EU-Lateinamerika-Gipfel vereinbart Abbau von Handelsschranken Weniger Protektionismus, mehr Partnerschaft
Europa braucht Lateinamerika - das wird auf dem Gipfel beider Wirtschaftsgemeinschaften in Santiago de Chile deutlich. Kanzlerin Merkel sprach von einer "Partnerschaft auf Augenhöhe". Die Teilnehmer bekannten sich zum Abbau von Handelsschranken - obwohl sich einige Länder zunehmend abschotten.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel, zzt. Santiago de Chile
Chiles Präsident Sebastian Pinera musste eine ziemliche Standfestigkeit beweisen: Weit mehr als eine Stunde dauerte es, bis er die Abgesandten der 60 Staaten im Konferenzzentrum von Santiago begrüßt hatte: "Wir stellen zusammen ein Drittel der Länder der Welt, mit über einer Milliarde Einwohner, die mehr als ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung erbringen." Diese Aufzählung gehört zum Ritual der EU-Lateinamerika-Treffen seit der ersten Auflage 1999. Ebenso das Bekenntnis zur strategischen Allianz zwischen den beiden Kontinentalgemeinschaften, gegründet auf gemeinsamer Geschichte und gemeinsamen Werten.
Europa braucht Lateinamerika
Dennoch ist dieser Gipfel anders, so die Beobachtung von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Dies ist bereits mein vierter EU-Lateinamerika-Gipfel, und ich kann die Entwicklung verfolgen, die jetzt eine strategische Partnerschaft auf Augenhöhe ist, die jetzt zum Wohle unserer beiden Regionen weiter entwickelt werden muss." Denn während große Teile Europas von der Krise gelähmt sind, erleben große Teile Lateinamerikas einen Wirtschaftsboom mit Wachstumsraten um die fünf Prozent. Europa braucht Lateinamerika als aufnahmefähigen Markt, um wieder zu Wirtschaftswachstum zu kommen.
Aber mittlerweile hat China den Europäern im Lateinamerika-Handel den Rang abgelaufen. Gipfelgastgeber Pinera beruhigte die Europäer. China möge der größte Handelspartner sein, aber mit Europa teile man eine gemeinsame Kultur. "Das Ziel, dass uns hier zusammenführt, ist die Schaffung einer neuen strategischen Allianz. Einer Allianz, die sich auf umwelt- und sozialverträgliche Investitionen gründet."
Investitionen und Handel - die großen Themen
Investitionen und Handel waren die großen Themen des ersten Gipfelabends. Die Bundeskanzlerin setzte sich entschieden gegen Handelsbarrieren ein: "Auch in Zeiten, in denen wir Schwierigkeiten haben, darf niemand denken, dass er durch Protektionismus diese Schwierigkeiten besser bewältigen wird." Das war ein klarer Seitenhieb auf Argentinien, Brasilien und einige andere lateinamerikanische Länder, die sich zunehmend gegen ausländische Importe abschotten. Auch wurden einige europäische Unternehmen enteignet. Deshalb drängen die Europäer auf mehr Rechtssicherheit für Investoren. "Es ist entscheidend, dass ein transparenter juristischer Rahmen eingehalten wird, der Willkür unmöglich macht", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.
Offene Märkte - ein langes Projekt
Zumindest auf dem Papier bekommen die Europäer, was sie wollen. Die Gipfelteilnehmer billigten einstimmig eine Erklärung, in der Protektionismus in welcher Form auch immer abgelehnt wird. Ebenso Zwangsmaßnahmen, die den internationalen Handelsregeln widersprichen. Wie ernsthaft der Wille zum Freihandel jenseits des Atlantiks wirklich ist, wird sich unter anderem am Schicksal der Mercosur-Verhandlungen zeigen. Seit fast 15 Jahren schleppen sich die Gespräche mit dieser südamerikanischen Staatengruppe um Brasilien und Argentinien über den Abbau von Handelshemmnissen schon hin.
In Santiago kam nun aber doch Bewegung in die Sache, so EU-Handelskommissar Karel de Gucht: "Die Mercosur-Länder haben versprochen, spätestens zum Jahresende ihre Angebote zur Marktöffnung bei Waren, Dienstleistungen und Agrarprodukten vorzulegen." Das ist ein wichtiger Schritt, aber noch lange nicht das Ende der Verhandlungen.