegen eines niedrigen SCHUFA-Scores keinen Kredit bekommen. Daraufhin forderte sie die SCHUFA auf, fehlerhafte Eintragungen zu löschen und ihr Zugang zu den Berechnungsdaten zu gewähren.
Die SCHUFA teilte der Klägerin unter Berufung auf das Geschäftsgeheimnis jedoch nur sehr eingeschränkte Informationen mit. Auch eine anschließende Beschwerde der Frau beim Hessischen Datenschutzbeauftragten blieb erfolglos.
Die Klägerin rief deshalb das Verwaltungsgericht an. Da dieses Zweifel hatte, ob die Geschäftspraxis der SCHUFA mit europäischen Datenschutzstandards vereinbar ist, legte es das Verfahren dem Europäische Gerichtshof (EuGH) vor.
Worüber der EuGH jetzt entscheiden muss
Das oberste Gericht der EU prüft insbesondere, ob das Datensammeln, also die automatisierte Erstellung und Übermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten über die Fähigkeit einer Person, künftig einen Kredit zu bedienen, gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt. Diese verbietet eigentlich, dass wichtige Entscheidungen allein auf Grundlage von automatisiert verarbeiteten Daten getroffen werden.
Der Generalanwalt - eine Art Gutachter, der vorab seine Meinung abgibt - stellte fest, dass der Score jedenfalls nicht der entscheidende Grund dafür sein dürfe, dass ein Unternehmen mit einem Kunden einen Vertrag eingeht. Die Richter am EuGH sind nicht an die Auffassung des Generalanwalts gebunden - ob sie dessen Einschätzung teilen, wird mit Spannung erwartet.
Was das Unternehmen sagt
Die SCHUFA selbst hat im Vorfeld der Entscheidung erklärt, ihre Scores seien zwar wichtig, aber in aller Regel nicht maßgeblich für die Vertragsentscheidung von Unternehmen. Recherchen von NDR und SZ zufolge setzen aber viele Unternehmen die Bonitätsbewertung der SCHUFA bei ihren Vertragsentscheidungen ein. Mehrere große Energieversorger bestätigten zum Beispiel, dass sie den SCHUFA-Score zur Beurteilung von Neukunden heranziehen.
Bei einer positiven Beurteilung bekommen die betreffenden Personen einen attraktiven Sondervertrag mit günstigeren Konditionen. Wer hingegen weniger gut beurteilt wird, erhält nur die teure Grundversorgung.
In einem zweiten Vorlageverfahren geht es um die Datenspeicherung nach einer Verbraucherinsolvenz. Durch eine Verbraucherinsolvenz können sich Privatleute von ihren Schulden befreien, selbst wenn sie nicht alles zurückzahlen können. Am Ende steht die sogenannte Restschuldbefreiung. Die Information darüber wird sechs Monate lang auf einem amtlichen Internetportal veröffentlicht.
Die SCHUFA hat diese Bekanntmachungen gesammelt und früher drei Jahre lang gespeichert. Mittlerweile hat sie die Speicherdauer zwar freiwillig auf sechs Monate verkürzt. Der EuGH entscheidet heute aber trotzdem grundsätzlich darüber, ob Daten aus öffentlichen Registern in privat geführten Sammlungen gespeichert werden dürfen.
Verbindliche Grundsätze
Das heutige Urteil des EuGH könnte weitgehende Folgen für die bisherige Geschäftspraxis der SCHUFA haben. Fraglich ist vor allem, ob das Unternehmen weiter in großem Stil Daten sammeln darf, ohne Zustimmung der betroffenen Verbraucher. Sollte sich der EuGH der Ansicht des Generalanwalts anschließen, dürften Unternehmen ihre Vertragsentscheidung wohl nicht mehr allein auf einen niedrigen SCHUFA-Score stützen.
Aber auch Verbraucher und Auskunfteien in den anderen Ländern der EU blicken gespannt auf die Entscheidung aus Luxemburg. Denn egal, wie sie ausgeht - die entwickelten Grundsätze sind für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich.