Lieferungen gehen zurück Preissprung am Erdgasmarkt
Gestern reagierten die Erdgaspreise noch relativ gelassen auf die gesunkenen Lieferungen nach Europa. Doch nachdem es heute ein weiteres kräftiges Minus gibt, verliert der Markt doch etwas die Fassung.
Die Erdgas-Lieferungen sinken - jetzt reagiert auch der Preis: Seit Mittwochabend legte der aktuellste Kontrakt des marktbeherrschenden "Dutch TTF Natural Gas Futures" um rund 21 Dollar auf rund 115 US-Dollar je Megawattstunde zu. Das war der höchste Stand seit mehr als zwei Wochen.
TTF ist die Abkürzung für "Title Transfer Facility”. Dabei handelt es um einen virtuellen Handelspunkt im niederländischen Gasnetz, über den Erdgas für die Niederlande an den Terminbörsen in London und Chicago gehandelt wird. Dieser wird von den Marktteilnehmern in vielen europäischen Ländern als ein so genannter Referenzmarkt als herausragend wichtig betrachtet.
Erhöht die Ukraine den Druck?
Der Märkte reagierten mit dem kräftigen Preisaufschlag beunruhigt auf den zweiten Tag hintereinander, an dem die Durchleitung von russischem Erdgas durch die Ukraine in erheblichem Maße sinkt. Mittlerweile kommt nur noch weniger als die Hälfte der technisch möglichen Maximalmenge in Westeuropa an.
"Offenbar bestehen Sorgen, dass die Gaslieferungen über die Ukraine weiter eingeschränkt werden könnten", kommentierte Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. "Möglicherweise versucht die Ukraine, Druck auf Ungarn auszuüben, dem EU-Ölembargo gegen Russland zuzustimmen." Noch immer stelle sich das osteuropäische Land quer. "Ungarn bezieht sein Öl größtenteils aus Russland und sein Gas über die Ukraine."
Welche Pläne verfolgt Moskau?
Andere Marktteilnehmer verweisen zudem auf die Forderung von Russland, Zahlungen für Energieexporte nur noch in Rubel zu akzeptieren, um möglicherweise die Sanktionen der EU zu unterlaufen. Russland hatte zuletzt seine Erdgaslieferungen nach Bulgarien und Polen eingestellt, da unter anderen diese beiden Ländern die Zahlungen nicht in der russischen Währung leisten wollten.
Marktbeobachter hatten diese Strafmaßnahme als Warnschuss auch für Länder wie Deutschland interpretiert, den Aufforderungen des Kremls Folge zu leisten. Laut Experten könnte diese Frage im Laufe Mai noch akuter werden, wenn Zahlungen von weiteren europäischen Abnehmern fällig werden.
Preis im Winter billiger als im Sommer
Doch unabhängig vom aktuellen Preisanstieg hat sich ein weiterer Trend verstetigt. Die Preise für die Monate des kommenden Winters sind niedriger als die des nahenden Sommers. Bei allen Irritationen geht der Markt also noch immer - und wie schon seit vielen Wochen - davon aus, dass die Versorgungslage in der nächsten kalten Jahreszeit sogar etwas besser als in naher Zukunft ausfallen wird. Der Markt scheint Aussagen wie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu glauben, Deutschland habe sich vorbereitet.