Zweites Hilfspaket für Griechenland Wer soll was bezahlen?
Die Zahlen sollen von Entschlossenheit künden. Mit Milliarden Euro wollen die Euro-Staaten Griechenland erneut vor dem Kollaps bewahren. Auch der private Sektor werde beteiligt, versichern die EU-Spitzenpolitiker. Doch wieviel Geld fließt tatsächlich - und von wem? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Von Eckart Aretz und Ralph Sartor, tagesschau.de
Wie groß ist der Umfang des zweiten Rettungsprogramms?
Die EU spricht von einem Hilfspaket in Höhe von "geschätzt" insgesamt 109 Milliarden Euro. Davon sind 54 Milliarden Euro für neue Kredite gedacht und 55 Milliarden für den Aufkauf alter Schulden und die Absicherung neuer Kredite. Die Euro-Länder beteiligen sich über den Europäischen Stabilitätsfonds EFSF und über die Europäische Zentralbank. Auch der Internationale Währungsfonds IWF soll sich - wie beim ersten Griechenland-Paket - beteiligen. In welcher Höhe, ist aber noch unbekannt.
Mindestens 37 Milliarden Euro netto sollen laut EU bis 2014 von privaten Gläubigern kommen. Außerdem veranschlagt die EU ein Schuldenrückkaufprogramm der privaten Gläubiger in Höhe von 12,6 Milliarden Euro. Für die Zeit bis 2019 - also weit nach Ende der derzeitigen Hilfsprogramme - sagt die EU sogar eine private Beteiligung von 106 Milliarden Euro voraus.
Welche Leistungen erhält Griechenland vom EFSF?
Der EFSF stellt Griechenland Kredite mit einem geringeren Zinssatz zur Verfügung. Griechenland soll nun einen Zinssatz von 3,5 Prozent zahlen - das entspricht dem, was der EFSF zurzeit selber auf den Märkten bezahlen muss. Dieser Zinssatz soll auch für Irland und Portugal gelten. Zugleich wird die Rückzahlungsfrist für Kredite aus dem bereits laufenden Hilfsprogramm deutlich verlängert. Sie betrug bisher 7,5 Jahre. Nunmehr hat Athen mindestens 15 bis 30 Jahre Zeit, seine Schulden zu tilgen.
Wie sollen sich die privaten Gläubiger beteiligen?
Die privaten Banken und Versicherungen sollen ihren Beitrag leisten, indem sie alte Anleihen gegen neue zu niedrigeren Zinsen tauschen, auslaufende Kredite verlängern oder sich ihre Schulden mit einem Abschlag abkaufen lassen.
Wie sicher ist die Beteiligung privater Banken und Versicherungen?
Die Beteiligung der privaten Banken und Versicherungen soll freiwillig geschehen. Damit beugt sich die EU dem Drängen Frankreichs und der Europäischen Zentralbank. So sollte eigentlich verhindert werden, dass die Ratingagenturen Griechenland für zahlungsunfähig erklären - was sie aber nun trotz Freiwilligkeit tun. Doch ob sich die privaten Gläubiger beteiligen werden und, wenn ja, in welcher Höhe, kann niemand voraussagen. Deswegen sind auch die Zahlen, die privaten Gläubiger würden sich mit 37, 50 oder langfristig gar mit 109 Milliarden Euro beteiligen, nicht belastbar.
Wie schwer trifft der Beschluss die deutschen Banken?
Die deutschen Banken hielten zuletzt griechische Papiere im Wert von etwa 20 Milliarden Euro - davon entfallen allein auf die Bad Bank der verstaatlichten (also nicht mehr privaten) HRE etwa 7,4 Milliarden. Laut Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann werden die Banken den Wert ihrer Griechenland-Beteiligungen in den Bilanzen um 21 Prozent herabstufen. An den Märkten werden zehnjährige Griechenland-Anleihen aber zurzeit mit Abschlägen von deutlich mehr als 40 Prozent gehandelt.
Zwar sagt Ackermann, die Beteiligung treffe die Banken "hart" - ein Verkauf der Papiere oder ein totaler Zahlungsausfall wäre aber sicher härter gewesen. Außerdem dürfte sich an der privaten Beteiligung auch - zumindest indirekt - doch wieder der Staat und damit die Steuerzahler beteiligen: Die Abschreibungen mindern die Gewinne und damit auch die Steuern, die auf diese Gewinne gezahlt werden würden.
Ist damit eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands abgewendet?
Griechenland erhält durch das zweite Rettungsprogramm zunächst einmal mehr Zeit, seine Schulden zu bedienen. Athen kann ferner darauf hoffen, die später auslaufenden Kredite dann mit günstigen Krediten abzulösen. Zudem signalisiert die EU den Märkten, dass sie das Land weiter unterstützt. Dies hilft auch anderen Euro-Staaten mit Finanzproblemen wie Irland, Portugal, Spanien oder Italien. Die Ratingagenturen aber dürften, wie zuvor angedroht, die Beteiligung der Banken als teilweise Zahlungsunfähigkeit werten - Fitch hat dies bereits angekündigt. Das würde es Griechenland vorübergehend unmöglich machen, auf dem freien Markt an Kredite zu kommen.
Zudem darf dann die EZB griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Kredite akzeptieren. EZB-Chef Jean-Claude Trichet, der lange gegen eine Beteiligung der privaten Banken gekämpft und Kanzlerin Merkel ungewöhnlich offen kritisiert hatte, hat deshalb auf dem Gipfel deutlich gemacht, dass dann die Euro-Länder die fehlende Sicherheit mit 35 Milliarden Euro garantieren müssen.
Wird es nun Eurobonds geben?
Nein, sagen die Beteiligten, gemeinsame Anleihen aller Euro-Staaten werde es nicht geben - de facto aber wohl doch. Die neuen Kredite der Euro-Länder für Griechenland sollen über den Euro-Rettungsschirm EFSF abgewickelt werden. Zudem soll der EFSF griechische Anleihen kaufen. Dafür soll dieser Anleihen ausgeben - für deren Sicherheit wiederum letztlich die Euro-Staaten garantieren. Damit wäre ein wesentliches Merkmal für einen Eurobond erfüllt: Die Euro-Staaten haften gemeinsam für diese Anleihen.
Heißen wird diese Anleihe allerdings wohl anders - zu eindeutig und zu vehement hatte sich die deutsche Bundesregierung gegen Eurobonds ausgesprochen. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker formulierte es zu Beginn des Gipfels so: Eurobonds seien nicht geplant. "Aber die Lösungen, die angedacht werden, sind nicht meilenweit davon entfernt."
Wer sind die Gewinner und Verlierer dieses Gipfels?
Das ist nur sehr schwer einzuschätzen. Die Union ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Siegerin aus, weil sie die Beteiligung privater Banken und Versicherungen durchgesetzt habe. Aber bislang ist völlig unklar, in welchem Umfang diese sich tatsächlich beteiligen werden - ob wirklich ein hoher zweistelliger Milliardenbetrag zustande kommt, ist zumindest fraglich. Zudem wird es nun doch die von Merkel vehement abgelehnten Eurobonds geben - wenn auch nur durch die Hintertür und mit vermutlich anderem Namen.
Diese Bewertungen gelten umgekehrt natürlich auch für die anderen Protagonisten: Diejenigen, die prinzipiell gegen eine Beteiligung Privater waren, haben sich nicht durchsetzen können, die EZB musste das Risiko eines teilweisen Zahlungsausfalls hinnehmen - und Eurobonds in Reinform wird es auch nicht geben. Insofern mussten für die Gipfelbeschlüsse alle Seiten Zugeständnisse machen - und erst, wenn klar ist, wie die Details zum Beispiel der privaten Beteiligung aussehen werden, wird auch absehbar sein, wessen Zugeständnisse die größeren waren.