Arbeitskampf im öffentlichen Dienst Wen die Warnstreiks treffen könnten
Nach gescheiterten Tarifverhandlungen hat der öffentlichen Dienst Warnstreiks angekündigt. Kitas, Schwimmbäder oder Ämter könnten daher kommende Woche tageweise schließen. Mit welchen Einschränkungen man jetzt rechnen muss.
Wann wird gestreikt?
Heute geht es in mehreren Bundesländern los. In Baden-Württemberg werden Verwaltungen, Kitas und Krankenhäuser in Freiburg und Emmendingen kurzfristig bestreikt; in Bayern trifft es die Stadtentwässerung in Augsburg. Auch in Nordrhein-Westfalen werden vornehmlich Kita-Mitarbeiter in den Ausstand treten - einen Schwerpunkt setzt ver.di in Gütersloh, wo auch am Städtischen Klinikum und in der Stadtverwaltung gestreikt wird. In Schleswig-Holstein sind die Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel und des Städtischen Krankenhauses zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. In allen anderen Bundesländern werden im Laufe der Woche Aktionen starten.
Was wird bestreikt?
Kitas, Krankenhäuser, Ordnungsämter oder Straßenmeistereien sind nur einige Bereiche, in denen es zu Streiks und damit zu Einschränkungen kommen könnte. Im öffentlichen Dienst gibt es Tausende verschiedene Berufsbilder. Hier arbeiten unter anderem Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenpflegerinnen, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster oder Ärzte. Keine dieser Bereiche sind von vornherein von den Streiks ausgenommen. Eltern kleinerer Kinder könnten also genauso betroffen sein wie etwa Verkehrsteilnehmer auf den städtischen Straßen. Bei der bisher letzten Tarifrunde 2018 machten massive Warnstreiks Hunderttausenden Eltern, Pendlern und Fluggästen über Tage das Leben schwer.
Warum wird gestreikt?
Da die zweite Runde der Tarifverhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern ergebnislos blieb, wollen die Gewerkschaften so den Druck erhöhen. Ver.di fordert für den öffentlichen Dienst eine Erhöhung der Entgelte um 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Vergütung der Auszubildenden soll danach um 100 Euro angehoben, die Altersteilzeitregelungen sollen verbessert und die Arbeitszeit im Osten an die im Westen angeglichen werden.
Was spricht für eine große Streikwelle?
Die enormen Gegensätze zwischen beiden Seiten. "Wir sind weit auseinander", sagte der Verhandlungsführer der Kommunen, der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge, schon zum Auftakt der zweiten Verhandlungsrunde. Ver.di-Chef Frank Werneke spricht hinterher von einem skandalösen Verhalten, einer Verzögerungstaktik und einer Verkennung des Ernstes der Lage bei den kommunalen Arbeitgebern. Auch die Corona-Pandemie sei kein Grund für Streikverzicht. "Streiks bedeuten in erster Linie, dass die Arbeit niedergelegt wird", so Werneke.
Was spricht eher für vergleichsweise milde Streiks?
Der Infektionsschutz. So wollen die Gewerkschaften keinesfalls Straßendemonstrationen ohne Einhaltung des Abstands veranstalten. Und Gewerkschaftsstrategen kalkulieren damit, dass viele Eltern nach den Kitaschließungen vom Frühjahr wohl wenig Verständnis für geschlossene Einrichtungen wegen des Tarifstreits aufbrächten. Vorsorglich versichert man auf Gewerkschaftsseite, mehr als ein bis zwei Tage am Stück würden Kitas erstmal nicht bestreikt. Unter anderem im Gesundheitsdienst gilt bei vielen Mitarbeitern zudem das Arbeitsethos in Krisenzeiten als besonders groß - Warnstreiks mitten in der Pandemie könnten daher vielen Beschäftigten schwer fallen.
Welche Bedeutung haben die Tarifgespräche für die Betroffenen?
Eine unmittelbare. Beispiel 2018: Drei Erhöhungsschritte bis 1. März 2020 wurden bei der bisher letzten Einkommensrunde vereinbart. So bekam ein Müllwerker in der höchsten Gehaltsstufe schon im ersten Schritt monatlich 82 Euro mehr, nämlich 2712 Euro. Ein Jurist der Entgeltgruppe 13 steigerte sein Einkommen um 160 auf 5683 Euro.
Wer steht bei den Verhandlungen besonders im Fokus?
Beschäftigte von Krankenhäusern, Sparkassen und Flughäfen, für die auch in ausgelagerten Sonderrunden verhandelt wird. Etwa für die Flughafenangestellten zielt ver.di auf einen Sanierungs- oder Notlagentarifvertrag ab. Denn hier drohen Kündigungen in großem Umfang.
Wie geht es weiter?
Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte ein Angebot der Arbeitgeber zur dritten Verhandlungsrunde an. Diese ist für 22. und 23. Oktober angesetzt. Das klingt nach der Erwartung einer Einigung in diesen Tagen. Die Gespräche könnten aber auch scheitern. Dann käme eine Schlichtung - oder, weniger wahrscheinlich, es folgen reguläre Streiks.
Quelle: dpa