Ein Händler an der New Yorker Wall Street.
Marktbericht

Nach Fed-Entscheid Wall Street sackt deutlich ab

Stand: 22.03.2023 21:56 Uhr

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) zeigt sich weiter entschlossen, die Inflation mit höheren Zinsen zu bekämpfen. Das kam an der Wall Street gar nicht gut an.

Die Freude über den Zinsentscheid der amerikanischen Notenbank währte nicht lange. Wurde der Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten noch als vernünftiger Kompromiss mit Kursgewinnen quittiert, traten die nachfolgenden Äußerungen von Notenbankchef Jerome Powell eine Verkaufswelle an der Wall Street los.

Der Standardwerteindex Dow Jones schloss 1,6 Prozent tiefer. Den Marktteilnehmern gefiel nicht, dass Powell sogar eine mögliche Verschärfung des Zinskurses ins Spiel brachte, sollte es nötig werden. Auch zerstreute der Notenbankchef die Hoffnung einiger Beobachter, dass es vielleicht noch in diesem Jahr zu Zinssenkungen kommen könnte.

Die Technologiewerte gingen daraufhin ebenfalls in die Knie. Der Nasdaq 100 verlor knapp 1,4 Prozent. Auch die Aussage von Finanzministerin Janet Yellen vor dem Senat, eine "pauschale" Einlagensicherung zur Stabilisierung des Bankensystems sei kein Thema, trübte die Stimmung.

Der deutsche Markt war im Vorfeld des Zinsentscheids um 19 Uhr deutscher Zeit immer vorsichtiger geworden. Der DAX schloss bescheidene 0,14 Prozent höher, konnte damit aber noch die gestrige Erholungsbewegung fortsetzen.

Update Wirtschaft vom 22.03.2023

Samir Ibrahim, HR, tagesschau24

Wie die Fed sieht sich auch die Europäische Zentralbank (EZB) noch nicht am Ende ihres Zinspfades. Es liege noch ein Stück Weg vor der Notenbank, sagte Ratsmitglied Joachim Nagel der "Financial Times". Der Bundesbankpräsident unterstrich, dass die EZB Rufen nach baldigen Zinssenkungen widerstehen müsse, wenn der Zinsgipfel erst einmal erreicht sei. Ansonsten drohe die hohe Teuerung wieder aufzuflammen. Die EZB hatte ihren Leitzins in der vergangenen Woche erneut deutlich um 0,5 Prozentpunkte angehoben.

Die deutsche Wirtschaft hat die befürchtete Rezession nach Ansicht der "Wirtschaftsweisen" gerade noch abgewendet. Besonders wegen der stabileren Energieversorgung habe sich der Ausblick leicht aufgehellt, teilte das Gremium heute in seiner aktualisierten Konjunkturprognose mit. Insgesamt bleibe die Lage aber angespannt. Im laufenden Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt nach Ansicht der "Wirtschaftsweisen" um 0,2 Prozent wachsen. Zuvor waren sie davon ausgegangen, dass es um denselben Wert schrumpfen wird. Für das kommende Jahr rechnen sie mit einem Wachstum von 1,3 Prozent.

Der Euro sprang nach der US-Zinsentscheidung kurz über die Marke von 1,09 Dollar. Er erreichte damit den höchsten Stand seit Anfang Februar. Am Devisenmarkt wurden die Aussagen der Fed insgesamt so gedeutet, dass sich der Zinsabstand zwischen den USA und Europa verringern könnte.

Der Goldpreis konnte sich nach dem Zinsentscheid wieder über 1965 Dollar pro Feinunze befestigen. Zuletzt war die Notierung wieder etwas zurückgefallen, nachdem sie im Zuge der Banken-Turbulenzen um fast zehn Prozent angezogen war.

Aktien aus dem Immobiliensektor verloren europaweit. Der Sektorindex Stoxx Europe 600 Real Estate knüpfte mit einem Abschlag von über zwei Prozent an seine Vortagsschwäche an und markierte ein Tief seit Oktober 2022. Besonders stark war der Kursdruck beim DAX-Konzern Vonovia, dessen Aktie 4,6 Prozent verlor. Sie reagierte auch auf einen negativen Analystenkommentar der US-Bank Morgan Stanley. Analyst Bart Gysens äußerte sich generell vorsichtig zu kontinentaleuropäischen Werten wegen begrenzter Renditen, gefährdeter Mieteinnahmen und häufig zu hoher Schulden. Damit steige die Gefahr, dass Kapitalerhöhungen notwendig würden.

Am Abend bestätigten die Jahreszahlen des Immobilienkonzerns Patrizia das eingetrübte Geschäftsumfeld der Branche. Wegen rückläufiger Einnahmen und gestiegener Kosten sank das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um knapp 39 Prozent auf 78,9 Millionen Euro. Der Gewinn sackte wegen höherer Abschreibungen um 85 Prozent auf knapp 7,3 Millionen Euro ab. Wie bereits bekannt, soll die Dividende dennoch um einen Cent auf 33 Cent pro Aktie steigen. Für das laufende Jahr peilt das Management weiter ein Ebitda zwischen 50 bis 90 Millionen Euro an.

Von dem heutigen "Windgipfel" in Berlin gingen keine positiven Impulse auf die Aktien der Branche aus. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich unter anderem mit Vertretern der Energiebranche und kommunalen Spitzenverbänden getroffen. Der Ausbau der Windenergie kommt aus Branchensicht seit dem Jahresstart nur schleppend voran. Habeck sagte mit Blick auf Behörden vor Ort, es sei noch nicht die notwendige Genehmigungsgeschwindigkeit erreicht. Geplant ist nun eine "Windenergie-an-Land-Strategie". Als Ziele nannte das Ministerium etwa bessere Anreizwirkungen und Finanzierungsbedingungen sowie die Frage, wie Windflächen für die Versorgung der Industrie zur Verfügung gestellt werden können. Ein zweiter Windkraft-Gipfel soll voraussichtlich im April folgen.

Nike hat dank starker Verkäufe im dritten Quartal die Umsatzerwartungen der Experten übertroffen. Am Vorabend hatte der Sportartikelkonzern einen um 27 Prozent höheren Umsatz in seinem größten Markt Nordamerika sowie ein Plus von 17 Prozent im Segment Europa, Nahost und Afrika bekannt gegeben. Der Gesamtumsatz von knapp 12,4 Milliarden Dollar übertraf die Erwartungen. Der Nettogewinn lag mit 1,2 Milliarden Dollar allerdings elf Prozent unter dem Wert vom Vorjahreszeitraum. Adidas im DAX und Puma im MDAX notierten im Minus.

Dank einer Kaufempfehlung durch die Deutsche Bank hat sich die Erholung der Papiere von Kion heute fortgesetzt. Analyst Gael de-Bray wies die Anleger nach dem Kursrutsch der vergangenen Tage auf die historisch niedrige Bewertung des Gabelstaplerherstellers hin. Bilanzsorgen hält der Experte für übertrieben. Der Auftragsbestand im Bereich Industrial Trucks & Services (IT&S) sei so hoch, dass er selbst bei einem Nachfragerückgang um ein Drittel im laufenden Jahr in 2024 noch Umsatzwachstum beschere.

Der weltgrößte Videospiele-Anbieter Tencent musste erstmals in der Firmengeschichte einen Umsatzrückgang ausweisen. Das Unternehmen hat die Wirtschaftsflaute im Heimatland China und behördliche Einschränkungen für sein Gaming-Geschäft zu spüren bekommen. Der Betreiber der Messaging-Plattform WeChat verbuchte 2022 einen Umsatzrückgang um ein Prozent auf 554,55 Milliarden Yuan (74,6 Milliarden Euro). Der Gewinn sank um 16 Prozent auf 188,24 Milliarden Yuan.