Uneinheitlicher Handel Verunsicherung an der Wall Street
Die US-Börsen haben zum Wochenstart keine klare Richtung gefunden. Während Tech-Aktien schwächelten, gab es bei den Standardwerten kaum Bewegung. Damit agierten die US-Anleger vorsichtig.
Die US-Aktienmärkte haben am Montag keine wirkliche Richtung gefunden. Anfangsgewinne konnten nicht gehalten werden, in der Folge wechselten die großen Indizes des öfteren das Vorzeichen. Mangels wichtiger Konjunktur- und Unternehmensnachrichten lief der Handel insgesamt in ruhigen Bahnen. Neben den anhaltenden Konjunktur- und Zinssorgen mahnten auch die jüngsten Ereignisse in Russland die Anleger zur Zurückhaltung.
Am besten hielt sich der Leitindex Dow Jones, der bei 33.714 Zählern nahezu unverändert aus dem Handel ging. Das Mini-Minus lag bei 0,04 Prozent. Am Freitag hatte der Leitindex den fünften Tag in Folge tiefer geschlossen und den größten Wochenverlust seit Anfang März verzeichnet.
Der marktbreite S&P 500 schloss bei 4328 Punkten um 0,45 Prozent leichter. Die technologielastige Nasdaq sackte hingegen stärker ab und baute die Verluste im Verlauf aus. Der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor letztlich 1,36 Prozent auf 14.689 Punkte, der Composite-Index gab 1,16 Prozent nach.
Bestimmendes Thema in New York bleibt derzeit trotz der jüngsten Russland-Krise weiterhin die Zinspolitik. Mehrere Notenbanken hatten ihre Leitzinsen teils deutlicher als erwartet angehoben und weitere Erhöhungen angedeutet. Auch die US-Notenbank Fed hat signalisiert, dass das Ende der Fahnenstange ungeachtet der Zinspause im Juni noch nicht erreicht ist. Von daher werden neue Daten zu den Auftragseingängen, dem Verbrauchervertrauen oder dem BIP, die in dieser Woche auf der Agenda stehen, mit Spannung erwartet.
"Die Art und Weise, wie die Anleger jetzt kaufen oder verkaufen, wird von der Erwartung abhängen, ob es Ende des nächsten Monats eine Zinserhöhung geben wird", sagte Randy Frederick vom Brokerhaus Charles Schwab. "Deshalb werden alle Wirtschaftszahlen, die wir bis dahin erhalten, einen Einfluss auf den Aktienmarkt haben."
IBM-Aktien weckten unter den US-Einzelwerten heute das Interesse des Marktes, die Aktie legte am Ende knapp 1,5 Prozent zu. Mit einem milliardenschweren Zukauf verstärkt das IT-Urgestein sein Cloud-Geschäft. Der IT-Konzern kündigte am Montag an, den Software-Anbieter Apptio für 4,6 Milliarden Dollar zu übernehmen. Der Deal werde aus den eigenen Barreserven finanziert und voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 abgeschlossen. Apptio hat sich auf Cloud-Programme zur Ausgaben- und Budgetplanung von Unternehmen spezialisiert.
Der DAX pendelte wie schon am Freitag um die technische Unterstützungsmarke von 15.800 Punkten. Bei einer Schwankungsbreite zwischen 15.713 und 15.874 Punkten schloss der Leitindex bei 15.811 Punkten um 0,11 Prozent leicht schwächer. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, ging hingegen um 0,16 Prozent leicht höher aus dem Handel bei 26.832 Punkten.
Ähnlich wie am Freitag, als der DAX letztlich bei 15.829 Punkten aus dem Handel ging, tauchte der Index im Verlauf bis auf 15.713 Punkte ab, konnte sich danach aber wieder erholen. Der Leitindex versuche das Kursniveau bei 15.800 Punkten zu verteidigen, kommentierte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst bei CMC Markets.
Es war heute der sechste Verlusttag in Folge. Mittlerweile notiert das deutsche Börsenbarometer über vier Prozent unterhalb seines Allzeithochs bei 16.427 Punkten, das es am "Großen Verfallstag" Mitte Juni erzielt hatte.
Ein überraschend schwacher ifo-Index, gepaart mit anhaltenden Zins- und Rezessionsängsten, sorgte heute dafür, dass sich die Anleger zurückhielten. Hinzu kam die unübersichtliche Lage in Russland nach dem Aufstand der Söldnerarmee Wagner.
"Obwohl beide Seiten einen Schritt zurücktraten, ist die Situation eine Erinnerung an die Spannungen innerhalb Russlands und an wichtige Fragen zur institutionellen Nachhaltigkeit des Putin-Regimes", sagte Gregor Hirt vom Vermögensverwalter Allianz Global Investors. "Alles in allem bleibt die Situation unklar, wobei die Wahrscheinlichkeit extremer Ergebnisse zunimmt."
Aus charttechnischer Perspektive ist der Rutsch unter das Freitagstief (15.733 Punkte) allerdings negativ zu werten. Eine weitere Unterstützungszone bei 15.600/15.700 Zählern könnte nun einer neuen Belastungsprobe unterzogen werden. Bereits in der Vorwoche hatte sich das Chartbild im DAX mit dem Rutsch unter die 21- und 50-Tage-Linien eingetrübt.
Unter den Einzelwerten im DAX waren die Schwankungen überschaubar. Zu den größten Gewinnern gehörten Covestro, für die es Interesse aus dem Golf-Emirat Abu Dhabi gibt. Covestro habe das erste Angebot des staatlichen Ölkonzerns Adnoc als zu niedrig abgelehnt, sagten zwei mit der Sache vertraute Personen bereits in der Vorwoche. Die vorgeschlagene Bewertung von gut zehn Milliarden Euro sei keine Grundlage für weitere Gespräche, hieß es weiter. An der Börse sorgt das auch weiterhin für Fantasie.
Im DAX konnte sich die Aktie von Siemens Energy nach ihrem jüngsten heftigem Kurseinbruch nicht stabilisieren, mit einem Abschlag von fast drei Prozent war sie erneut der größte Kursverlierer im deutschen Leitindex. Nach der Gewinnwarnung sei die weitere Entwicklung des Energietechnik-Konzerns kaum mehr planbar, monierte Citigroup-Analyst Vivek Midha. Die US-Bank hat Siemens Energy von "Buy" auf "Neutral" abgestuft und das Kursziel von 29 auf 18 Euro gesenkt.
Die Deutsche Bank Research senkte das Kursziel für den DAX-Konzern von 26 auf 20 Euro, beließ aber die Einstufung auf "Hold". Die Bewertung der Papiere mache nun zwar einen attraktiveren Eindruck, aber die Unsicherheiten blieben einfach zu groß, so Analyst Gael de-Bray.
Der Hauptverantwortliche für die schon seit vergangener Woche laufende Korrektur an den Aktienmärkten ist aber nicht der Chef der Söldner-Truppe Wagner, sondern Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Der oberste Währungshüter der USA hatte in der vergangenen Woche vor einem Ausschuss im Senat signalisiert, dass auch nach zehn Zinserhöhungen in den USA noch Spielraum nach oben ist. Investoren fürchten, dass eine zu aggressive Zinspolitik der Wirtschaft nachhaltig zusetzen könnte.
Vor diesem Hintergrund ist auch der neuerliche Einbruch des wichtigsten Frühindikators für die deutsche Konjunktur ein Alarmsignal. Das ifo-Geschäftsklima ist im Juni überraschend kräftig gefallen - und damit das zweite Mal in Folge.
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht sich daher in seiner Einschätzung bestätigt, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erneut schrumpfen wird. "Die noch immer zu optimistischen Konjunkturprognosen vieler Volkswirte dürften weiter nach unten revidiert werden." Bereits in der Vorwoche hatte mit den Einkaufsmanagerindizes ein weiterer wichtiger Konjunkturfrühindikator negative Signale für die deutsche Wirtschaft gesandt.
An den Devisenmärkten war von einer groß angelegten Flucht in den "sicheren Hafen" Dollar nichts zu merken. Der Euro handelte zuletzt im US-Handel bei 1,0906 Dollar und damit in etwa so viel wie am Morgen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0918 (Freitag: 1,0884) US-Dollar fest. Der schwache ifo-Index aus Deutschland belastete den Euro nur kurz. Er erholte sich rasch wieder.
"Es braut sich ein konjunkturelles Unwetter zusammen", kommentierte Andreas Scheuerle, Volkswirt bei der Dekabank. "Die Unternehmen spüren in ihren Auftragsbüchern immer deutlicher die Bremsspuren der restriktiven Geldpolitik hierzulande, aber auch bei wichtigen Handelspartnern Deutschlands."
Laut Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg, befindet sich Deutschland mitten in einer Rezession. "Eine Konjunkturerholung rückt einstweilen in weite Ferne."
Die türkische Lira stand unterdessen weiter unter Druck. Sie sank zu Euro und Dollar auf Rekordtiefs. Die Leitzinsanhebung um 6,5 Prozentpunkte am Donnerstag hat nicht zu einer Stabilisierung der Lira geführt. Nach Einschätzung vieler Ökonomen ist die Anhebung angesichts der hohen Inflation zu niedrig ausgefallen. Laut Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann hat man nach dem personellen Neuanfang in der Notenbank eine einmalige Chance verpasst.
Der Rubel gab zeitweise auf ein 15-Monats-Tief nach. Die russische Landeswährung, die am Samstag und Sonntag nicht gehandelt worden war, stabilisierte sich zwar am späten Nachmittag mit 84,40 zum Dollar. Im Frühhandel lag der Rubel bei 87,23 und war damit so schwach wie seit März 2022 nicht mehr. "Der Höhepunkt der Spannungen ist vorbei, aber die schlechte Stimmung wird noch einige Zeit bleiben", sagte Alexei Antonow vom Moskauer Broker Alor.
Die Ölpreise sind heute trotz der Unruhen in Russland nur moderat gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete 74,47 US-Dollar. Das war rund ein Prozent mehr als am Freitag. Auch der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg in der gleichen Größenordnung auf 69,71 Dollar. Die jüngsten Geschehnisse in Russland hatten am Ölmarkt bisher keine größeren Auswirkungen
Die Rohstoffexperten der US-Bank Goldman Sachs begründeten die Gelassenheit mit den Rahmenbedingungen am Markt, an denen die Unruhen in Russland zunächst nichts geändert hätten. Seit einiger Zeit ist das Land für sein hohes Ölangebot bekannt. Fachleute vermuten, dass damit die niedrigeren Erdölpreise ausgeglichen werden sollen, um mit den Erlösen die hohen Kosten des Ukraine-Kriegs zu finanzieren. Andere Länder wie insbesondere Saudi-Arabien haben ihre Förderung dagegen deutlich reduziert, um die Rohölpreise zu stützen.
Am Erdölmarkt hatten zuletzt vor allem Konjunktursorgen den Ton angegeben und die Preise tendenziell belastet. Vor allem die Entwicklung in den beiden größten Verbrauchsländern der Welt, USA und China, sorgt für Verunsicherung. In den Vereinigten Staaten belasten die starken Zinsanhebungen der US-Notenbank Fed, während die chinesische Konjunktur sich nur langsam von der einst strengen Corona-Politik erholt.
Mögliche Kreditausfälle und höhere Rückstellungen trüben derweil die Lage bei den Banken. Die für die Kreditwirtschaft eigentlich positive Entwicklung steigender Zinsen, wodurch die Einnahmen der Geldhäuser steigen, trete derzeit angesichts der Wirtschaftsabkühlung in den Hintergrund, hieß es aus dem Handel.
Zu den allgemeinen Wirtschaftssorgen als Belastung für den Bankensektor kommen bei der Commerzbank eigene Probleme hinzu. Das Frankfurter Institut muss für seine polnische Tochter mBank weitere millionenschwere Belastungen stemmen, die Rückstellungen steigen.
Konkret muss die Bank für ihre polnische Tochter wegen deren Schweizer-Franken-Kreditportfolio eine zusätzliche Vorsorge von umgerechnet rund 342 Millionen Euro treffen. Dies werde das operative Ergebnis der Commerzbank im zweiten Quartal in der entsprechenden Höhe belasten. Bankaktien, die schwach starteten, erholten sich im Verlauf jedoch wieder.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat das Kursziel für Tesla zwar von 185 auf 248 Dollar angehoben, die Aktien aber von "Buy" auf "Neutral" abgestuft. Nach einem bislang starken Jahr 2023 spiegele die Aktie des Elektroautobauers seine langfristigen Erwartungen nun besser wider, schrieb Analyst Mark Delaney. Er hob außerdem das schwierige Preisumfeld für Neufahrzeuge hervor, was die Bruttomarge in diesem Jahr weiterhin belasten dürfte.
Das für viel Aufsehen sorgende Abnehmmittel "Wegovy" soll in gut einem Monat auch hierzulande verfügbar sein. "In Deutschland wollen wir es Ende Juli auf den Markt bringen", sagte der Chef des dänischen Herstellers Novo Nordisk, Lars Fruergaard Jørgensen, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Wegovy" ist seit Anfang 2022 in der EU zugelassen.
Der US-Krankenversicherer Unitedhealth setzt seine Einkaufstour unter Gesundheitsdienstleistern fort. Anfang Juni hatte die Service-Tochter Optum eine Offerte für das Pflegedienst-Unternehmen Amedisys angekündigt. Jetzt wurde sich Optum mit dem Verwaltungsrat von Amedisys einig.
Die Unitedhealth-Tochter bietet den Anteilseignern für jede Aktie 101 US-Dollar und damit 1 Dollar mehr als zunächst angekündigt, wie Amedisys heute in Baton Rouge (US-Bundesstaat Louisiana) mitteilte. Eine Komplettübernahme würde mit etwa 3,3 Milliarden US-Dollar (3,0 Mrd Euro) zu Buche schlagen. Amedisys bietet nach eigenen Angaben häusliche Gesundheits-, Hospiz- und Intensivpflegedienste an. Die Gesellschaft wurde 1982 gegründet und betreibt mit rund 18 000 Mitarbeitern mehr als 500 Pflegezentren in 37 Bundesstaaten und dem District of Columbia.
Die im Leitindex Dow Jones gelistete Unitedhealth-Aktie legte gegen den Trend 0,4 Prozent zu. Mit rund 450 Milliarden Dollar Marktwert ist Unitedhealth eines der größten Börsenschwergewichte im Leitindex und außerhalb des Tech-Sektors.
Skeptische Analystenkommentare nach der jüngsten Tesla-Rally setzten der Tesla-Aktie heute zu. Das Papier fiel um sechs Prozent auf 241,05 Dollar. Dies nachdem sie in den vergangenen zwei Monaten um insgesamt mehr als 50 Prozent gestiegen waren. Die Experten von Goldman Sachs haben die Aktie auf "Neutral" von zuvor "Buy" heruntergestuft. Die Großbanken Morgan Stanley und Barclays hatten ihre Kaufempfehlungen für Tesla vergangene Woche zurückgezogen.
Die Aktie profitierte in den letzten zwei Monaten unter anderem von Deals mit Konkurrenten wie Ford und General Motors über den Zugang zum Tesla-Ladenetz, wodurch die Ladegeräte des Konzerns zum Branchenstandard werden könnten. Die jüngste Rally sei den Analysten zufolge auch auf den Boom um das Thema Künstliche Intelligenz zurückzuführen. "Der Markt hat Vertrauen in Teslas längerfristige Chancen geschöpft. Wir sind uns allerdings bewusst, dass die Margen von Tesla in diesem Jahr weiterhin unter Druck angesichts des anhaltenden Preiswettbewerbs stehen werden", sagte Mark Delaney, Analyst bei Goldman Sachs.