Wall Street stabil Hoffen auf die Fed
Die Furcht vor weiteren Bankenpleiten nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank hat den DAX zum Wochenstart drei Prozent gekostet. An der Wall Street keimte im Verlauf neue Hoffnung auf.
Seit dem vergangenen Wochenende ist die Börsenwelt eine andere. Während der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) Schockwellen durch die internationalen Finanzmärkte sandte, keimte im Tagesverlauf an der Wall Street eine völlig neue Hoffnung auf: Was, wenn die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wegen der jüngsten Turbulenzen ihre nächste Zinserhöhung verkleinert oder ganz ausfallen lässt?
"Angesichts des Stresses im Bankensystem erwarten wir nicht mehr, dass der FOMC auf seiner nächsten Sitzung am 22. März eine Zinserhöhung vornehmen wird", schrieben etwa die Analysten von Goldman Sachs. Diese Hoffnung auf eine Zinspause half den Kursen an der Wall Street wieder nach oben. Der Standardwerteindex Dow Jones konnte seine Verluste eindämmen und schloss 0,3 Prozent tiefer, nachdem er am Freitag bereits 1,1 Prozent eingebüßt hatte.
Für den Technologieindex Nasdaq 100 ging es auch dank zweier Übernahmen in der Biotech-Branche um 0,8 Prozent nach oben. Wegen der früheren Umstellung auf die Sommerzeit schließen die US-Börsen in dieser und der nächsten Woche bereits um 21.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit.
Entwarnung kann derweil noch nicht gegeben werden. Die Finanzkrise vor 15 Jahren hat vor allem gelehrt, dass staatliche Institutionen sehr rasch die Kontrolle über das Geschehen am Bankenmarkt verlieren können. Die entscheidende Frage für die Finanzmärkte ist, ob die Finanzaufsicht und der Bankensektor selbst die richtigen Schlüsse aus dem damaligen Debakel gezogen haben.
Glaubt man US-Präsident Joe Biden, ist dies der Fall und das Bankensystem ist sicher. Die Einlagen der Kunden von SVB wurden garantiert, die Notenbank Fed legte ein neues Kreditprogramm für die Banken auf. Doch inzwischen steht mit der First Republic Bank offenbar ein weiteres US-Geldhaus vor großen Problemen. "Die Sorge der Anleger ist, dass weitere Banken angesichts steigender Zinsen und Renditen das Handtuch werfen könnten", kommentierte Christian Henke von IG Markets.
Die US-Regulierer hätten die Einlagen der Kunden nach der Schließung der SVB und der New Yorker Signature Bank zwar gesichert, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Handelshaus QC Partners. Dieser Schritt "zeigt aber auch, wie ernst die US-Notenbank Fed, der Sicherungsfonds FDIC und das Finanzministerium den Fall nehmen", ergänzte Altmann. Wenn das Misstrauen kleineren Banken gegenüber zunehme und in großem Stil Einlagen abgezogen werden, könne ein gefährlicher Dominoeffekt entstehen.
Tatsache ist, dass die Kapitalausstattung der großen Banken seit der Krise deutlich besser geworden ist. So hält der Bundesverband deutscher Banken (BdB) die Folgen der SVB-Pleite für die hiesigen Geldhäuser für eng begrenzt. "Die deutschen Banken sind robust, stabil und widerstandsfähig", so der BdB. "Sie haben ihr Kapital seit 2008 massiv aufgestockt." Seit der damaligen Finanzkrise sei die durchschnittliche Kernkapitalquote von 9,3 Prozent auf 15,8 Prozent gestiegen.
Dem deutschen Aktienmarkt bescherte der Kollaps der beiden US-Regionalinstitute SVB und Signature Bank einen ungemütlichen Wochenstart. Der DAX musste am Ende die runde Marke von 15.000 Punkten preisgeben und büßte drei Prozent ein.
Andere Indizes wie der europäische Auswahlindex EuroStoxx 50 verzeichneten ähnlich hohe Verluste. Der marktbreite Stoxx Europe 600 erreichte das niedrigste Niveau seit zehn Wochen. Der Bankenindex des Stoxx Europe 600 verlor seit dem vergangenen Donnerstag neun Prozent an Wert.
Morgen stehen die US-Verbraucherpreise zur Veröffentlichung an. Am Donnerstag folgt der nächste Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Investoren dürften hoffen, dass die Daten die schwierige Situation nicht weiter verschärfen.
Die Turbulenzen auf dem US-Bankenmarkt hinterließen auch an den Rohstoffmärkten deutliche Spuren. Eine konjunkturelle Eintrübung würde die Nachfrage bremsen, was die Ölpreise deutlich unter Druck brachte. Am Abend notierte Rohöl der europäischen Sorte Brent 2,4 Prozent tiefer bei 80,50 Dollar pro Barrel (159 Liter). Die US-Regierung genehmigte derweil ein umstrittenes Ölbohrprojekt in Alaska. Der Energiekonzern ConocoPhillips soll in den kommenden Jahrzehnten auf staatlichem Gebiet rund 600 Millionen Barrel Öl fördern.
Angesichts der hohen Verunsicherung an den Finanzmärkten schlug die Stunde des Goldes. Die Notierung für eine Feinunze (rund 31,1 Gramm) stieg auf den höchsten Stand seit Anfang Februar. Am Abend notierte die Feinunze 1,9 Prozent höher bei 1913 Dollar. "Die Angst vor einer neuen Banken- und Finanzkrise trieb Anleger in den sicheren Hafen Gold", kommentierte Alexander Zumpfe, Edelmetallhändler bei Heraeus. Hinzu komme die Erwartung, dass die US-Notenbank das Tempo der Zinserhöhungen nach den jüngsten Turbulenzen reduzieren könnte. Andere Experten verwiesen auf den schwächeren Dollarkurs. Gold wird so für Anleger aus anderen Währungsräumen günstiger.
Der US-Pharmariese Pfizer kauft das Biotech-Unternehmen Seagen, das auf innovative Krebsbehandlungen spezialisiert ist, für den Preis von 43 Milliarden Dollar. Pfizer setze seine finanziellen Ressourcen ein, "um im Kampf gegen den Krebs voranzukommen", erklärte Firmenchef Albert Bourla. Derzeit wächst Seagen enorm und erwartet in diesem Jahr ein Umsatzplus von zwölf Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar. Pfizer will den Kauf Ende 2023 oder Anfang 2024 abschließen - noch fehlt die Zustimmung der Behörden sowie der Aktionäre von Seagen.
Unter großem Druck standen im DAX die Papiere der Commerzbank und der Deutschen Bank. Trotz der Versicherung des Bankenverbands, die hiesigen Institute seien stabil, verlor die Commerzbank-Aktie zeitweise über 14 Prozent. In Zürich sackten die Aktien der krisengeplagten Credit Suisse auf ein Rekordtief. Die Anteile der UBS fielen ebenfalls. Auch andere europäische Geldinstitute wie BNP Paribas und Société Générale in Paris, ING und NN in Amsterdam sowie Banco BPM und UniCredit in Mailand verbuchten kräftige Kursverluste.
Der VW-Konzern baut sein nächstes Werk zur Fertigung eigener Batteriezellen für E-Autos in Kanada. Geplant sei die erste solche Fabrik der Sparte PowerCo außerhalb Europas in St. Thomas in der Provinz Ontario, teilte der Autobauer mit. Produktionsstart in St. Thomas soll 2027 sein. In Europa plant Volkswagen insgesamt zunächst sechs Fabriken für eigene Akkuzellen von E-Fahrzeugen, auch um unabhängiger von asiatischen Zulieferern zu werden. Erst kürzlich hatte VW angekündigt, in South Carolina ein Werk für seine neue Pick-up-Marke Scout zu bauen. "Mit den Entscheidungen für die Zellproduktion in Kanada und für den Scout-Standort beschleunigen wir die Umsetzung unserer Nordamerika-Strategie", erklärte Konzernchef Oliver Blume.
Trotz Lieferschwierigkeiten hat der Sport- und Geländewagenbauer Porsche im vergangenen Jahr deutlich zugelegt. Mit 6,8 Milliarden Euro lag das Ergebnis vor Zinsen und Steuern um 27,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Den Umsatz steigerten die Stuttgarter im Jahr ihres Börsengangs um 13,6 Prozent auf 37,6 Milliarden Euro. Der Absatz stieg, wie bereits bekannt, um 2,6 Prozent auf 309.884 Autos.
Der Softwarekonzern SAP hat seine Mehrheitsbeteiligung an der Datenanalyse-Firma Qualtrics für 7,7 Milliarden Dollar an den Finanzinvestor Silver Lake verkauft. Silver Lake und die kanadische Pensionskasse CPPIB hätten die von SAP gehaltenen 423 Millionen Qualtrics-Aktien zu je 18,15 Dollar erworben, teilte der DAX-Konzern mit. Dies bedeute einen Aufschlag von 73 Prozent gegenüber dem durchschnittlichen 30-Tage-Handelskurs vor der Ankündigung von SAP, einen Verkauf seiner 71-prozentigen Beteiligung zu prüfen. Qualtrics komme damit auf einen Unternehmenswert von rund 12,5 Milliarden Dollar.
Die britische Großbank HSBC hat die britische Tochter der in Schieflage geratenen Silicon Valley Bank (SVB) übernommen. Die britische Regierung teilte mit, die Transaktion sei "von der Bank of England in Absprache mit dem Finanzministerium erleichtert" worden. "Es sind keine Steuergelder beteiligt, und Kundeneinlagen wurden geschützt", hieß es in London weiter. Kommentatoren in London sprachen von einem Erfolg für die Tech-Branche im Land.
Der Facebook-Konzern Meta denkt über eine Twitter-Alternative nach. "Wir erwägen ein eigenständiges dezentrales Online-Netzwerk für Text-Updates", bestätigte ein Meta-Sprecher in der Nacht zum Samstag entsprechende Medienberichte. Man glaube, dass es Chancen für einen Ort gebe, an dem unter anderem Personen des öffentlichen Lebens "Updates über ihre Interessen teilen können".
Im Ringen um möglichen Schadenersatz für durch den Wirecard-Skandal geschädigte Anleger hat das Bayerische Oberste Landesgericht den Musterkläger für das Kapitalanleger-Musterverfahren bestimmt. Der Anleger wurde aus den Klägern von rund 1800 ausgesetzten Verfahren ausgewählt und hat nun bis Mitte Juni Zeit, sich dem Gericht gegenüber schriftlich zu äußern. Danach kommen die Musterbeklagten an die Reihe. Vor etwa einem Jahr hatte das Landgericht München I den Weg für das Musterverfahren geebnet. Zu den Beklagten zählt dabei in einem großen Teil der Fälle auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Wirecard brach im Sommer 2020 zusammen, nachdem der Vorstand eingeräumt hatte, dass 1,9 Milliarden angeblich auf Treuhandkonten verbuchte Euro nicht auffindbar waren. Dem früheren Wirecard-Chef Markus Braun wird derzeit in München der Prozess gemacht. EY hatte die gefälschten Bilanzen des früheren DAX-Konzerns über Jahre testiert. Musterverfahren sollen zentrale Fragen von hoher Instanz klären lassen. Der Musterentscheid gibt dann die Richtschnur für die weiteren Verfahren vor.
Der US-Flugzeugbauer Boeing kann seinen Langstreckenjet 787 Dreamliner wieder an Kunden übergeben. Die US-Luftfahrtaufsicht FAA teilte mit, dass Boeing die Bedenken der Behörde ausgeräumt habe. Der Airbus Rivale hatte die Auslieferungen vor rund zwei Wochen stoppen müssen, weil zusätzliche Untersuchungen einer Komponente des Flugzeugrumpfs nötig wurden.
Der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco hat im vergangenen Jahr dank hoher Ölpreise und weltweit gestiegener Nachfrage wieder einen kräftigen Gewinnsprung verzeichnet. Der Überschuss stieg 2022 auf 161 Milliarden US-Dollar nach 110 Milliarden im Jahr zuvor, wie der saudische Branchenriese am Sonntag mitteilte. Seit dem Börsengang Ende 2019 ist dies der größte Nettogewinn des Konzerns.