Debatte über Mitwirkung des Bundestags Schäuble warnt vor Gefährdung der Euro-Hilfe
Finanzminister Schäuble hat den Bundestag aufgefordert, den Euro-Rettungsschirm nicht zu gefährden. In den Tagesthemen sagte er, niemand stelle das Haushaltsrecht des Parlaments in Frage. Der Rettungsschirm müsse aber schnell und diskret eingesetzt werden können. Die Abgeordneten seien nicht überrumpelt worden, so Schäuble.
Nach der Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Bundestag aufgefordert, dessen Funktionsfähigkeit nicht zu gefährden. Schäuble warnte damit indirekt vor Vorschlägen aus der Koalition, das Parlament bei jeder künftigen Rettungsaktion einzubinden.
In den Tagesthemen sagte der Minister, die Gesetze zum EFSF müssten so gestaltet werden, "dass die Finanzierungsanstalt ihre stabilisierende Funktion für die Finanzmärkte erfüllen kann". Schäuble bekannte sich zum Haushaltsrecht des Parlaments, wies aber zugleich darauf hin, dass der EFSF in der Lage sein müsse, schnell und diskret zu handeln: "Wenn man auf den Sekundärmärkten zur Stabilisierung einer erratischen Entwicklung intervenieren will, darf man das nicht vorher öffentlich ankündigen. Sonst erreicht man das genaue Gegenteil."
Zugleich wies der Minister den Vorwurf zurück, die Abgeordneten nicht frühzeitig eingebunden zu haben. Das könne er "beim besten Willen" nicht nachvollziehen. Sein Ministerium habe frühzeitig deutlich gemacht, dass es den Wunsch der Fraktionen anerkenne, die Mitwirkung des Parlaments selbst zu regeln. Schäuble reagierte damit auf Bestrebungen, der Regierung bei künftigen Aktionen des EFSF enge Fesseln anzulegen.
Mächtiger Parlamentsvorbehalt
Die Haushaltsexperten der Koalition hatten am Mittwoch verabredet, dass der vergrößerte Euro-Rettungsschirm EFSF künftig keinen Cent mehr ohne grünes Licht des Parlaments ausgeben darf. Sie streben ein Stufenmodell an, das auch vorsieht, dass der Haushaltsausschuss die Leitlinien für neue Instrumente wie Kreditauflagen oder Zinsen absegnet. Nur unter diesen Voraussetzungen solle der Bundesfinanzminister neuen Aktivitäten im EFSF-Gouverneursrat zustimmen dürfen.
Bislang muss sich die Regierung bei Inanspruchnahme des bisherigen EFSF-Fonds nur um "Einvernehmen" mit dem Haushaltsausschuss bemühen. "Das reicht uns nun nicht mehr aus", machte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle in der Zeitung "Die Welt" deutlich. Barthle hat zusammen mit seinem FDP-Kollegen Otto Fricke das Stufenmodell entwickelt.
Die Abgeordneten beunruhigen die hohen Summen, die dem EFSF künftig zur Verfügung stehen sollen. Zugleich befürchten sie, dass das Haushaltsrecht des Parlaments ausgehöhlt wird. Dieses wird üblicherweise als das "Königsrecht" des Parlaments bezeichnet.
Deutscher Anteil steigt kräftig
Bislang stützt der EFSF Irland und Portugal. Griechenland soll im Oktober dazukommen. Damit die vereinbarten 440 Milliarden Euro jederzeit zur Verfügung stehen, erhöhen die Euro-Länder ihre Garantien für EFSF-Kredite von 440 auf 780 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil steigt von 123 auf 211 Milliarden Euro.
Das Kabinett hatte die Ausweitung des EFSF gestern gebilligt und damit einen Beschluss des EU-Gipfels vom Mai umgesetzt. Demnach soll der Euro-Rettungsschirm künftig Anleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen, vorsorglich Kredite verleihen und Staaten Geld zur Stabilisierung ihrer Banken bereitstellen können. Mitte 2013 wird er dann vom dauerhaften Rettungsschirm ESM abgelöst, der über dieselben Möglichkeiten verfügen soll.
Rätselraten über die Zahl der Abweichler
Trotz des sich abzeichnenden starken Parlamentsvorbehalts ist ungewiss, ob die Koalition bei den für den 7. und 29. September geplanten Abstimmungen eine eigene Mehrheit zusammenbekommt. Schätzungen über die Zahl der Kritiker reichen von einem bis zu mehreren Dutzend.
SPD und Grüne erklärten sich grundsätzlich bereit, für die Pläne der Regierung zu stimmen. Allerdings machten sie ihre Zusage ebenfalls davon abhängig, wie das Parlament mitwirkt.
Die Debatte über den EFSF überschneidet sich mit dem Streit über die weitere Integration der europäischen Wirtschaftspolitik. Diese hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy verabredet. Frankreich interpretiert diese Übereinkunft als Startschuss für eine europäische Wirtschaftsregierung. Die Bundesregierung spricht dagegen von einer tieferen Koordination der Wirtschaftspolitik.
Auch Schäuble wandte sich in den Tagesthemen gegen den Begriff der Wirtschaftsregierung. Er wies darauf hin, dass schon bei der Gründung der Währungsunion klar gewesen sei, dass es zu Problemen kommen könne, wenn die Finanzpolitik in den Händen der einzelnen Staaten bliebe. Die Bundesregierung habe schon damals auf weitere Integrationsschritte gehofft. Dazu gehöre auch, das EU-Parlament zu stärken, so Schäuble.