Ölpreise minus 20 Prozent Hoffnung auf Deeskalation beflügelt
Die Hoffnung auf eine Annäherung der Kriegsparteien hat die Börsen zur Wochenmitte beflügelt. Der DAX verbuchte den größten Tagesgewinn seit eineinhalb Jahren. Die Ölpreise fielen deutlich zurück.
Nach zwei Wochen Krieg kam heute erstmals die Hoffnung auf, dass es zu einer Deeskalation zwischen Russland und der Ukraine kommen könnte. Die Aktienmärkte nahmen diese Nachrichten dankbar auf. Der DAX sprang um 7,9 Prozent nach oben, das war der höchste Tagesgewinn seit etwa eineinhalb Jahren.
Die Wall Street verzeichnete ebenfalls deutliche Aufschläge. Der Dow Jones schloss zwei Prozent höher, der Technologiewerteindex Nasdaq-100 gewann 3,6 Prozent. Es handele sich jedoch um eine typische "Bärenmarkt-Rally", warnte Marktanalyst Fawad Razaqzada vom Online-Broker ThinkMarkets. Sobald die Kurserholung an Schwung verliere, setzten die Verkäufe wieder ein.
Tatsächlich dürfte die weitere Tendenz aber vor allem vom Fortgang der direkten Gespräche zwischen den Kriegsgegnern abhängen.
Besonders die von ukrainischer Seite signalisierten Zugeständnisse im Vorfeld des morgigen Außenministertreffens zwischen der Ukraine und Russland ließen die Marktteilnehmer aufhorchen. Die Ukraine hatte vor dem Treffen im türkischen Antalya ihre Bereitschaft erklärt, über einen Neutralitätsstatus zu verhandeln. Außerdem zeigte sie sich über die umstrittenen Gebiete in der Ostukraine gesprächsbereit.
Laut Marktbeobachtern könnte sich damit eine für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gesichtswahrende Lösung abzeichnen. Die russische Führung sprach ihrerseits von "Fortschritten" bei der Beilegung des Konflikts und bestritt, einen Machtwechsel in der Ukraine anzustreben. Frühere Erklärungen des Kreml hatten eher auf das Gegenteil schließen lassen.
Die Stimmung wurde auch von Spekulationen auf ein Konjunkturpaket gestützt, das die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem morgen beginnenden Gipfel in Versailles ankündigen könnten. Auch mehrten sich zuletzt die Spekulationen, dass die Europäische Zentralbank auf ihrer morgigen Zinssitzung angesichts des Ukraine-Kriegs einen weniger rigiden Straffungspfad als zuvor beabsichtigt einschlagen könnte.
Auch die Rohstoffmärkte reagierten heftig auf die neuen Hoffnungen. Die Preise für die US-Sorte WTI und die Nordseesorte Brent stürzten je um etwa 20 Prozent ab. Zuvor hatten sich die Vereinigten Arabischen Emirate und der Irak offen für eine Ausweitung ihrer Produktion gezeigt, um dem aktuellen Angebotsengpass entgegenzuwirken. Die Auswirkungen des gestern verhängten US-Embargos scheinen zudem begrenzt zu sein. Die Vereinigten Staaten hatten zuletzt lediglich 700.000 Barrel Erdöl aus Russland importiert. Die Bundesregierung hatte gestern einem Embargo von russischem Gas und Öl eine Absage erteilt.
Da die Risikoneigung aktuell wieder gestiegen ist, hat der US-Dollar als Fluchtwährung erst einmal ausgedient. Der Euro hat wieder die Marke von 1,10 Dollar überschritten. Gold, das ebenfalls als "Krisenwährung" gesehen wird, wurde in den vergangenen Tagen immer teurer, am Abend fiel der Goldpreis aber wieder unter 2000 Dollar pro Feinunze zurück.
Im DAX war die Aktie von Adidas mit 13,6 Prozent Kursplus der größte Gewinner. Der Sportartikelkonzern rechnet durch seinen Rückzug aus Russland zwar mit bis zu 250 Millionen Euro weniger Umsatz. Konzernweit soll der Umsatz im laufenden Jahr trotzdem währungsbereinigt um elf bis 13 Prozent zulegen. Adidas peilt für 2022 einen Gewinn aus dem fortgeführten Geschäft von 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro an. Im vergangenen Jahr hatte sich der Gewinn auf 1,49 Milliarden Euro gegenüber dem Corona-Jahr 2020 mehr als verdreifacht.
Die Uniper-Aktie gewann im MDAX knapp 13 Prozent. Der Energiekonzern schreibt das Darlehen für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 komplett ab. Dennoch hält Uniper an seinem Geschäftsausblick für das laufende Jahr fest. Für 2022 erwartet Uniper einen bereinigten Gewinn von 0,8 bis 1,1 Milliarden Euro.
Chipmangel und Lieferengpässe haben Continental im vergangenen Jahr belastet. Während das Reifengeschäft und die Industriesparte Conti-Tech gut liefen, schrieb der Bereich Automotive rote Zahlen. Die Konzernbilanz für 2021 kann sich dennoch sehen lassen: Der Konzernumsatz wuchs um sechs Prozent auf rund 33,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich erzielte der DAX-Konzern einen Reingewinn von rund 1,5 Milliarden Euro nach einem Verlust im Vorjahr. Für dieses Jahr hält Conti wegen des Ukraine-Kriegs und der gestörten Lieferketten ein schlechteres Ergebnis für möglich.
Auch die Bilanz der Deutschen Post kam bei Anlegern und Analysten gut an. Der Paket-Boom in der Corona-Krise und der anziehende Welthandel haben der Post 2021 zu Rekordergebnissen verholfen. "Nie zuvor hat Deutsche Post DHL Group weltweit so viele Frachtgüter, Expresssendungen und Pakete transportiert", so Post-Chef Frank Appel. Das DAX-Unternehmen steigerte seinen Umsatz von 66,8 auf 81,8 Milliarden Euro. Operativ verdiente der Konzern knapp acht Milliarden Euro. Die Dividende soll von 1,35 auf 1,80 Euro je Aktie steigen.
Einen Kurssprung von ungewöhnlichen 19,6 Prozent verbuchte die Deutsche Pfandbriefbank im SDAX. Der Gewerbeimmobilien-Spezialist hat sein Gewinnziel im zweiten Corona-Jahr auch dank einer verbesserten Wirtschaftslage klar übertroffen. Weil die Bank nicht in der Ukraine und in Russland engagiert ist, sieht Vorstandschef Andreas Arndt zudem bisher keinen Grund, an seinen Plänen für 2022 und die kommenden Jahre zu rütteln.