Händler an der New Yorker Börse.
marktbericht

Zinsfantasien verpufft Schwerer Rückschlag für die Wall Street

Stand: 13.02.2024 22:14 Uhr

Die Rekordserie an der Wall Street ist vorerst vorbei. Enttäuschend ausgefallene US-Verbraucherpreisdaten schickten die Kurse auf Talfahrt. Von einer baldigen Zinswende spricht derzeit niemand mehr.

Die aktuellen US-Inflationsdaten schockten die Anleger, die nach den jüngsten Rekorden an der Wall Street heute Gewinne mitnahmen: Der Dow Jones fiel um 1,4 Prozent zurück auf 38.272 Punkte. Der marktbreite S&P 500 sackte ebenfalls um 1,4 Prozent auf 4953 Zähler. Die im Nasdaq 100 gelisteten Technologiewerten büßten 1,6 Prozent auf 17.600 Punkte ein.

Aktuell orientieren sich die Investoren nach unten, denn die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen scheint sich zu zerschlagen. In den vergangenen Wochen und Monaten war dies, neben der KI-Euphorie bei den Technologietiteln, ein wesentlicher Faktor, der die Aktienmärkte nach oben getrieben hat.

Nun sieht es so aus als müssten sich Anleger wohl länger gedulden. Der Preisauftrieb in den USA hat sich zu Jahresbeginn nicht so deutlich abgeschwächt wie erwartet. Die Verbraucherpreise stiegen im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,1 Prozent. Analysten hatten im Schnitt eine Rate von 2,9 Prozent erwartet.

Fachleute zeigten sich ernüchtert: "Die Inflationsrate hat im Januar auch wegen eines Basiseffektes nachgegeben, allerdings wurde die Konsensschätzung klar verfehlt. Bei den Kernpreisen ist die Jahresrate entgegen den Erwartungen nicht gesunken. Zudem sollte beachtet werden, dass diese zum Vormonat mit 0,4 Prozent überdurchschnittlich stark gestiegen sind. Dies dürfte der Fed missfallen. Die Zinssenkungserwartungen werden verdrängt", kommentiert Ulrich Wortberg, Marktexperte bei der Helaba."

"Die Daten sind ein weiterer herber Dämpfer für jegliche Hoffnungen, dass die US-Notenbank schnell ihre Zinsen senken wird", sagte Experte Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg.

Die Investoren zweifeln jetzt bereits an einer geldpolitischen Lockerung im Mai, nachdem Optimisten zuvor eine Zinswende schon im März für möglich gehalten hatten. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinswende im Mai wird an den Terminmärkten derzeit nur noch auf rund 40 Prozent geschätzt. Fallende Zinsen bei den späteren Fed-Sitzungen halten die Anleger aber nach wie vor für sehr wahrscheinlich.

Die US-Inflationsdaten hatten zuvor bereits den DAX in die Verlustzone gedrückt. Der deutsche Leitindex schloss 0,9 Prozent leichter auf 16.880 Punkten. Damit verliert der DAX langsam den Kontakt zur Marke von 17.000 Punkten - aus charttechnischer Sicht werden damit weitere Kursverluste wahrscheinlicher.

Aber es gibt auch eine optimistische Perspektive, die Konstantin Oldenburger, Marktbeobachter bei CMC Markets vertritt: Die heutigen Verluste könnten seiner Ansicht nach auch das Ende der seit nun schon fast vier Wochen andauernden Seitwärtsphase im DAX bedeuten, sollten sich die Verkäufe nicht über den heutigen Tag ausweiten. "Dann wäre es ein bereinigendes Gewitter gewesen, wonach der Himmel aufziehen und endlich den Weg über die psychologische Barriere freimachen könnte", meint der Fachmann.

Angesichts der enttäuschenden US-Verbraucherpreisentwicklung trat der heute ebenfalls publizierte ZEW-Index am deutschen Aktienmarkt in den Hintergrund. Dabei war das Ergebnis ermutigend: Der Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), immerhin einer der wichtigsten Frühindikatoren für die deutsche Wirtschaftsentwicklung, stieg im Februar um 4,7 Stellen auf einen Wert von 19,9 Punkten. Grund für den Optimismus der befragten Börsenprofis ist die Erwartung baldiger Zinssenkungen in der Eurozone und in den USA.

Die Experten der niederländischen Großbank ING sahen in den Stimmungsdaten "Anzeichen von Optimismus". Der Anstieg zeige, "dass es noch Licht am Ende eines sehr langen Tunnels gibt", schrieben sie.

Update Wirtschaft vom 13.02.2024

Bettina Seidl, HR, tagesschau24, 13.02.2024 09:00 Uhr

Auch der Goldpreis ist nach den US-Inflationszahlen unter Druck geraten und erstmals im laufenden Jahr unter die Marke von 2.000 Dollar gefallen. Gold gilt zwar als Inflationsschutz. Hohe Zinsen sind der Goldanlage aber abträglich, weil das Edelmetall keine regelmäßigen Erträge wie Zinsen abwirft.

Die Ölpreise legten heute zu. Der Krieg zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas bleibt ein bestimmendes Thema am Ölmarkt. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die Sorge wegen einer möglichen Eskalation der Lage im Nahen Osten den Ölpreisen mehrfach Auftrieb gegeben.

Erstmals seit Ende 2021 notiert der Bitcoin heute wieder über der psychologisch wichtigen Marke von 50.000 Dollar, allerdings setzten dann Gewinnmitnahmen ein. Generell zeigte der Trend zuletzt aber nach oben. Offenbar macht sich die bereits im Januar erfolgte Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs durch die US-Börsenaufsicht SEC nun zunehmend bemerkbar. "Die Lancierung der ETF-Anlagevehikel trägt nun erste Früchte", kommentierte Kryptofachmann Timo Emden von Emden Research.

Bei den Unternehmen steht TUI im Rampenlicht. Auf der Hauptversammlung entschieden die Aktionäre, die TUI-Aktie nach rund zehn Jahren von der Londoner Börse zu nehmen. Mit 98,35 Prozent der abgegebenen Stimmen sprachen sie sich dafür aus, dass die Hauptbörse des Reisekonzerns wieder Frankfurt wird. Das soll TUI auch eine Rückkehr in den MDAX ermöglichen.

Zuletzt liefen die Geschäfte für den weltgrößten Reisekonzern hervorragend. Der im Winterquartal übliche Nettoverlust halbierte sich in etwa auf knapp 123 Millionen Euro. TUI sieht sich auf Kurs zu Geschäften wie vor der Corona-Pandemie. Sowohl für den Winter als auch für den Sommer lägen die Buchungen derzeit acht Prozent höher als vor einem Jahr, teilte der Konzern am Morgen mit.

Der Rüstungssektor ist weiter im Aufwind. Rheinmetall-Aktien kletterten auf ein frisches Rekordhoch, im MDAX notierten Hensoldt-Papiere so hoch wie seit rund einem halben Jahr nicht mehr. Börsenneuling Renk stieg auf den höchsten Stand seit dem Börsengang.

Anleger erwarten steigende Rüstungsausgaben. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter forderte in der "Süddeutschen Zeitung" eine Verdreifachung des Bundeswehr-Sondertopfs auf 300 Milliarden Euro, um die Bundeswehr konkurrenzfähig zu machen.

Ab morgen wird der frühere VW-Chef Martin Winterkorn in Braunschweig vor Gericht erwartet. Der 76-Jährige soll als Zeuge zur Dieselaffäre aussagen, die ihn 2015 wenige Tage nach dem Auffliegen den Chefsessel beim Wolfsburger Autobauer kostete. Auch im neunten Jahre nach dem Bekanntwerden Abgasmanipulationen bei Volkswagen bleibt die Frage, wer was wann wusste.

Im Tarifstreit zwischen der Lufthansa und der Gewerkschaft Ver.di für das Bodenpersonal liegen die Positionen nach der jüngsten Verhandlung noch auseinander. Die Lufthansa veröffentlichte heute das am Vortag vorgelegte, verbesserte Angebot, das rund zehn Prozent höhere Gehälter in den nächsten zwölf Monaten vorsieht. Die Gewerkschaft begrüßte das Entgegenkommen, zeigte sich aber weiter unzufrieden, so dass erneute Warnstreiks nicht auszuschließen sind.

Am Frankfurter Flughafen hat das Jahr mit mehr Passagieren begonnen - trotz mehr als 1.000 gestrichener Landungen und Starts wegen Schnee und Eis. Der Betreiber Fraport zählte im Januar knapp 4,1 Millionen Fluggäste, das sind 11,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damit lag das Passagieraufkommen allerdings zugleich 12,6 Prozent niedriger als vor der Corona-Krise im Januar 2019.

Ein pessimistischer Ausblick brockt Siltronic den größten Kurssturz seit einem Jahr ein. Die Aktien des Chipindustrie-Zulieferers fielen zeitweise um mehr als zehn Prozent, konnten ihr Minus dann aber deutlich reduzieren. Siltronic hatte wegen einer schleppenden Nachfrage für das laufende Jahr vor einem erneuten Gewinneinbruch gewarnt und die Dividende zusammengestrichen.

Der IT-Dienstleister Cancom hat in einem schwierigen Umfeld sein Umsatzziel am unteren Ende der Prognosebandbreite erreicht. Bei den operativen Ergebnissen schaffte der Bechtle-Konkurrent die eigenen Vorgaben nur teilweise. Konzernchef Rüdiger Rath sah die zentralen Ziele der Prognose aber erreicht. Die im SDAX notierte Aktie gibt dennoch spürbar nach.

Der Elektrolyse-Spezialist Thyssenkrupp Nucera ist zum Geschäftsjahresauftakt erneut kräftig gewachsen. Dabei profitierte das Unternehmen weiter vom Hochlauf seines Wasserstoffgeschäfts und der Umsetzung eines damit verbundenen Großauftrags in Saudi-Arabien. Der Umsatz stieg im ersten Quartal (per Ende Dezember) um mehr als Drittel auf 208,3 Millionen Euro. Das Nettoergebnis belief sich auf 2,8 Millionen Euro nach 8,5 Millionen Euro vor einem Jahr.

Der französische Reifenhersteller hat für 2023 ein Rekordergebnis gemeldet und dies mit verzögerten Folgen der Preisanpassungen im Jahr zuvor begründet. Das operative Ergebnis lag bei 3,57 Milliarden Euro und übertraf damit die Analystenprognosen von 3,42 Milliarden. Für das laufende Jahr geht Michelin von mehr als 3,5 Milliarden Euro aus, etwas unter den Vorhersagen von 3,59 Milliarden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. Februar 2024 um 09:05 Uhr.