Streit zwischen Kiew und Moskau Ukraine warnt vor Gasknappheit
Die Ukraine hat erstmals vor einer Gasknappheit in Europa gewarnt, sollte der Streit mit Russland nicht bald beigelegt sein. Zwar sind die Gasspeicher in Europa voll - einzelne Länder berichten aber bereits von Lieferausfällen. Der russische Konzern Gasprom erhöhte nochmals seine Preisforderung.
Gebetsmühlenartig wiederholen Politiker in Brüssel: Keiner müsse davor Angst haben, dass durch den Streit zwischen Russland und der Ukraine in der EU das Gas knapp wird. Denn die Gasspeicher in Europa seien voll. Und Lieferant Russland wird seinerseits nicht müde zu betonen, im Streit wolle man nur die Ukraine, nicht die Kunden in der EU treffen.
Tatsächlich aber bekommen immer mehr Länder in Ost- und Mitteleuropa die Folgen des Konflikts zu spüren: Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Kroatien und die Türkei teilten mit, inzwischen komme weniger Gas aus Russland an. In Deutschland merkt man bislang noch nichts. "Die Gasversorgungsunternehmen bekommen zu hundert Prozent die Lieferungen, die sie bestellt haben", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.
Die Ukraine warnte jetzt erstmals, bei der Versorgung Europas könne es Schwierigkeiten geben: "Sollte im Lauf der nächsten 10 bis 15 Tage keine Lösung gefunden sein, könnte es ernsthafte Probleme und Unterbrechungen bei der Gasdurchleitung geben, ließ Präsident Wiktor Juschtschenko mitteilen. Immerhin 80 Prozent des russischen Gases, das für Westeuropa bestimmt ist, fließen durch die Ukraine.
Gasprom erhöht Forderung
Der russische Monopolist Gasprom erhöhte seine Forderungen für künftige Lieferungen an die Ukraine derweil drastisch. Das Unternehmen verlange ab sofort 450 Dollar für 1000 Kubikmeter Gas, sagte Vorstandschef Alexej Miller. Bevor die Verhandlungen an Silvester abgebrochen worden waren, hatte Russland noch von 250 Dollar je 1000 Kubikmeter gesprochen. Danach schraubte Gazprom das Angebot auf 418 Dollar. 2008 hatte die Ukraine das Gas für 179,5 Dollar erhalten. Künftig will Kiew maximal 210 Dollar dafür zahlen. Nach Angaben von Gasprom hat das ukrainische Unternehmen Naftogas noch 614 Millionen US-Dollar (441 Millionen Euro) Schulden aus dem vergangenen Jahr, Naftogas bestreitet dies.
Appell an Brüssel
Kiew ließ seiner Warnung vor Gasknappheit einen Appell an die Europäer folgen: Wenn die EU jetzt nicht helfe, dann werde die russische Regierung ihre Haltung in Fragen der Energiesicherheit auch gegenüber Westeuropa verschärfen. Russland missbrauche schlicht seine Rohstoffreichtum, um andere Länder zu erpressen.
EU-Delegation berät mit beiden Seiten
Eine EU-Abordnung werde noch heute mit Vertretern der ukrainischen Seite in Kiew über die Folgen der Auseinandersetzung beraten, sagte ein Sprecher der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Spätestens am Dienstag wolle die EU-Delegation - angeführt von Tschechiens Industrie- und Handelsminister Martin Riman - auch mit Vertretern des russischen Konzerns Gasprom über den Konflikt sprechen. Bereits am Samstag hatte die tschechische EU-Ratspräsidentschaft die Richtung vorgegeben: "Handeln aber nicht vermitteln". Den Streit sollten Russland und die Ukraine austragen, man selbst bestehe vor allem darauf, dass Gasprom die Lieferverträge einhalte.
Die Russen allerdings bekräftigten noch einmal ihre harte Haltung: Gasprom warf der Ukraine vor, allein am Samstag 50 Millionen Kubikmeter Gas abgezapft oder einbehalten zu haben. Der Konzern hatte der Ukraine am Neujahrstag den Gashahn abgedreht, weil es dem Land vorwirft, Rechnungen nicht beglichen zu haben.