Euro gestärkt, aber noch nicht stark "Wir sind ungefähr halb durch die Krise durch"
Wie geht es weiter mit dem Euro? Das Schlimmste der Krise sei überstanden, so die Botschaft der Politik an der Schwelle des neuen Jahres. Die Wirtschaftsexperten in Brüssel bleiben vorsichtig - und befürchten, vor allem nach den dürftigen Ergebnissen des Dezember-Gipfels in Brüssel, den Rückfall der Politik in Untätigkeit.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Zuversicht zeigen, Optimismus verbreiten - so heißt derzeit die Devise für die EU-Spitzen. "Für mich war das Jahr 2012 ein Wendepunkt", sagte Ratspräsident Hermann van Rompuy in seiner Weihnachtsansprache. "Wir steuern Europa Schritt für Schritt aus der Eurokrise heraus."
"Ohne fundamentale Reformen kann die Krise zurückkommen"
Die Experten in Brüssel bleiben vorsichtig, aber auch sie sehen das Glas an der Schwelle des neuen Jahres eher halb voll als halb leer. Jannis Emmanouilidis vom European Policy Center spricht von einem sehr positiven Pfad: "Die Situation stellt sich besser dar als noch vor wenigen Monaten. Mit Blick auf die Zukunft des Euro ist mir jetzt weniger bange. Aber deshalb heißt das noch lange nicht, dass man die Anstrengungen jetzt aufgeben kann."
Das sieht Guntram Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel ähnlich: "Wir sind ungefähr halb durch die Krise durch." Dass man immerhin so weit gekommen sei, sei vor allem der Europäischen Zentralbank zu verdanken - sprich Mario Draghis Ankündigung, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu retten. "Diese Ankündigung - ohne, dass die EZB überhaupt etwas gemacht hätte - war ja schon sehr erfolgreich und hat die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens schon massiv reduziert."
Die Finanzmärkte glauben jetzt nicht mehr daran, dass die Währungsunion zerbricht. Zur positiveren Stimmung beigetragen hat auch, dass die politischen Spitzen der Eurozone sich seit dem Sommer viel entschlossener zeigen, Griechenland im Euro-Boot zu halten. Aber die Brüsseler Ökonomen warnen: Das alles kann sich sehr schnell wieder in Schall und Rauch auflösen. "Wenn die Mitgliedsstaaten nicht bereit sind, dass umzusetzen, was sie versprochen haben, nämlich die fundamentale Reform der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, dann kann diese Krise auch wieder zurückkommen" sagt Emmanouilidis.
Vage Auflistung statt klarer Reformen
Und ein erstes schlechtes Zeichen hätten die Staats- und Regierungschefs auf dem vergangenen Gipfel auch schon gesetzt, kritisiert Emmanouilidis. "Das Ergebnis des Dezember-Gipfels bleibt weiter hinter dem zurück, was die Erwartungen waren - nämlich aufzuzeigen, wie der Weg sein soll in den nächsten Jahren."
Statt eines klaren Reformfahrplans gab es nur eine vage Auflistung, über was man in den nächsten Monaten so alles weiter reden will. Alle Ideen, wie man die Währungsunion durch mehr finanzielle Solidarität auf der einen Seite und mehr Verbindlichkeit bei den Absprachen auf der anderen Seite krisenfester machen kann, wurden auf die lange Bank geschoben. Einer der Gründe dafür, so Emmanouilidis, sei die Annahme der Politik, dass die Krise nicht mehr so gefährlich sei wie sie im Frühsommer war.
Er sieht auch noch einen anderen Faktor: die 2013 anstehenden Wahlen, nicht zuletzt in Deutschland - und "dass man da einige Dinge auch auf die Zeit danach verschieben möchte".
Mit der Bankenaufsicht gegen die Euro-Geburtsfehler
Und so wird das Jahr 2013 auf europäischer Ebene vor allem durch die Arbeiten an der Bankenunion geprägt sein. Da konnten sich die Finanzminister gerade auf eine zentrale Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank einigen. Für Guntram Wolff ein ganz wichtiger Schritt, um die Systemfehler der Währungsunion zu beheben. Aber nun müsse die Bankenaufsicht auch schnell wirksam werden: "Das Entscheidende wird sein, dass die EZB relativ schnell die Kapazitäten schafft, um wirklich eine effektive Bankenaufsicht zu sein. Nichts wäre schlimmer als eine Bankenaufsicht zu schaffen, die dann aber nicht die Kapazitäten hat, ihren Job gut zu machen."
Parallel dazu soll 2013 auch schon der nächste Schritt in der Bankenunion vorbereitet werden, ein gemeinsamer Mechanismus zur Umstrukturierung oder notfalls auch zur Abwicklung von kranken Geldhäusern. Deftiger Streit ist auch da programmiert, sagt Wolff: "Natürlich ist der politische Widerstand sehr groß, dass man jetzt Steuerzahlergelder nimmt, um schlechte Banken in Südeuropa zu retten." Es komme darauf an, vor allem die Gläubiger der Banken in die Pflicht zu nehmen. Aber letztlich müsse doch, meint der Ökonom, im Notfall eine glaubwürdige und finanzkräftige europäische Institution bereit stehen.
Aber mehr noch als auf europäischer Ebene wird sich das Schicksal der Währungsunion in den Krisenstaaten selbst entscheiden. Wolff bescheinigt diesen Staaten, dass sie schon so manches erreicht haben: Die Lohnstückkosten seien deutlich gefallen, der Exportmotor beginne wieder anzuspringen, aber: "Es ist sicherlich absolut wichtig, dass gerade in Italien und natürlich vor allem auch in Spanien die Arbeitsmarktreformen und die Strukturreformen weiter gehen. Wenn der Reformeifer da dann weg ist, dann wird es wirklich kritisch in Europa."
Unsicherheitsfaktor Italien
Letztendlich müsse es in den Krisenstaaten vor allem wieder zu Wachstum kommen: "Wachstum ist das ganz große Thema, bei dem noch nicht genügend erreicht wurde. Vor allem, wenn man eine Situation hat, in der die Arbeitslosigkeit bei über 25 Prozent liegt, die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent. Europa sollte daher gezielt Hilfen leisten, um den Anpassungsprozess abzufedern und die Reformen zu unterstützen." Wolff bedauert sehr, dass auch diese Idee beim vergangenen Gipfel auf die lange Bank geschoben wurde: "Weil eins klar ist - wenn die Menschen in Südeuropa irgendwann denken, dass sie keine Perspektiven mehr haben im Währungsraum, dann wird das Ganze sehr instabil."
Demnächst wird man mehr wissen. In Italien stehen Neuwahlen an. Ob sich da die reformbereiten Kräfte durchsetzen oder die Populisten - das ist der vielleicht größte Unsicherheitsfaktor im Jahr 2013.