EU-Gipfeltreffen in Brüssel Ein Thema, das Berlin nicht will
Wachstum - darum soll es auf dem zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel gehen - und möglichst nicht um die Euro-Krise. Kommissionschef Barroso will, dass Reformen auch wirklich umgesetzt werden, notfalls mit EU-Geldern. Der Bundesregierung ist das ein Dorn im Auge - und dann ist da noch ein Thema, das angeblich gar keines ist.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Europas Regierungschefs wollen die Schuldenkrise an den Rand verbannen. Zum ersten Mal seit langem soll bei einem EU-Gipfel nicht das Krisenmanagement im Vordergrund stehen. Sondern das, was allein Europa letztlich aus der Krise führen kann, nämlich die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen. "Wir müssen", so EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, "jetzt genauso viel Kraft darauf verwenden, Europa auf den Wachstumspfad zurückzuführen, wie wir Kraft darauf verwenden, Europa aus der Krise herauszubekommen."
Leitlinien zu wachstumsfördernden Reformen
Auf dem Gipfel sollen daher - wie jedes Frühjahr - Leitlinien zu wachstumsfördernden Reformen verabschiedet werden, an die die EU-Staaten sich dann zu halten haben. Zumindest in der Theorie. In der Praxis waren diese Leitlinien bisher immer ein besonders schlagendes Beispiel für Papier, das geduldig ist.
Das will Barroso nun nicht mehr hinnehmen: "Darauf kommt es an, die Lücke zu schließen zwischen dem, was wir hier in Brüssel beschließen und dem, was dann daraus wird." Deshalb will der Kommissionschef vom Gipfel grünes Licht für seine Idee der Projekt-Bonds haben. Mit Geldern aus dem EU-Haushalt sollen große grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte angekurbelt werden. Eine Idee, der die Bundesregierung ausgesprochen reserviert gegenüber steht.
Keine Eile bei ESM-Überprüfung
Ausgesprochen reserviert - das ist auch die Haltung Berlins gegenüber dem derzeit heißesten Eisen in der Euro-Krisen-Debatte: einer Aufstockung des Rettungsfonds. So reserviert, dass Berlin das Thema von den beiden Gipfeltagen fernhalten will. Und dabei hatten die Staats- und Regierungschefs selbst Ende letzten Jahres beschlossen, im März zu überprüfen, ob das Kreditvolumen des ESM ausreicht.
Aber nun weist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble darauf hin, dass der März 31 Tage hat. "Wir werden unsere Entscheidung in Europa im Laufe des Monats März - aber der März geht vom 1. bis zum 31. März - noch einmal überprüfen", so Schäuble, "auch im Lichte der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen, ob die Gesamtdimension dieses Mechanismus ausreicht oder nicht. Diese Überprüfungen werden wir vornehmen, die notwendigen Entscheidungen treffen."
Druck auf Berlin nimmt zu
Mit den aktuellen Entwicklungen meint Schäuble vor allem die Umsetzung des Schuldenschnitts in Griechenland. Aber der Druck auf Berlin, einer Zusammenlegung der noch vorhandenen 250 Milliarden Euro aus dem demnächst auslaufenden Rettungsschirm EFSF mit den 500 Milliarden des dauerhaften Rettungsfonds ESM zuzustimmen, nimmt zu.
Fast alle Regierungen sind dafür, ebenso die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank. Und auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz: "Beim ESM geht es vor allem um Psychologie. Es geht darum, dass denjenigen, die darauf wetten, dass die Eurozone auseinanderbricht, signalisiert wird: Wir sind stark genug, wir mobilisieren ausreichend Ressourcen um den Euro zu verteidigen", erläutert Schulz. "Und das halte ich für einen vernünftigen Schritt, der mittlerweile eigentlich auch von allen Regierungen zwischenzeitlich akzeptiert wird."