EU verschärft Finanzmarktregulierung Verbote im Kampf gegen die Zocker

Stand: 19.10.2011 16:32 Uhr

Die EU-Kommission will die Möglichkeiten von Spekulanten auf den Finanzmärkten begrenzen. Sie geht mit neuen Regeln dagegen vor, dass Zocker auf Staatspleiten oder fallenden Kurse von Wertpapieren wetten. Die dabei genutzten Instrumente werden eingeschränkt.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Die Zähmung der Finanzmärkte ist ein Stück in vielen Akten. Die EU ist jetzt in einem wichtigen Bereich ein gutes Stück vorangekommen. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten haben sich nach zähen Verhandlungen auf schärfere Regeln für Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen geeinigt. Diese Zocker-Instrumente haben nach Ansicht vieler Politiker und Volkswirte zur Verschärfung der Weltfinanzkrise und der Euro-Krise erheblich beigetragen.

Enge Grenzen für Leerverkäufe

Bei Leerverkäufen spekulieren Finanzzocker auf fallende Kurse. Sie verkaufen ein Wertpapier, das sie sich nur geliehen haben oder de facto gar nicht besitzen. Sie tun dies in der Hoffnung, die Aktie oder die Anleihe später billiger zurückkaufen zu können, bevor sie an den ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden muss. Das kann einen Trend zum Kursverfall verstärken.

Die Marktteilnehmer müssen daher künftig größere Positionen den Aufsichtsbehörden melden. In Krisenzeiten können die Behörden solche Leerverkäufe befristet beschränken. Für ungedeckte Leerverkäufe, bei denen der Spekulant die Wertpapiere nicht einmal besitzt, gelten künftig harte Auflagen. Der Investor muss zumindest nachweisen, dass er das Wertpapier bei Fälligkeit erwerben kann.

Aktienmarkt

Bei Leerverkäufen oder "short sellings" verkaufen Händler Aktien, die sie nur ausgeliehen haben. Wenn der Kurs des Papiers unter den eigenen Verkaufspreis gefallen ist, kaufen sie die Aktien zurück und verdienen an der Differenz abzüglich einer Leihgebühr.

Ungedeckte Leerverkäufe sind eine verschärfte Form der "short sellings". Anders als bei einem normalen Leerverkauf sind bei dieser englisch "naked short selling" genannten Spekulationsform die verkauften Wertpapiere noch nicht einmal geliehen. Damit kann theoretisch ein Vielfaches der aktuell verfügbaren Papiere verkauft werden, was starke Kursverwerfungen nach sich ziehen kann. Der Short Seller hat bei dieser Form dann in der Regel mehrere Tage Zeit, sich die Papiere, die er bereits verkauft hat, nachträglich zu beschaffen.

Kampf gegen Wetten auf Staatspleiten

Noch weiter geht die EU bei ungedeckten Kreditausfallversicherungen (CDS). Kreditausfallversicherungen dienen dem eigentlich vernünftigen Zweck, sich gegen mögliche Verluste bei Staatsanleihen oder anderen Krediten abzusichern. In der jüngsten Zeit erwerben aber zunehmend Spekulanten solche CDS ohne überhaupt Staatsanleihen zu besitzen und wetten damit auf die Pleite von Euro-Staaten.

Das beschleunigt den Kursverfall, so der an den Verhandlungen beteiligte CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. "Das ist ein hochspekulatives Produkt", sagt er. "Im Prinzip ist es das Gleiche, wie wenn sie eine Brandschutzversicherung für ihr Nachbarhaus abschließen, in der Hoffnung, dass das möglichst schnell abbrennt." Solche ungedeckten Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen werden daher künftig verboten. Die Absicherungsgeschäfte sind damit nur noch für Anleger möglich, die tatsächlich staatliche Anleihen halten.

Ausstiegsklausel für besorgte Länder

Allerdings fürchten manche EU-Staaten, dass ein solches vollständiges Verbot von ungedeckten Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen den Handel mit ihren Anleihen austrocknen könnte. Deshalb setzten diese Staaten eine Ausstiegsklausel durch: Das heißt, die nationalen Behörden können das Verbot für eine bestimmte Zeit aussetzen - allerdings auf Drängen des EU-Parlaments nur unter strengen Bedingungen. "Wir haben bei der Möglichkeit, national aus diesem System auszusteigen, strenge Anforderungen formuliert, die erfüllt sein müssen", sagt Ferber. "Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Mitgliedsstaaten davon keinen Gebrauch machen wird."

Der jetzt gefundenen Einigung müssen noch das EU-Parlament als Ganzes und der Rat der Mitgliedsstaaten offiziell zustimmen. In einem Jahr könnten die schärferen Regeln dann in Kraft treten.