Kursverluste Wall Street sackt ab
Fehlende Fortschritte bei den Ukraine-Verhandlungen haben an der New Yorker Börse für Enttäuschung gesorgt. Zudem bleibt die Unsicherheit über das Tempo der Zinswende in den USA. Die Börse schloss leichter.
Die stockenden Verhandlungen über eine Waffenruhe in der Ukraine hielten heute US-Anleger von Käufen ab. Aber auch die Unklarheit über das weitere Tempo bei der US-Zinswende ist und bleibt ein großes Thema. In welchem Tempo wird die Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinszügel anziehen und droht sie damit, die Wirtschaft abzuwürgen?
In Anbetracht der vielen Fragezeichen und der morgen auf der Agenda stehenden Arbeitsmarktdaten für den März lehnten sich die Marktteilnehmer heute nicht mehr groß aus dem Fenster. Gegen Handelsende weiteten sich die Verluste dabei noch stärker aus. Alle großen Aktienindizes schlossen leichter und verloren dabei rund 1,5 Prozent. Der Leitindex Dow Jones sackte am am Ende mit einem Minus von 1,56 Prozent auf 34.678 Punkte ab. Der marktbreite S&P-500-Index gab um 1,57 Prozent nach auf 4530 Punkte.
Auch an der zuletzt wieder deutlich besser gelaufenen Technologiebörse Nasdaq blieb die Stimmung gedämpft. Der Composite-Index gab um 1,54 Prozent nach auf 14.220 Zähler, der Auswahlindex Nasdaq 100 ging bei 14.838 Zählern aus dem Handel, ein Tagesverlust von 1,55 Prozent.
Mit den heutigen Verlusten ging ein sehr schwankungsreiches erstes Quartal zu Ende. Nach den ersten drei Monaten des neuen Jahres liegt der Dow mit rund 4,5 Prozent im Minus. Nachdem er direkt zum Jahresbeginn auf einen Rekordstand von etwas über 36.950 Punkten geklettert war, bewegte zunehmend das Thema Inflation und die geldpolitischen Straffungsmaßnahmen.
Vor fünf Wochen begann Russland dann den Krieg gegen die Ukraine, was den bekanntesten Wall-Street-Index auf rund 32.270 Punkte drückte und damit auf den tiefsten Stand seit einem Jahr. In der jüngsten Erholung machte der Dow dann aber immerhin zwei Drittel des Rückschlags wieder wett.
In den USA hat sich die Lage am Arbeitsmarkt wieder etwas eingetrübt. In der vergangenen Woche stieg die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe um 14.000 auf 202.000, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit 196.000 Anträgen gerechnet. Die wöchentlichen Erstanträge gelten als zeitnaher Indikator für die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Mittlerweile hat die Zahl der Hilfsanträge in etwa das Niveau erreicht, das kurz vor der Corona-Pandemie herrschte.
Weitere Rückschlüsse auf die Gesundheit der US-Wirtschaft und das Tempo der erwarteten Zinserhöhungen versprechen sich Börsianer von den Arbeitsmarktdaten, die am Freitag zur Veröffentlichung anstehen. Experten sagen für März den Aufbau von 490.000 Stellen außerhalb der US-Landwirtschaft voraus. Im Vormonat hatte das Plus bei 678.000 gelegen. Für die Fed ist die Lage am Arbeitsmarkt stets ein entscheidender Mosaikstein bei der Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage.
Nicht zuletzt die hohen Preissteigerungen bei Energie haben zuletzt die Inflation in den westlichen Industriestaaten deutlich angeheizt. Im März hatte die Teuerung in der Bundesrepublik auf 7,3 Prozent angezogen - so stark wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. In den USA lag sie zuletzt sogar bei knapp acht Prozent.
Um diese Entwicklung in den Griff zu bekommen, steigt der Druck auf die Notenbanken, an der Zinsschraube zu drehen. Weit voraus ist dabei mal wieder die Federal Reserve, die bereits einen ersten, wenn auch kleinen Zinserhöhungsschritt im März gegangen ist.
Mittlerweile steigen die Markterwartung, dass die Fed am 4. Mai sogar einen größeren Schritt von 50 Basispunkten verkünden wird. Bankchef Jerome Powell hatte sich zuletzt sehr deutlich geäußert und dabei die Entschlossenheit der Fed bekräftigt, die Inflation einzudämmen. Die steigenden Zinsen lassen jedoch die Finanzierungskosten für die Unternehmen steigen. Das ist naturgemäß kein Umfeld, in dem die börsennotierten Firmen mit ihren Gewinnen positiv überraschen können.
Der DAX hat anfängliche Gewinne nicht behaupten können und ist im Verlauf des Handelstages immer weiter abgerutscht. Vom frühen Tageshoch bei 14.732 Punkten bis zum Tagestief bei 14.404 Zählern waren es über 300 Punkte - was zeigt, dass weiterhin sehr viel Nervosität herrscht bei den Investoren. Am Ende schloss der deutsche Leitindex auch nahe am Tagestief bei 14.414 Punkten, ein Abschlag von 1,31 Prozent.
Im heute abgelaufenen ersten Quartal hat damit vor allem der Ukraine-Krieg dem DAX einen Verlust von 9,2 Prozent beschert. Es war der stärkste Rückgang seit dem Beginn der Corona-Krise im ersten Quartal 2020.
Investoren könnten sich derzeit nur schwer zu Käufen durchringen, da auf der einen Seite die Kämpfe in der Ukraine weitergingen und gleichzeitig eine "Stagflation" drohe, sagte Anlagestratege Peter McCallum von der Investmentbank Mizhuo. Ein Lichtblick sei aber, dass ein Großteil der negativen Nachrichten schon in den Kursen enthalten sei. Unter Stagflation verstehen Experten eine stagnierende Wirtschaft bei gleichzeitig steigender Inflation.
Die Nervosität der Anleger wurde am Nachmittag befeuert durch die von Russlands Präsident Wladimir Putin angekündigte Umstellung der Regeln für die Zahlung von Gasexporten. Ab morgen soll die Abwicklung über spezielle Konten bei der Gazprombank vorgeschrieben sein. Allerdings sind die Modalitäten noch nicht im Detail klar. Im Gefolge zogen die Gaspreise auf dem Spotmarkt deutlich an.
Das frühe Tageshoch im DAX bei 14.732 Punkten war maßgeblich auf Berichte zurückzuführen, dass die USA bis zu einer Million Barrel Öl pro Tag aus den nationalen Notreserven freigeben. Dies bestätigte das Weiße Haus am Nachmittag und sprach von der "größten Freigabe von Ölreserven der Geschichte". Insgesamt könnten die USA den Ölmarkt über mehrere Monate hinweg mit bis zu 180 Millionen Barrel Öl unterstützen.
Außerdem wurde für Freitag ein außerordentliches Treffen der Internationalen Energieagentur IEA einberufen, bei dem andere Staaten sich den USA anschließen könnten. "Außergewöhnliche Zeiten verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen", sagte Analystin Susannah Streeter vom Brokerhaus Hargreaves Landsdown. "Die Freigabe von einer Million Barrel pro Tag für die kommenden sechs Monate deutet darauf hin, dass im Ukraine-Konflikt keine rasche Lösung erwartet wird."
Die Ölpreise geben daraufhin nach. Der Preis für die Nordseesorte Brent fällt am Abend um über 5,0 Prozent auf 105 Dollar. Ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI kostet rund 6,0 Prozent weniger als am Vortag.
Die Ölallianz Opec+ dreht derweil wie erwartet den Ölhahn nur moderat auf. Die Produktion werde im Mai um weitere 432.000 Barrel (je 159 Liter) täglich ausgeweitet, teilte der Verbund aus rund 20 Staaten nach einer Online-Ministerkonferenz heute mit. Das von Saudi-Arabien und Russland dominierte Öl-Kartell hält damit trotz des Kriegs in der Ukraine an dem Förderplus auf dem Niveau der vergangenen Monate fest.
Es seien vor allem geopolitische Gründe und keine gestiegene Nachfrage für den zuletzt hohen Ölpreis verantwortlich, begründeten die Länder ihren eher vorsichtigen Schritt. Damit sind kaum Auswirkungen auf den Preis für Heizöl und Benzin zu erwarten.
Der Euro stoppt derweil seine jüngste Erholung. Nachdem die Gemeinschaftswährung im frühen Handel noch auf bis zu 1,1185 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit Anfang März geklettert war, ließ der Schwung danach nach. Zuletzt notierte der Euro im US-Handel bei 1,1069 Dollar, rund 0,8 Prozent schwächer. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1101 (Mittwoch: 1,1126) Dollar fest.
Börsianer begründeten die Kursverluste beim Euro mit einer Gegenbewegung nach den Kursgewinnen in den vergangenen beiden Tagen sowie mit den Aussagen von Russlands Präsident Putin zur Bezahlung russischer Öllieferungen in Rubel. Dies habe für Unsicherheit gesorgt, was dem Dollar als Krisenwährung zugute kam, hieß es am Markt.
Der Preis für die Feinunze Gold hat sich erholt und lag knapp 0,2 Prozent höher. Gold bietet einerseits einen Inflationsschutz, andererseits lasten die sich abzeichnenden höheren Dollar-Zinsen auf den Notierungen. Das gelbe Edelmetall wird in Dollar gehandelt und reagiert daher sehr sensibel auf Veränderungen des US-Zinsniveaus.
Infineon vollzieht den Chefwechsel. Ab Freitag übernimmt der bisherige operative Vorstand Jochen Hanebeck die Führung des DAX-Unternehmens. Der bisherige Amtsinhaber, Reinhard Ploss, verlässt das Unternehmen. Er hatte seit 2012 an der Spitze des Chipherstellers aus Neubiberg bei München gestanden.
Der Energiekonzern RWE will angesichts eines drohenden Gasmangels in Deutschland den vor dem Aus stehenden Braunkohleblock A des Kraftwerks Neurath konservieren. Das Unternehmen werde zunächst alle Maßnahmen unterlassen, die eine Wiederinbetriebnahme für den Fall gefährden können, dass die Bundesregierung entscheide, dass die Anlage temporär noch zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit benötigt werde.
Der Energiekonzern EnBW will seinen Gasbezug auf eine breitere Basis stellen und den Anteil von Flüssiggas (LNG) erhöhen. EnBW habe hierzu eine Grundsatzvereinbarung mit dem Hanseatic Energy Hub geschlossen, der ab 2026 in Stade einen LNG-Terminal in Betrieb nehmen will. In einem ersten Schritt wolle der Konzern jährlich mindestens drei Milliarden Kubikmeter LNG abnehmen.
Der DAX-Konzern Bayer will sein Pharma-Produktionsnetzwerk mit Milliardeninvestitionen stärken. Dafür sollen in den kommenden drei Jahren rund zwei Milliarden Euro in die Hand genommen und in die Produktions- und Lieferkettenkapazitäten investiert werden. Rund eine Milliarde Euro sollen in den nächsten drei Jahren in die Standorte in Berlin, Leverkusen, Bergkamen und Wuppertal fließen.
Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius treibt die Stärkung seiner Flüssigmedizintochter Kabi voran. Mit gleich zwei millionenschweren Zukäufen baut der DAX-Konzern das Portfolio des auf Infusionen und Nachahmerpräparaten spezialisierten Anbieters aus. In den kommenden Jahren sollen beide Zukäufe wesentliche Beiträge liefern, um das Wachstum des Konzerns zu beschleunigen.
Volkswagen will einem Medienbericht zufolge mit gleich zwei Teams in die Formel 1 einsteigen. Laut "Business Insider" soll der Aufsichtsrat des Wolfsburger Autokonzerns bereits in der kommenden Woche über die Freigabe der Investition für das "Projekt Speed" entscheiden. Geht es nach dem Konzernvorstand, sollen ab 2026 Audi und Porsche um den Sieg in der Königsklasse fahren.
Engpässe bei Elektronikbauteilen machen dem Solartechnikkonzern auch im laufenden Jahr zu schaffen. Im ersten Quartal rechnet der Vorstand daher mit einem Umsatzrückgang auf 210 bis 220 Millionen Euro und einem operativen Ergebnis (Ebitda) von zwölf bis 16 Millionen Euro. "SMA ist mit einem hohen Auftragsbestand ins neue Jahr gestartet", betonte Vorstandssprecher Jürgen Reinert.
Der Münchner Zug- und Lkw-Bremsen-Hersteller Knorr-Bremse erhöht die Dividende um gut ein Fünftel. Für 2021 sollen 1,85 Euro je Aktie ausgeschüttet werden, 33 Cent mehr als für das Jahr davor. Damit steigt die Dividende in gleichem Maße wie der Nettogewinn, der sich im vergangenen Jahr um 22 Prozent auf 650,4 Millionen Euro erhöht hatte.
Die anhaltende Pandemie und Investitionen in Technologien und Lieferketten haben dem schwedischen Modehersteller H&M zugesetzt. Im Zeitraum Dezember bis Februar erzielte die Nummer Zwei hinter der Zara-Mutter Inditex einen Vorsteuergewinn von 282 Millionen Kronen (27,3 Millionen Euro) nach einem Verlust von 1,39 Milliarden im Vorjahr. Analysten hatten indes mit einem Gewinn von 1,04 Milliarden Kronen deutlich mehr erwartet.
Der chinesische Ölriese CNOOC strebt eine milliardenschwere Zweitnotierung an der Börse in Shanghai an, um seine Ausweitung der Öl- und Gasförderung in unsicheren Zeiten zu finanzieren. Ziel ist es, 35 Milliarden Yuan (umgerechnet 4,94 Milliarden Euro) einzunehmen. Der chinesische Branchenprimus steht auf der Schwarzen Liste der USA. Wegen der US-Sanktionen ist CNOOC inzwischen nicht mehr an der Wall Street notiert. Weitere Sanktionen seien möglich, so das Unternehmen.