Kurse eingebrochen Die Unsicherheit regiert
Wohin steuert der Ukraine-Konflikt? Die Unsicherheit darüber lastete zu Wochenbeginn schwer auf den Börsen. Die Märkte bleiben deutlich angeschlagen.
Ein Thema, das seit Wochen im Hintergrund schwelt, hat die Börsen zu Wochenbeginn in Schrecken versetzt. Akute Sorgen vor einer russischen Invasion der Ukraine ließen die europäischen Aktienmärkte einbrechen.
Auch an der Wall Street gerieten die Kurse im Verlauf erneut unter Druck. Die Standardwerte des Dow Jones gaben weitere 0,5 Prozent ab, während die Technologiewerte des Nasdaq-100 ein knappes Plus von 0,1 Prozent in den Handelsschluss retteten.
Die USA sprechen weiterhin von konkreten Invasionsszenarien. Russland könne noch in dieser Woche einen Angriff auf das Nachbarland starten. Zuletzt hatte das Außenministerium erklärt, es werde sein verbliebenes Personal der Botschaft in der Ukraine von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw in der Westukraine verlegen.
Auch die Zinsängste setzten der Wall Street weiter zu: US-Notenbanker James Bullard hat erneut eine kräftige Zinserhöhung gefordert. Die US-Notenbank Fed sollte aus seiner Sicht in den drei Sitzungen bis zum 1. Juli den Leitzins um insgesamt einen vollen Prozentpunkt anheben. Angesichts der hohen Inflation rechnen mittlerweile viele Marktteilnehmer damit, dass die Fed den Leitzins bereits im März um volle 50 Basispunkte anhebt.
Derzeit sehen sich Marktteilnehmer aber vor allem in der ungünstigen Lage, von den Entscheidungen eines Einzelnen abhängig zu sein. Erst als am frühen Nachmittag neue Signale von Russlands Präsident Wladimir Putin für eine Fortsetzung der Verhandlungen mit dem Westen kamen, konnten die europäischen Börsen ihre Tagesverluste eindämmen. Der DAX beendete den Handelstag 2,0 Prozent tiefer. Zuvor war der deutsche Leitindex bis auf 14.844 Punkte eingebrochen, was einem Minus von 3,8 Prozent entspricht.
Die Befürchtungen sind real: Greift Russland die Ukraine an, bedeutet dies für die Wirtschaft eine Verschärfung der Lieferengpässe, sprunghaft weiter steigende Energiekosten und damit weiteren Inflationsdruck.
Wie nervös die Börsen sind, zeigte sich auch an der Entwicklung des VDAX. Der Volatilitätsindex, der die erwartete Schwankungsbreite der DAX-Kurse misst, schnellte heute um 37,5 Prozent auf 31,7 Punkte empor. Das ist der höchste Stand seit mehr als einem Jahr.
Mit dem zwischenzeitlichen Rutsch unter die runde Marke von 15.000 Punkten hatte der DAX ein deutliches Verkaufssignal gesendet. Das Tagestief bildet nun mit dem Oktober-Tief bei 14.818 Punkten eine wichtige Unterstützungszone.
Die Nervosität der Aktienmärkte hängt eng mit den Rohstoffmärkten zusammen. Im Konfliktfall würden die Ausfuhren Russlands zweifellos zurückgehen, was an den Rohstoffmärkten schon seit Wochen die Preise treibt.
"Russland ist weltweit der zweitgrößte Exporteur von Rohöl und der größte Exporteur von Erdgas", erklärte Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren, sei mit einem deutlichen Anstieg der Rohöl- und Erdgaspreise zu rechnen. In diesem Fall würde Brent wahrscheinlich 100 Dollar pro Barrel überschreiten, prognostizierte Fritsch.
Am Morgen hatten die beiden wichtigsten Erdölsorten die höchsten Stände seit Herbst 2014 markiert. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostet bis zu 96,07 US-Dollar, für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) müssen bis zu 94,92 Dollar gezahlt werden. Die beschwichtigenden Töne aus dem Kreml beruhigten die Lage nur vorübergehend.
Auch der Weizenpreis wird stark vom Ukraine-Konflikt beeinflusst. Die Angst vor einem Ausfall russischer und ukrainischer Lieferungen trieb den US-Terminkontrakt am Vormittag um zwei Prozent auf 8,135 Dollar je Scheffel.
Russland und die Ukraine zählen zu den wichtigsten globalen Weizenexporteuren. Zusammen exportieren die beiden Produzenten etwa 60 Millionen Tonnen Weizen. Damit bestreiten sie knapp 30 Prozent des globalen Weizenhandels.
An den Devisenmärkten war der "sichere Hafen" US-Dollar gefragt. Der Greenback stieg auch wegen der erneuerten Zinsspekulationen auf breiter Front. Im Gegenzug fiel der Euro. Die europäische Gemeinschaftswährung lag am Abend knapp unter der Marke von 1,13 Dollar.
Der Goldpreis, der zunächst von der gestiegenen Risikoaversion der Anleger nicht profitieren konnte, machte sich am Nachmittag nach oben auf und legte deutlich zu auf Kurse um 1870 Dollar.
Auffallend deutlich ging es mit dem amerikanischen Pharmakonzern Pfizer und seinem deutschen Partner BioNTech nach unten. Die sich derzeit weltweit entspannende Pandemielage lässt tendenziell eine geringere Impfstoffnachfrage erwarten. Zuvor hatten BioNTech und Pfizer mitgeteilt, dass sie ihren Anfang Februar bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereichten Antrag auf Notfallzulassung ihres Corona-Impfstoffs für Kinder unter fünf Jahren doch noch einmal um Daten zu Studien mit einer dritten Dosis aktualisieren wollen. Von der FDA hieß es daraufhin, dass ein eigentlich für den 15. Februar geplantes Treffen deswegen nun vorerst verschoben werde.
Exemplarisch für die Kursentwicklung vieler Standardtitel war der Einbruch der Thyssenkrupp-Aktie im MDAX. Der Mischkonzern ging mit einem Verlust von mehr als sieben Prozent aus dem Handel. Die Aktie notiert damit wieder auf dem Niveau des vergangenen Oktober, ist also in eine technisch schwierige Lage geraten, da die zwischenzeitlich erreichten Kurse nun als technische Widerstände fungieren.
Die Fluggesellschaft Norwegian meidet aufgrund der zugespitzten Sicherheitslage im Raum um die Ukraine im Konflikt mit Russland bis auf Weiteres den ukrainischen Luftraum. Die niederländische Fluggesellschaft KLM hatte am Wochenende mitgeteilt, ihre Flugverbindungen in die Ukraine einzustellen. Andere Airlines, darunter auch die Deutsche Lufthansa, prüfen ähnliche Schritte.
Nach Differenzen über den Umgang mit Vorgaben für mehr Frauen in Vorständen muss der Chef des Kölner Motorenbauers Deutz umgehend seinen Posten räumen. Der Vorstandsvorsitzende Frank Hiller ist vom Aufsichtsrat einstimmig aus dem Vorstand abberufen worden, teilte die Deutz AG mit.