EU-Gipfel will dauerhaften Krisenmechanismus "Sehr begrenzte" Änderungen zum Schutz des Euro
Der Euro soll sicherer, Schuldenmacher sollen härter bestraft werden - wie genau, bleibt unklar. EU-Ratspräsident van Rompuy sprach von "sehr begrenzten Änderungen". Forderungen nach automatischen Sanktionen hatte Kanzlerin Merkel schon vorab aufgegeben. "Scheitern auf Raten", kritisierte Oppositionschef Steinmeier.
Die Sitzung dauerte bis tief in die Nacht - doch wirklich konkrete Ergebnisse wird es frühestens beim nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember geben. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einigten sich bei ihren Beratungen über einen Rettungsschirm für verschuldete Euro-Länder zwar darauf, den Lissabon-Vertrag zu ändern, um eine Grundlage für einen neuen Euro-Rettungsschirm zu schaffen. Doch wie und in welchem Umfang dafür der Lissabon-Vertrag geändert werden soll, wurde noch nicht beschlossen.
Die grundsätzliche Einigung sieht vor, dass Hilfsmaßnahmen für klamme Euro-Staaten künftig eine klare Rechtsgrundlage haben. Damit soll ein neuer Krisenmechanismus im Jahr 2013 nach Auslaufen des Euro-Rettungsschirms, der für das verschuldete Griechenland ausgebreitet worden war, verfassungsrechtlich wasserdicht gemacht werden. Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine solche Änderung gefordert - andere Staaten, die EU-Kommission und auch Deutschland hatten ursprünglich weiter greifende Schutzmaßnahmen für die Stabilität des Euro gefordert, während beispielsweise Frankreich, Italien und Spanien Widerstand gegen eine Verschärfung ankündigten.
Auf dem EU-Gipfel im Dezember soll Ratspräsident Herman van Rompuy Vorschläge machen, wie der Krisenmechanismus funktionieren soll. Die Bundesregierung setzt sich für einen dauerhaften Krisenmechanismus ein, bei dem die Lasten für die Rettung überschuldeter Mitgliedsländer künftig auch privaten Gläubigern wie Banken und Fonds aufgebürdet wird. Die Entscheidung darüber wird aber letztlich erst auf dem nächsten Gipfel gefällt.
Vertragsänderungen sind in der EU schwierig, weil dafür die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nötig ist. Van Rompuy erklärte, er werde "sehr begrenzte Vertragsänderungen" vorschlagen. Dies solle ein vereinfachtes Änderungsverfahren ermöglichen, damit keine Referenden in den Mitgliedsstaaten notwendig würden. "Wir sprechen nicht darüber, den ganzen Vertrag aufzumachen", sagte er.
Schutz für Euro-Zone als Ganzes
Merkel zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden: "Wir haben unsere wesentlichen Punkte vorangebracht", sagte sie. Die Staats- und Regierungschefs hätten dem von ihr geforderten Krisenmechanismus zugestimmt. "Alle sind sich einig, dass dazu eine begrenzte Vertragsänderung notwendig ist", so Merkel.
Der Krisenmechanismus werde nur genutzt, wenn die Euro-Zone als Ganzes in Gefahr sei, sagte Merkel weiter. Das Verbot der gegenseitigen Schuldenübernahme im Lissabon-Vertrag werde nicht abgeschafft, betonte sie. Aber wenn die gesamte Einheitswährung in Gefahr gerate, solle es den Mitgliedsstaaten künftig erlaubt werden einzuspringen. Hilfe für drohende Pleitestaaten werde an scharfe Bedingungen geknüpft.
Weder Stimmentzug noch automatische Strafen für Defizitsünder
Mit ihrem Vorschlag, Defizitsünder künftig härter zu bestrafen und ihnen das Stimmrecht zu entziehen, konnten sich Deutschland und Frankreich dagegen nicht durchsetzen. Zwar hieß es, der Vorschlag werde geprüft, aber es zeichnete sich massiver Widerstand aus zahlreichen Mietgliedstaaten und in der Kommission ab. Der Gipfel stimmte allerdings einer Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts zu, der zufolge unter anderem neue Geldstrafen verhängt und zu hohe Schuldenstände einzelner Staaten sanktioniert werden können.
Die ursprüngliche Forderung Deutschlands, anderer Staaten und der EU-Kommission, chronische Defizitsünder sollten automatisch bestraft werden, war bereits im Vorfeld gescheitert. Merkel hatte bei ihrem Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf diese Forderung verzichtet, weil Frankreich sie nicht wollte. Das Land verstößt bereits seit Jahren sowohl gegen die Defizitregeln als auch gegen die im Maastricht-Vertrag vorgesehen Obergrenze für die Gesamtverschuldung und hätte im Falle eines Automatismus mit Strafen rechnen müssen.
"Scheitern auf Raten"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte, die Kanzlerin habe ein "Scheitern auf Raten" erlebt. Beim Stimmrecht hätten Merkel und die schwarz-gelbe Koalition "die Backen aufgeblasen" - um nichts als einen Prüfauftrag zu erhalten. Mögliche kleinere Änderungen des EU-Vertrags bedeuteten nur Gesichtswahrung für Merkel. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, Merkel habe die wirklichen Probleme der Währungsunion nicht gelöst. Statt Papieren zu Sanktionen oder Stimmrechtsentzug sei ein tragfähiges Konzept zur gemeinsamen Gestaltung der Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone nötig, erklärte Gabriel.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte die Beschlüsse dagegen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Reform des Stabilitätspaktes. Er forderte aber mehr Sanktionen für Defizitsünder. Vize-Kanzler Guido Westerwelle (FDP), der Merkels Verzicht auf automatische Sanktionen zunächst kritisiert hatte, zeigte sich "vorsichtig zufrieden". Die Mindestanforderungen seien erfüllt.
Griechenlands Fall
Wegen der Überschuldung von Griechenland und der hohen Defizite in Euro-Staaten wie Spanien, Portugal und Irland war die Währungsgemeinschaft im Frühjahr an den Finanzmärkten unter immensen Druck geraten. Nur die Zusage milliardenschwerer Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds bewahrte Griechenland vor der Zahlungsunfähigkeit. Deutschland und Frankreich wollen mit den Änderungen verhindern, dass sich eine solche Krise wiederholt.