Leichte Gewinne Kurse steigen trotz Ukraine-Eskalation
Viele Argumente für steigende Kurse gab es heute nicht. Dennoch konzentrierten sich die Anleger auf die wenigen Lichtblicke. Auch die Wall Street verbuchte Kursgewinne.
Während die Schreckensmeldungen aus der Ukraine nicht abreißen und sich die Tür zu konstruktiven Verhandlungen weiter zu schließen scheint, konnten die Aktienmärkte leichte Zuwächse über den Tag retten.
An der Wall Street schlossen die Standardwerte des Dow Jones 0,3 Prozent höher. Beflügelt vom Einstieg Elon Musks bei Twitter verbuchten die Technologietitel des Nasdaq-100 sogar ein Plus von 2,0 Prozent. Zuvor hatte die Wall Street klar im Minus eröffnet, nachdem der US-Anleihemarkt ein neues Rezessionssignal gesendet hatte. Die Renditen für zweijährige US-Staatsanleihen sind jüngst über die Renditen für zehnjährige Bonds gestiegen.
Der DAX konnte sich nach starken Exportdaten ebenfalls stabilisieren und schloss ein halbes Prozent höher. Am Morgen war das deutsche Börsenbarometer noch um bis zu 0,8 Prozent auf 14.334 Punkte abgerutscht. Solange der deutsche Leitindex die Zone bei 14.800 bis 15.000 Punkten nicht zurückerobern kann, gilt er weiter als technisch angeschlagen.
Nach dem Massaker in der Stadt Butscha bei Kiew reagiert der Westen mit weiter verschärften Sanktionen gegen Russland. Deutschland wies 40 russische Diplomaten aus und kündigte weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. Die EU-Staaten bereiteten neue konzertierte Wirtschaftssanktionen vor. Das facht unter Anlegern die Sorge vor höheren Energiepreisen und verstärkten Lieferengpässen erneut an. Damit droht die Inflation weiter beschleunigt und die Konjunktur weiter abgewürgt zu werden. Zudem werden die Gespräche über eine Feuerpause von den mutmaßlichen schweren Kriegsverbrechen Russlands belastet.
Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI ist wieder über die Marke von 100 Dollar geklettert. Die Nordseesorte Brent notierte am Abend bei 106,60 Dollar. Die Ölpreise hatten sich im Laufe der vergangenen Woche nach der Freigabe der strategischen Ölreserven der USA um rund zwölf Prozent verbilligt.
Eine Feinunze Gold kostet am Abend rund 1931 Dollar und legt damit knapp 0,4 Prozent zu. Unterm Strich leidet der Goldpreis allerdings weiterhin unter den gestiegenen US-Zinserwartungen, wirft das gelbe Edelmetall doch selbst keine Zinsen ab. Seit dem Hoch Anfang März bei 2070 Dollar hat Gold zeitweise bereits über 150 Dollar eingebüßt.
Wenn die US-Zinsen stärker ansteigen als die europäischen, wird der Dollar gegenüber dem Euro attraktiver. Entsprechend stand die europäische Gemeinschaftswährung den ganzen Tag unter Druck und musste die psychologisch wichtige Marke von 1,10 Dollar preisgeben.
Der größte Aufreger an der Wall Street war Elon Musks Einstieg bei Twitter. Die Aktie gewann über 27 Prozent. Der US-Milliardär und Tesla-Chef hat nach Daten der US-Börsenaufsicht SEC fast 73,5 Millionen Twitter-Aktien gekauft. Das entspricht einem Anteil von 9,2 Prozent an dem Konzern. Musk selbst ist bekannt für seine Twitter-Aktivitäten, seinem Profil folgen etwas mehr als 80 Millionen Nutzer. Vor kurzem hatte Musk in einem Tweet erklärt, er denke "ernsthaft" darüber nach, eine neue Internet-Plattform zu gründen.
Derweil konnte Tesla erneut mit guten Daten aufwarten. Trotz der weltweiten Lieferkettenprobleme hat der Elektroautohersteller im ersten Quartal 2022 erneut einen Rekord bei seinen Auslieferungen aufgestellt. Tesla brachte in den ersten drei Monaten des Jahres 310.048 Fahrzeuge zu den Kunden. Das waren knapp 1500 mehr als im letzten Quartal 2021. Der Vorreiter bei der Auto-Elektrifizierung will auf lange Sicht ein jährliches Plus von mindestens 50 Prozent bei den Auslieferungen halten.
Größter Gewinner im DAX war Delivery Hero mit einem Plus von mehr als zehn Prozent. Der Lieferdienstleister will 2023 erstmals auf Konzernebene im operativen Geschäft (Ebitda) schwarze Zahlen schreiben. JPMorgan-Experte Marcus Diebel sprach von einem starken Statement. Im bisherigen Jahresverlauf hatten Papiere von Delivery Hero zwischenzeitlich fast zwei Drittel an Wert verloren.
Die Bayer-Aktie lag im Gewinnerfeld des DAX weit vorn. Der Leverkusener Konzern macht bei der Entwicklung seines neuen Blutgerinnungshemmers Asundexian Fortschritte. Eine Phase-IIb-Studie zeigte bei Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko ein geringeres Blutungsrisiko im Vergleich zum Standardmedikament Apixaban. Im Falle einer Zulassung könnte das Mittel laut Analyst Alistair Campbell vom Investmenthaus Liberum ein noch größerer Erfolg werden als der Kassenschlager Xarelto, der jedes Jahr Milliardenumsätze in die Bayer-Kassen spült.
Die deutschen Autobauer haben in den USA im ersten Quartal unterschiedlich abgeschnitten. BMW erzielte ein Absatzplus bei seiner Kernmarke von 3,2 Prozent auf 73.714 Fahrzeuge. Volkswagen musste dagegen einen Einbruch von 28,5 Prozent auf 65.000 Neuwagen hinnehmen. Bereits im letzten Vierteljahr 2021 waren die Verkäufe in den USA deutlich gesunken. Die VW-Tochter Porsche verzeichnete ein Minus von knapp einem Viertel auf 13.042 Fahrzeuge. Bei Audi sank der Absatz um 35 Prozent auf 35.505 Fahrzeuge.
Bei Südzucker hat sich das Geschäft angesichts steigender Preise deutlich erholt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/22 (bis Ende Februar) stieg der Umsatz um rund 13 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro, wie Europas größter Zuckerkonzern mitteilte. Das operative Ergebnis verbesserte sich um rund 40 Prozent auf rund 330 Millionen Euro. Die Dividende soll auf 40 Cent je Aktie verdoppelt werden, nachdem Südzucker sie angesichts des Preisverfalls auf dem Zuckermarkt drei Jahre lang konstant gehalten hatte. Die Tochter CropEnergies blickt sogar auf das beste Jahr der 15-jährigen Firmengeschichte zurück. Der Umsatz des Ethanolherstellers kletterte 2021/22 um 29 Prozent auf 1,08 Milliarden Euro, das operative Ergebnis erreichte 127 Millionen Euro.
Nur wenige Wochen nach einem gescheiterten ersten Versuch gibt es angeblich erneut Bestrebungen, die Aareal Bank zu übernehmen. Die Finanzinvestoren Advent und Centerbridge erwägen einen zweiten Anlauf, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Die Private-Equity-Firmen könnten demnach möglicherweise noch in dieser Woche ein verbessertes Angebot einreichen, das Aareal mit zwei Milliarden Euro bewertet. Anfang Februar war der erste Übernahmeversuch an der Mindestannahmeschwelle von 60 Prozent gescheitert. So hatte sich der aktivistische Investor Petrus Advisers gegen das damalige Angebot von 31 Euro je Anteil gestellt. Laut den Kreisen bemühen sich Advent und Centerbridge nun um die Unterstützung des Fonds. Die Beratungen liefen noch, und es sei nicht sicher, dass die Firmen sich für ein überarbeitetes Angebot entscheiden. Aktuell hat die Aareal Bank einen Marktwert von 1,7 Milliarden Euro. Das nun diskutierte Gebot liege bei 33 Euro je Aktie, hieß es in den Kreisen weiter.
Der Autovermieter Sixt hat im ersten Quartal 2022 den Umsatz kräftig gesteigert. Die Erlöse seien um rund drei Viertel auf 580 Millionen Euro gestiegen, teilte das MDAX-Unternehmen am Abend mit. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) liege voraussichtlich zwischen 80 und 95 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2021 war noch ein Verlust von 14 Millionen Euro aufgelaufen. Sixt führte zur Begründung vor allem das "anhaltend gute Marktpreisniveau" an. Im Vorjahresquartal sei die Geschäftstätigkeit von pandemiebedingten Einschränkungen des Reiseverkehrs erheblich beeinträchtigt worden.
Die Aufsichtsratschefin des Konsumgüterherstellers Henkel, Simone Bagel-Trah, hat vor der heutigen Hauptversammlung das Vorgehen des DAX-Konzerns verteidigt, vorerst weiter am Geschäft in Russland festzuhalten. "Die aktuelle Fortsetzung unserer Geschäfte in Russland ist keine Frage des Profits angesichts des schwachen Rubels und der Schwierigkeiten im Land", sagte sie dem "Handelsblatt". "Wir stellen hier vor allem Güter des täglichen Bedarfs für die Bevölkerung her."
Schwächster Wert im TecDAX war Nordex. Der Windturbinenhersteller ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Die IT-Sicherheit habe den Vorfall am Donnerstag bemerkt. Vorsorglich seien die IT-Systeme mehrerer Geschäftsbereiche an verschiedenen Standorten abgeschaltet worden. "Kunden, Mitarbeiter und andere Stakeholder können von der Abschaltung der IT-Systeme betroffen sein."
Kion zieht seine Jahresprognose für dieses Jahr zurück. "Aufgrund der voraussichtlich deutlich länger als erwartet anhaltenden Engpässe in den Beschaffungsmärkten, der weiterhin stark steigenden Material- und Logistikkosten sowie erneuter Corona-Lockdowns, die insbesondere den asiatischen Markt treffen, ist die Prognose für das Geschäftsjahr 2022 nicht mehr aufrecht zu erhalten", sagte der Chef des Herstellers von Gabelstaplern, Rob Smith. Anfang März hatte Kion für 2022 einen Umsatz zwischen 11,0 und 12,0 Milliarden Euro und ein Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 1,01 bis 1,15 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Für das erste Quartal zeichne sich bereits ab, dass das bereinigte Ebit "wesentlich" unter den im Vorjahresquartal erzielten 215 Millionen Euro liegen werde.
Amazon will in diesem Jahr mehr als 6000 neue Mitarbeiter in Deutschland einstellen. Bis zum Jahresende soll die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik auf 36.000 steigen, wie die deutsche Tochtergesellschaft des Onlinehändlers mitteilte. Die neuen Arbeitsplätze sollen in sämtlichen Geschäftsbereichen und an allen Standorten entstehen, von Logistikzentren bis zu Forschung und Entwicklung.