Entscheidung über Notkredite EZB stützt weiter griechische Banken - aber nicht unbegrenzt
Die griechischen Banken können weiterhin mit Nothilfen der Europäischen Zentralbank rechnen - allerdings nicht unbegrenzt. Sie fror die Kredite auf dem aktuellen Stand von rund 90 Milliarden Euro ein. Allerdings ist dieses Geld offenbar fast ausgeschöpft.
Die Europäische Zentralbank hält an den ELA-Nothilfen für griechische Geldinstitute fest. Allerdings werden die Hilfen nicht erhöht. Die Notkredite bleiben auf dem aktuellen Stand von rund 90 Milliarden Euro, teilte der EZB-Rat nach Beratungen mit. "Wir arbeiten weiter eng mit der Bank von Griechenland zusammen", sagte EZB-Präsident Mario Draghi.
Das drastischste Szenario, dass die Bank nach Scheitern der Gespräche zwischen Athen und seinen Gläubigern die Hilfen streichen würde, trat damit nicht ein. Die Notenbank sei jederzeit bereit, ihre Entscheidung erneut zu überprüfen.
Diese Notkredite sind für die griechischen Banken derzeit überlebenswichtig. Ohne diese Kredite droht dem griechischen Bankensystem der Kollaps. Hintergrund ist, dass die Kunden aus Angst vor einem Bankrott des Landes seit Tagen massiv Geld von ihren Konten abheben. Der EZB kommt damit eine entscheidende Rolle im Schuldenstreit mit Griechenland zu.
Innerhalb des EZB-Entscheidungsgremium war die Kritik an den ELA-Krediten zuletzt gewachsen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte am Donnerstag erneute deutliche Kritik geübt. Die ELA-Hilfen, die eigentlich als vorübergehende Unterstützung im Grunde gesunder Banken gedacht sind, seien zur einzigen Finanzierungsquelle der griechischen Institute geworden.
Das ELA-Programm ist ein Notfallinstrument im europäischen Zentralbankensystem. Es richtet sich an Banken, die sich zeitweise in einer außergewöhnlichen Situation befinden. Die Abkürzung ELA steht für die englische Bezeichnung "Emergency Liquidity Assistance".
Für Griechenland sind die Hilfen zuletzt immer wichtiger geworden, da seit Amtsantritt der Regierung Tsipras Anfang 2015 verunsicherte Bürger vermehrt Bargeld von ihren Banken abheben. Ohne die ELA-Kredite würde das Finanzsystem des Landes zusammenbrechen.
Grundsätzlich müssen die betroffenen Banken die ELA-Kredite bei Zentralbank ihres Landes beantragen. Ab einer gewissen Höhe - so wie im jetzigen Fall bei Griechenland - muss der EZB-Rat seine Zustimmung geben. Nicht kreditwürdige Banken können nicht auf Unterstützung aus dem ELA-Programm hoffen.
Die Notkredite sind an Bedingungen geknüpft, die Banken müssen Sicherheiten hinterlegen. Die Entscheidung über eine Fortsetzung fällt der EZB-Rat mit Zweidrittelmehrheit.
Kreditrahmen fast ausgeschöpft?
Nach Informationen des ARD-Börsenexperten Klaus-Rainer Jackisch sind die Notkredite in Höhe von 90 Milliarden Euro bereits fast ausgeschöpft. Er gehe davon aus, dass die griechische Regierung für die Banken des Landes ab Montag Kapitalverkehrskontrollen einführen muss, weil ihnen das Geld ausgeht. Mit Kapitalverkehrskontrollen würden zum Beispiel die Beträge für Abhebungen an Geldautomaten auf relativ kleine Summen gekappt.
Die Regierung in Athen berief für den Nachmittag eine Dringlichkeitssitzung ihres Stabilitätsrates ein. Möglich ist, dass das Gremium über Kapitalverkehrskontrollen entscheidet. Denn ob die Finanzinstitute am Montag ihren Verpflichtungen gegenüber Kunden uneingeschränkt nachkommen können, gilt als unsicher.
Griechenland droht die Staatspleite. Am Dienstag muss das Land unter anderem 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen - Geld, das es nicht hat, das aber aus dem Rettungsprogramm von EU, EZB und IWF hätte kommen können. Die Verhandlungen darüber waren am Samstag allerdings gescheitert. Auslöser war die völlig überraschende Ankündigung der griechischen Regierung, das Volk am 5. Juli über die Vorschläge der Geldgeber abstimmen zu lassen.
Tsipras ruft zur Ablehnung auf
Dabei geht es um ein Angebot der internationalen Geldgeber, dem Land bis November 15,3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, wenn es dafür ein umfassendes Reform- und Sparpaket akzeptiert. Tsipras lehnte den Vorschlag ab. Sein Finanzminister Varoufakis bat um eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms um "einige Tage oder Wochen", um den Ausgang des Referendums abzuwarten. Dies lehnten seine Kollegen ab.
In der Nacht auf Sonntag stimmte dann das Parlament in Athen für die Abhaltung der Volksbefragung. Worüber genau die Bürger am kommenden Sonntag abstimmen sollen, ist allerdings unklar. Im Beschluss der griechischen Regierung heißt es dazu: "Das griechische Volk wird aufgerufen, mit seiner Stimme darüber zu entscheiden, ob der Entwurf für ein Abkommen akzeptiert werden soll, den die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds auf dem Treffen der Eurogruppe am 25.6.2015 vorgelegt haben..." Eben dieses Abkommen ist aber ja nun gescheitert.
Tsipras rief die Bevölkerung auf, "ein großes Nein zum Ultimatum" der Gläubiger und "ein großes Ja zu Europa und zur Solidarität" zu sagen. Das Referendum werde stattfinden, obwohl die Gläubiger dagegen seien, sagte Tsipras. Ein "Nein" werde die Verhandlungsposition seiner Regierung stärken. Er sprach von einem Ultimatum der Geldgeber, das beschämend gewesen sei.
Und wenn die Griechen mit "Ja" stimmen? Wie schon Tsipras versprach auch Finanzminister Varoufakis in diesem Fall, das Sparprogramm zu den Bedingungen der Gläubiger umzusetzen, eventuell mit neuen Köpfen in der Regierung, wie Varoufakis gestern auf der Sitzung der Euro-Gruppe sagte.
Steinmeier "fassungslos" über "Zickzackkurs"
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich "fassungslos" über den "Zickzackkurs" der griechischen Regierung. Die Geldgeber hätten "mit viel gutem Willen" einen Kompromiss für einen Ausweg aus der Krise gefunden. "Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen", sagte er der "Welt am Sonntag".
Mehrere Politiker wiesen aber erneut darauf hin, dass es noch Raum für weitere Verhandlungen gebe. Frankreichs Premierminister Valls forderte die griechische Regierung auf, "an den Verhandlungstisch zurückzukommen". Da die Auswirkungen eines griechischen Euro-Austritts wirtschaftlich wie politisch nicht vorhersehbar seien, müsse "alles getan werden, damit Griechenland in der Eurozone bleibt". Die Verhandlungen seien "noch nicht beendet".
Ähnlich äußerte sich auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. "Wenn sich Möglichkeiten ergeben sollten, die Situation noch zu verändern, dann müssen sie unbedingt genutzt werden", sagte er im Deutschlandfunk. Dafür müsse Regierungschef Tsipras an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sieht weiter eine Chance für eine Einigung im Schuldenstreit. Doch machte er deutlich, dass die Regierung in Athen nun auf die Geldgeber zukommen müsse. "Es waren nicht wir, die gesagt haben, dass die Gespräche zu einem negativen Ende gekommen sind, es war die griechische Regierung", so Dijsselbloem.
Mehrheit der Griechen für Verbleib in der Eurozone
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, die griechische Regierung habe immer noch Zeit, ihren Kurs zu ändern und die Vorschläge der anderen Euro-Länder zu akzeptieren. Lagarde sagt der BBC, das Referendum basiere zwar auf Bedingungen, die nicht mehr gültig seien, weil das aktuelle Hilfsprogramm auslaufe. Sollten die Griechen aber mit einem überwältigenden Votum für einen Verbleib im Euro und eine Stabilisierung der heimischen Wirtschaft stimmen, wären die Gläubiger zu weiteren Anstrengungen bereit.
In Umfragen, die vor der Bekanntgabe der Volksabstimmung erhoben wurden, sprach sich eine Mehrheit der Griechen für einen Verbleib in der Eurozone und ein Abkommen mit den Gläubigern aus. In einer Erhebung für das Sonntagsblatt "Proto Thema" waren es 57 Prozent, in einer Umfrage für die Zeitung "To Vima", 47,2 Prozent.